Stadtkrone Ost in Dortmund – ein Konversionsfall

11.04.2016 Karl Heinz Maurmann

Inhalt

In Dortmund verfügte die britische Rheinarmee 1991 über elf Standorte mit einer Gesamtfläche von 270 ha, auf denen 3.235 Soldaten stationiert und etwa 1.000 deutsche Arbeitskräfte beschäftigt waren. Rund 1.500 Wohnungen waren außerhalb der Kasernen an britische Soldatenfamilien vermietet.

Im Sommer 1991 kündigte die britische Regierung an, bis Ende 1993 die drei britischen Kasernen im Osten der Stadt Dortmund an der B1 zu räumen (Abb. 1):

  • Westriding/Moore Barracks (Nr. 1 in Abb. 1) mit 34,7 ha,
  • Ubique Barracks (Nr. 2) mit 14,4 ha,
  • Redesdale Barracks (Camp 8) (Nr. 3) mit 5,2 ha.
Abb. 1: Gebiet der heutigen Stadtkrone Ost 1980 (Quelle: Stadtplan der Stadt Dortmund)

Konzept für die Stadtkrone Ost

Sofort begann eine intensive Diskussion über Nachnutzungen dieser Konversionsflächen, die als "Filetstücke" für die Stadtentwicklung galten:

  • gute Anbindung an das überregionale Fernstraßennetz durch die Lage direkt an der Kreuzung der beiden Schnellstraßen B1 – der wichtigsten Ost-West-Straße des Ruhrgebiets – und B236,
  • kurze Fahrzeiten im Individualverkehr zu Hauptbahnhof, Flughafen, Universität,
  • gute ÖPNV-Anbindung durch zwei Stadtbahnhaltestellen im Verlauf der B1 (nur 15 Minuten zum Hbf),
  • Lage östlich der Gartenstadt, einem aufgrund der guten Wohnqualität bevorzugten Wohngebiet.

Die zunächst erwogene Nutzung der Kasernen zur Unterbringung von Asylbewerbern und Aussiedlern wurde verworfen, da sie das besondere Lagepotenzial der Kasernengelände nicht angemessen ausgeschöpft hätte.

Dann wurde die Umsiedlung der Fachhochschule Dortmund, die räumlich beengt an fünf verschiedenen Standorten in der Stadt untergebracht war, auf einen eigenen Campus von 15 bis 20 ha favorisiert, um den sich ein zweiter Technologiepark entwickeln sollte. Statt eines Neubaukomplexes für die FH auf dem Kasernengelände blieb das Land NRW jedoch bei seinen Planungen für FH-Erweiterungen auf dem Universitätscampus im Südwesten der Stadt mit der vorteilhaften Nachbarschaft zu Universität, Technologiezentrum und -park.

Tab. 1: Flächenaufteilung der Stadtkrone Ost (Stand: 08/2015)

Nach städtebaulichem Wettbewerb und Experten-Workshop entstand 1995 das Nutzungskonzept für das "Stadtkrone Ost" genannte Gebiet. Im Sommer 1997 kaufte die von der Stadt Dortmund gegründete Stadtkrone Ost Entwicklungsgesellschaft die Fläche der beiden westlich gelegenen Kasernen (Westriding/Moore Barracks und Ubique Barracks) für umgerechnet rund 5,7 Mio. Euro. Das Projekt Stadtkrone Ost erhielt 11 Mio. Euro Fördergelder vom Land NRW. Auf den etwa 50 ha sollte ein Stadtquartier von besonderer städtebaulicher Qualität entstehen (Stadt Dortmund 1997, S. 2f., Ap 192). Anknüpfen an die Strukturen der Gartenstadt und Arbeit mit zu kunftsweisenden Technologien und technologieorientierter Infrastruktur wurden zum Motto. Man riss die vorhandenen Gebäude ab, da die Bausubstanz nicht zum hochwertigen Nutzungskonzept passte, und konnte daher unabhängig von der bisherigen Bebauung planen. Die Konversionsfläche wurde in drei Bereiche gegliedert (Tab. 1, Abb. 2):

Abb. 2: Bauflächeneinteilung der Stadtkrone Ost (Quelle: Geo- Datenbank Tiemann und Partner)

In der ersten Reihe zur B1 und B236 sollten hochwertige Bürogebäude in repräsentativer Architektur entstehen, z.B. für Hauptverwaltungen und Niederlassungen großer Unternehmen.

