Die Zukunftschancen der westfälischen Kreise und kreisfreien Städte

21.12.2022 Christian Hübschen

Die Prognos AG, ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsunternehmen, ermittelt seit 2004 alle drei Jahre anhand ausgewählter makro- und sozioökonomischer Indikatoren die Zukunftsfestigkeit der deutschen Regionen (= der 400 Kreise/kreisfreien Städte) und stellt sie einander gegenüber. Aus dem jüngsten, im September 2022 erschienenen "Zukunftsatlas 2022" werden im Folgenden die von der Prognos AG ermittelten Zukunfts­chancen und -risiken sowie ein Ran­king der 27 westfälischen Regionen – auf Basis der dafür maßgeblichen Einflussfaktoren – vorgestellt.

Abb. 1: Die westfälischen Kreise/kreisfreien Städte und ihre Zukunftschancen sowie ihr Rang im bundesweiten Vergleich (Quelle: Prognos AG 2022, S. 10 u. 13 ff.)

Die Prognos AG hat für das Ranking einen quantitativen Ansatz gewählt, der auf objektiven, statis­tischen Daten basiert und bewusst auf Befragungen und Diskussionen verzichtet, um subjektive Einflüsse zu vermeiden. Die Zukunftsaussichten der Regionen werden anhand des sog. Zukunftsindex bestimmt, der auf insgesamt 29 Indikatoren aus den Bereichen Demografie, Arbeitsmarkt, Wettbewerb und Innovation sowie Wohlstand und soziale Lage beruht. Die Indikatoren lassen sich in Stärke- und Dynamikindikatoren unterteilen, wobei die Stärkeindikatoren Auskunft geben über den Ist-Zustand (= Standortstärke), während die Dynamikindikatoren abbilden, wie sich die Region im Laufe der Zeit entwickelt hat. Die genaue Methodik wird im Zukunftsatlas erläutert.

Abbildung 1 zeigt die Zukunfts­chancen sowie das Ranking der 27 Kreise und kreisfreien Städte Westfalens im Jahr 2022. In dieser Gesamtbetrachtung mit allen 29 Indikatoren hat die Stadt Münster innerhalb Westfalens die mit Abstand besten Zukunftschancen (bundesweit Rang 19 von 400), in der NRW-weiten Betrachtung liegt nur noch die Stadt Düsseldorf (Rang 15) davor, dahinter folgt Bonn (21). Allerdings gehört keine der NRW-Regionen zur ersten Kategorie ("beste Chancen"). Zu dieser zählen in Deutschland lediglich elf Regionen, von denen allein neun in Bayern und Baden-Württemberg liegen, angeführt vom Landkreis München, der Stadt Erlangen und der Stadt München. In NRW folgen mit einigem Abstand der Kreis Gütersloh (44) und die Stadt Köln (65), beide gehören aber bereits der dritten Kategorie ("hohe Chancen") an. In der folgenden Kategorie "leichte Chancen" dominieren die Kreise im Osten und Norden Westfalens sowie der Kreis Olpe. "Ausgeglichene Chancen/Risiken" (fünfte Kategorie), und damit überwiegend schon deutlich in der unteren Hälfte des bundesweiten Rankings platziert, weisen vorwiegend Regionen im Süden Westfalens sowie Städte im östlichen (westfälischen) Ruhrgebiet wie Dortmund (281), Hamm (287) und Bochum (297) auf. Risiken sieht der Zukunftsatlas vor allem in den Regionen des nördlichen Ruhrgebiets: "leichte Risiken" werden Recklinghausen (311) und Bottrop (342) bescheinigt, Hagen (360) und Herne (382) sogar "hohe Risiken". Noch weiter abgeschlagen und mit "sehr hohen Risiken" bewertet ist die Stadt Gelsenkirchen auf Rang 393, in NRW liegt nur noch Oberhausen (394) dahinter. Auf den letzten Plätzen in der bundesweiten Betrachtung folgen – mit Ausnahme des rheinland-pfälzischen Pirmasens – ausnahmslos ostdeutsche Regionen.

Abb. 2: Die "Top 5"- und "Flop 5"-Regionen in NRW nach Kategorien (Quelle: Prognos AG 2022, S. 13 ff.)

Neben dem Zukunftsindex und Ranking werden für die bereits genannten Merkmale auch Teilindices und -rankings gebildet und dafür ebenfalls die zwei Dimensionen Stärke (Ist-Zustand) und Dynamik (Entwicklung) berechnet. Hierbei dominieren unter den jeweiligen "Top 10" weitgehend süddeutsche Regionen, aus NRW sind nur die beiden Städte Müns­ter im Bereich Demografie auf Rang 7 und Bonn im Bereich Arbeitsmarkt, ebenfalls Rang 7, vertreten.

