Nationale Naturmonumente in Westfalen

19.04.2024 Markus Wieneke

weiterer Autor: Peter Wittkampf

Inhalt

"Nationale Naturmonumente" wurden als eigene Schutzgebietskategorie im Jahr 2010 neu in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen. Laut § 24 BNatSchG sind es "rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, die

  1. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen, kulturhistorischen oder landeskundlichen Gründen und
  2. wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit von herausragender Bedeutung sind."

Es kann sich beispielsweise "um national bedeutsame Naturerscheinungen, aber auch um spezielle herausragende geologisch-geomorphologische Erscheinungen oder um solche, in denen sich besondere Natur- und Kulturwerte verbinden, handeln" (BfN 2024).

Nationale Naturmonumente werden i.d.R. auf der Basis eines Managementplans gepflegt, betreut und entwickelt. Dies schließt auch Medienpräsentationen, Dokumentationen und die Besucherlenkung ein.

Gegenwärtig (Stand: 03/2024) gibt es in Deutschland insgesamt acht Nationale Naturmonumente, darunter das "Grüne Band", also die ehemalige innerdeutsche Grenze. Zwei der acht Nationalen Naturmonumente liegen in NRW, beide im Landesteil Westfalen. Es sind die Bruchhauser Steine bei Olsberg (Hochsauerlandkreis) und das Kluterthöhlensys­tem bei Ennepetal (Ennepe-Ruhr-Kreis).

Abb. 1: Istenberg mit den Bruchhauser Steinen: Bornstein, Goldstein, Ravenstein und Feldstein (v.l.n.r) (Foto: © Stiftung Bruchhauser Steine)

Die Bruchhauser Steine

Bei den Bruchhauser Steinen handelt es sich um vier große Felsen vulkanischen Ursprungs am Nordwesthang des Istenberges. Die Felsen bestehen aus kieselsäurereichem Lavagestein. Im Mitteldevon, vor ca. 385 Mio. Jahren, brach auf dem Grund des damaligen Devon-Meeres ein Vulkan aus, dessen quarzreiche, zähflüssige Lava dann domartig über den Ausbruchstellen zu hartem Quarzporphyr erstarrte. Die weicheren Gesteine der Umgebung wurden später erodiert, die vier heutigen Bruchhauser Steine, Reste der alten Vulkanschlote, blieben dagegen stehen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Felsen:

  • Bornstein: 92 m hoch über die Umgebung hinausragend, bei einer Gesamthöhe von 700 m über NHN,
  • Ravenstein: 72 m, 701 m ü. NHN,
  • Goldstein: 60 m, 712 m ü. NHN und
  • Feldstein: 45 m, aber mit 756 m ü. NHN der höchste Punkt des Istenberges – und als einziger der Bruchhauser Steine für die Öffentlichkeit zugänglich (Geologischer Dienst NRW o. J.).

Die vier Felsen sind nicht nur in Bezug auf das Gestein besonders bemerkenswert, sondern auch Flora und Fauna weisen "Highlights" auf, die es fast nirgendwo sonst gibt: Moose und Flechten haben z.T. hochalpinen bzw. arktischen Charakter, und es brüten hier (wieder) Wanderfalken, die in Nordrhein-Westfalen seit 1970 als ausgestorben galten (Stiftung Bruchhauser Steine 2018).

Kulturgeschichtlich bedeutsam ist die Tatsache, dass es hier in vorchristlicher Zeit eine große Befestigungsanlage mit Wällen und Mauern gegeben hat, die mit Hilfe moderner archäologischer Untersuchungen nicht nur nachgewiesen, sondern sogar rekonstruiert werden konnte. Am Goldstein gibt es seit Oktober 2022 ein entsprechendes Modell, das u.a. die Dimension der eisenzeitlichen Anlage deutlich werden lässt.

Schon in früheren Jahrhunderten waren Reisende und Gelehrte von der Monumentalität der Felsen fasziniert. Als Beispiel sei Annette von Dros­te-Hülshoff genannt, die 1837 hier war und sich über "...die vielbesprochenen Bruchhauser Steine, isolirt [sic!] stehende Felsmassen, wie sie, in dieser Stärke und Höhe, Staunen erregen", sehr beeindruckt äußerte und sie ausführlicher beschrieb (Gödden/Grywatsch 1996, S. 166). Auch solche Zeugnisse gehören letztlich zur Kulturgeschichte.