Hinter diesen Vorzeigeobjekten sollten auf einem Streifen Gewerbebauland mittlerer Qualität technologieorientierte Unternehmen und Dienstleister in "Normalbüros" ihren Standort finden.

Im inneren Bereich, vor dem Verkehrslärm der Durchgangsstraßen durch die vorgelagerten Bürogebäude geschützt, sollten Wohnhäuser errichtet werden (Stadt Dortmund, Stadtplanungsamt).

Die recht niedrigen Grundflächen-(GRZ) und Geschossflächenzahl (GFZ)-Grenzwerte entsprechen diesem Konzept der aufgelockerten Flächennutzung eines Dienstleistungsparks (Tab. 1).

Tab. 2: Einwohner der Stadtkrone Ost 1995–2015

Entwicklung der Stadtkrone Ost bis 2015

Alle Grundstücke des Wohngebietes sind inzwischen verkauft. Rund 1.100 Einwohner wohnen heute auf der Stadtkrone Ost (Tab. 2 und Abb. 2).

Auch alle Flächen des mittleren Bereichs sind vermarktet (Abb. 2). 1999 eröffnete hier das bundesweit erste Electronic Commerce Center. Mehrere Bürogebäude beherbergen heute Unternehmen des E-Business. Zahlreiche IT-Firmen, Versicherungen und andere Dienstleistungsunternehmen folgten. Insgesamt sind 2015 rund 160 Unternehmen auf der Stadtkrone Ost ansässig mit ca. 3.500 Arbeitsplätzen am Standort (Tab. 3).

Die Grundstücke in vorderster Front zur B1 und B236 haben erst zum kleinen Teil einen Käufer gefunden (Tab. 1). Zum einen hat die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung (Finanzkrise) die Nachfrage nach Prestigeobjekten reduziert. Frühere Unternehmen mit Hauptverwaltungen in Dortmund sind von auswärtigen Konzernen übernommen worden. Von erheblicher Bedeutung ist außerdem der geplante Ausbau der B1 zur A40. Denn aufgrund der Ausbaustandards sind dabei 3–5 m hohe Lärmschutzwände vorgesehen. Repräsentative Gebäude würden dadurch einen erheblichen Teil ihrer Attraktivität einbüßen.

Für das starke Verkehrsaufkommen durch die Stadtkrone Ost wurde die höhengleiche Kreuzung der Straße Am Gottesacker mit der B1 zu einem niveaufreien Verkehrsknoten mit integrierter Stadtbahnhaltestelle umgebaut.

Die Entwicklung der Stadtkrone Ost führte zu Erweiterungen: Gegen über dem Kasernengelände lagen nördlich der B1 Ballsportplätze der britischen Streitkräfte (Abb. 1). Hier entsteht eine "Automeile". Dabei werden die Autohäuser so gebaut, dass sie eine zunächst vorgesehene 8,5 m hohe Lärmschutzwand ersetzen.

Tab. 3: Die größten Unternehmen auf der Stadtkrone Ost (Stand: 08/2015)

Im Jahr 2001 kaufte die Stadtkrone Ost Entwicklungsgesellschaft auch die Fläche der weiter östlich gelegenen Redesdale Barracks (Abb. 1). Von hier soll ab 2018 die größte Bundesbankfiliale mit voraussichtlich über 200 Beschäftigten Wirtschaft und Bevölkerung im gesamten Ruhrgebiet sowie im Sauerland, Siegerland, Münsterland und Niederrheingebiet mit Bargeld versorgen. Die neue Filiale übernimmt die Aufgaben der bisherigen Filialen in Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg, Düsseldorf und Hagen. Der Standort erhielt vor allem aufgrund der hervorragenden Erreichbarkeit für Kunden (Banken, Werttransportunternehmen) und Mitarbeiter den Vorzug unter rund 20 konkurrierenden Standorten.

Die Stadtkrone Ost, die Brachfläche der früheren Kasernen an der B1, hat im Rahmen der Konversion zukunftsträchtige Funktionen erhalten und sich schnell zu einem bevorzugten neuen Stadtteil entwickelt. Das benachbarte Schürener Feld zwischen der Stadtkrone Ost und dem Stadtteil Schüren konnte als Freifläche erhalten werden. Die Stadtkrone Ost zeigt damit Möglichkeiten der Flächenkreislaufwirtschaft in der Stadtentwicklung auf.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016