Allerdings zeigen sich in NRW und Westfalen im Detail überraschende Unterschiede jeweils bei der Betrachtung der "Top 5" bzw. der "Flop 5". So gehören im Bereich der Demografie etwa Gelsenkirchen und Hagen zu den "Top 5", in den Bereichen Arbeitsmarkt sowie Wohlstand & Soziale Lage jedoch zu den "Flop 5" (Abb. 2).

Abb. 3: Die westfälischen Kreise/kreisfreien Städte in Bezug auf ihre "Stärke" (Ist-Zustand) und "Dynamik" (Entwicklung) im bundesweiten Vergleich (Quelle: Prognos AG 2022, S. 13 ff.)

Bei der Betrachtung der Stärke und der Dynamik zeigt sich innerhalb Westfalens ein differenzierteres Bild (Abb. 3). Die "Stärkekarte" ist ähnlich ausgeprägt wie die Karte der Gesamtbetrachtung (Abb. 1). Auf ganz NRW bezogen führt hier Düsseldorf (bundesweit Rang 19) vor Münster (30), Bonn (33), dem Kreis Gütersloh (51) und dem Kreis Mettmann (59).

Hinsichtlich der Dynamik zeigen jedoch insbesondere die Regionen im südlichen Westfalen Schwächen; die Städte und Kreise des Ruhrgebiets, angeführt von Bochum, können hier hingegen punkten, ebenso wie Regionen im Norden und Osten Westfalens. Herausragend ist die Stellung von Münster, das auch innerhalb NRWs das Dynamik-Ranking (bundesweit Rang 4) vor Bonn (12), Düsseldorf (19), dem Kreis Kleve (33) und Bochum (!) (65) anführt.

Abb. 4: Veränderungen ausgewählter Städte im Vergleich zum Jahr 2019 (Quellen: Prognos AG 2022, S. 13 ff. u. 2019, S. 15 ff.)

Im Vergleich zum letzten Zukunfts­atlas aus dem Jahr 2019 ist Düsseldorf in der Gesamtbetrachtung um drei Ränge abgerutscht (Abb. 4). Bonn ist um sieben Ränge aufgestiegen, was der um 43 Plätze verbesserten Dynamik geschuldet ist, während die Stadt hinsichtlich der Stärke allerdings um vier Plätze abfiel. Der große Gewinner in NRW ist Münster, das sich insgesamt um sechs Ränge verbessert hat und bei der Dynamik (4 Plätze) wie auch der Stärke (6 Plätze) aufgestiegen ist. Die NRW-Schlusslichter Herne, Gelsenkirchen und Oberhausen haben sich alle beim Gesamtrang massiv verschlechtert (Abb. 4). Herne hat zwar bei der Dynamik um 177 (!) Plätze stark zugelegt, allerdings im Gegenzug bei der Stärke 35 Plätze verloren. Die Zukunftschancen der Regionen im Nordwesten Westfalens haben sich z.T. verbessert. Die vier Münsterlandkreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf, die Kreise Minden-Lübbecke, Herford und Soest sowie die Stadt Hamm sind um einen Rang aufgestiegen, umgekehrt sind Hagen und Gelsenkirchen, ohnehin Schlusslicht in Westfalen, noch weiter abgerutscht.

Im Langzeitvergleich der seit 2004 im dreijährigen Turnus durchgeführten Studie zeigt sich, dass sich die Zukunftschancen der westfälischen Regionen zwar immer wieder leicht ändern, insgesamt aber – wenn auch auf weitgehend mittlerem Niveau – relativ stabil bleiben. Auffallend ist aber auch, dass sich die Schere zwischen den ländlichen Regionen und den Städten insbesondere des (nord-)östlichen Ruhrgebiets immer weiter zu öffnen scheint, obwohl hier anfangs noch weitgehend einheitliche Zukunftschancen bestanden haben.

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: < 1 MB)

↑ Zum Seitenanfang


 

Weiterführende Literatur/Quellen

  • Prognos AG (Hg.) (2019): Prognos Zukunftsatlas 2019. Das Ranking für Deutschlands Regionen. Berlin
  • Prognos AG (Hg.) (2022): Prognos Zukunftsatlas 2022. Das Ranking für Deutschlands Regionen. Berlin
  • https://www.handelsblatt.com/infografiken/prognos-zukunftsatlas-2022/28715856.html
  • https://www.prognos.com/de

Erstveröffentlichung 2022

Verwandte Beiträge