2017 wurden die Bruchhauser Steine als Nationales Naturmonument unter Schutz gestellt. Die Gesamtfläche beträgt ca. 24 ha. Der Besuch ist kostenpflichtig, der Zugang erfolgt vom Besucher- und Infocenter in Olsberg-Bruchhausen aus. Auf einem 3,5 km langen Rundweg bzw. einem Erlebnispfad (seit 2021) kann man die geologischen, naturkundlichen und kulturgeschichtlichen Besonderheiten des Gebietes kennenlernen.

Abb. 2: Gang in der Kluterthöhe (Foto: © Arbeitskreis Kluterthöhle e.V.)

Die Kluterthöhle

Im April 2019 wurde das Kluterthöhlensystem bei Ennepetal offiziell als NRW-weit zweites Nationales Naturmonument eingestuft. Richtigerweise wird dabei nicht nur von "der" Kluterthöhle, sondern von einem Höhlensystem gesprochen, denn die Klutert-Haupthöhle steht sowohl durch ihre Genese als auch hydrologisch mit weiteren Einzelhöhlen in Verbindung. Die Gesamtlänge des Systems beträgt mehr als 7 km, wobei hiervon fast 6 km auf die eigentliche Kluterthöhle entfallen. Besucherinnen und Besucher können das Kluterthöhlensystem auf einer Streckenlänge von insgesamt rd. 1 km erkunden (s. Beitrag Wieneke).

Entstanden ist das Höhlensys­tem – nach Koch (2018) – ebenfalls im Zeitalter des Mitteldevon. Damals entstanden in dem tropischen Meer, das sich hier erstreckte, mächtige Korallenriffe, die in den folgenden erdgeschichtlichen Epochen zu Kalkgestein verfestigt wurden. Kohlensäurehaltiges Wasser löste dies dann später im Untergrund teilweise auf, sodass Karsthöhlen entstanden. Bewegt man sich heute durch diese Höhlengänge, offenbaren sich deren Wände als eine Art "Aufschluss" eines Korallenriffs. Durch die Auflösung des Kalks wurden an den Höhlenwänden die Fossilienstrukturen besonders herauspräpariert. In der Begründung für die Einordnung des Kluterthöhlensystems durch das Land Nordrhein-Westfalen hieß es wörtlich: "... Die Höhlenwände sind überzogen von fossilen riffbildenden Organismen, die dreidimensional in den Raum hineinragen und überwiegend in Lebendposition versteinert sind. Dieser dreidimensionale, fossile Riffaufschluss ist bundesweit einzigartig und stellt darüber hinaus im europaweiten Vergleich eine außerordentliche Seltenheit dar" (ebd., S. 80). Sichtbar wurde diese Einzigartigkeit vor allem durch die Säuberung und Aufbereitung der Kluterthöhle in den Jahren 2014 bis 2018. Dabei wurde – unter Einsatz eines Hochdruckreinigers – u.a. Schmutz an den Wänden entfernt, darüber hinaus wurden Müll und Schutt beseitigt. Das alles hatte sich im Laufe von Jahrzehnten angesammelt. Außerdem erfolgte eine Modernisierung der elektrischen Ausstattung (z.B. Installation von LED-Beleuchtung). In naturkundlicher Hinsicht sind in dem Höhlensystem nicht nur die geologischen und paläontologischen Gegebenheiten von großer Bedeutung. Auch die Tierwelt in den Höhlengewässern ist insbesondere für Biologen von Interesse.

Ähnlich wie beim Naturmonument Bruchhauser Steine ist auch die Kluterthöhle nicht nur in naturkundlicher und -geschichtlicher Hinsicht bedeutsam, sondern auch kulturgeschichtlich und historisch (Kruse/Arbeitskreis Kluterthöhle 2018). Funde in der Höhle deuten darauf hin, dass sich hier bereits im Mittelalter Menschen aufgehalten haben. In Kriegszeiten diente sie als Zufluchtsort, so im Dreißigjährigen Krieg und im Zweiten Weltkrieg. Ihre Erforschung und Kartierung begann im 17. Jh., wobei bis heute immer wieder weitere, vorher unbekannte Höhlenabschnitte entdeckt wurden bzw. werden. Seit Ende des 19. Jh.s gibt es Führungen für Höhlenbesucher, und seit Mitte des 20. Jh.s wird ein Teil der Höhle zu Heilzwecken für Patienten genutzt, die z.B. an Atemwegserkrankungen leiden (ebd.). Speziell auch bei Spätfolgen von "Corona" suchen Erkrankte hier Besserung.

Als Beispiel eines frühen Zeugnisses wissenschaftlicher Erforschung der Kluterthöhle sei hier die Arbeit des Arztes Ludovicus Castringius aus Schwelm und des Apothekers Caspar Heinrich Stucke aus Lennep (heute zu Remscheid) erwähnt, die unter dem Titel "Ueber den Schwelmer Gesundbrunnen" entweder 1800 oder 1801 erschien. Auf insgesamt acht Buchseiten plus selbst angefertigter Karte werden darin die Merkmale und der Verlauf der Höhle beschrieben. Einleitend stellt Castringius (S. 12) fest: "Diese Höle, die bis izt nur in der Nachbarschaft bekannt geworden zu seyn scheint, hier aber auch zu manchen Fabeln Veranlassung gegeben hat, bietet dem Naturforscher zu viel bemerkenswerthes dar, als daß ich nicht auf den Beifall meiner Leser hoffen dürfte, wenn ich die Gelegenheit ergreife, sie etwas genauer zu beschreiben, als es bisher, so viel ich weiß, geschehen ist".

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • BfN Bundesamt für Naturschutz (2024): Nationale Naturmonumente.
    (https://www.bfn.de/nationale-naturmonumente; abgerufen am 17.04.2024)
  • Castringius, L. und C. H. Stucke (1800 od. 1801): Ueber den Schwelmer Gesundbrunnen. Barmen/Iserlohn.
    (https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/content/pageview/3961711?query=schwelmer%20gesundbrunnen; abgerufen am 17.04.2024)
  • Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2017): Umweltministerium weist Bruchhauser Steine als Nationales Naturmonument aus. (Pressemitteilung vom 19.04.2017)
    (https://www.land.nrw/pressemitteilung/umweltministerium-weist-bruchhauser-steine-als-nationales-naturmonument-aus; abgerufen am 17.04.2024)
  • Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2019): Kluterthöhlensystem ist zweites Nationales Naturmonument in Nordrhein-Westfalen (Pressemitteilung vom 02.04.2019)
    (https://www.land.nrw/pressemitteilung/kluterthoehlensystem-ist-zweites-nationales-naturmonument-nordrhein-westfalen; abgerufen am 17.04.2024)
  • Geologischer Dienst NRW (o.J.): Bruchhauser Steine.
    (https://www.gd.nrw.de/ge_ev_geologie-erleben_bruchhauser-steine.htm; abgerufen am 17.04.2024)
  • Gödden, W. und J. Grywatsch (1996): Annette von Droste-Hülshoff unterwegs. Auf den Spuren der Dichterin durch Westfalen. Münster (= Kulturlandschaft Westfalen, Bd. 4)
  • Koch, L. et al. (2018): Fossile Funde aus dem Nationalen Naturmonument Kluterhöhle (Ennepetal, Nordrhein-Westfalen). In: Mitt. Verb. Dt. Höhlen- und Karstforscher, Nr. 64 (4). München, S. 79–83
    (http://www.l-koch.de/Koch-et-al_%202018%20Nationalmonument.pdf; abgerufen am 17.04.2024)
  • Kruse, L. / Arbeitskreis Kluterthöhle (2018): Die Kluterthöhle – Die Erforschung durch den AKKH.
    (https://akkh.de/kluterthoehle; abgerufen am 17.04.2024)
  • Stiftung Bruchhauser Steine (2018): Die Bruchhauser Steine. Pflanzen und Tiere.
    (https://www.bruchhauser-steine.de/pflanzen-tiere-bruchhauser-steine; abgerufen am 17.04.2024)
  • https://www.bruchhauser-steine.de
  • https://www.kluterthoehle.de
  • https://www.westfalen-regional.de/de/schauhoehlen

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Erstveröffentlichung 2024

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