Das Museum Haus Hövener – kulturelles Schmuckstück im sauerländischen Brilon
Lässt man den Blick von der Treppe des historischen Rathauses über den Marktplatz der Hansestadt Brilon schweifen, bleiben die Augen unweigerlich an dem auffälligen Haus an der östlichen Seite des Platzes hängen. Das Gebäude passt nicht wirklich zu den schwarz-weißen Fachwerkhäusern schräg gegenüber. Das stattliche Eckhaus, komplett mit Schiefer verkleidet, beherbergt eines der interessantesten Museen in Südwestfalen und darüber hinaus. Das "Haus Hövener" ist mehr als eine der üblichen Heimatstuben, die in zahlreichen Kleinstädten und Dörfern im Sauerland existieren.
Vom Repräsentativbau zum Museum
Das Gebäude wurde in den Jahren 1803/04 auf der seit dem großen Stadtbrand (1742) brachliegenden Fläche des zuvor hier stehenden Armenhauses durch den Kaufmann Caspar Krüper errichtet. Es entstand ein repräsentatives Wohn-und Geschäftshaus. Nur ein Jahrzehnt später musste Krüper das Gebäude aus wirtschaftlichen Gründen jedoch wieder verkaufen. Erworben wurde es von der Gewerkenwitwe Charlotte C. Unkraut. Die Familie Unkraut-Hövener gehörte zu den wichtigsten Familien im Bergbau und der aufblühenden Montanindustrie im Sauerland. Das großbürgerliche Gebäude war fortan Wohnstätte der Familie. Die letzte Nachfahrin war Wilhelmina Hövener (1906–1999). Im Jahr 1994 entschloss sich die ehemalige Studiendirektorin, das Haus, das immerhin seit fünf Generationen im Familienbesitz war, nach ihrem Tod dem LWL-Freilichtmuseum Detmold zu überlassen. Mit der 1996 gegründeten Stiftung "Briloner Eisenberg und Gewerke – Stadtmuseum Brilon" sorgte Wilhelmina Hövener dafür, dass das Haus später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte.
Die gemeinnützige Schenkung bezog sich dabei nicht nur auf das Gebäude, sondern schloss ferner die darin befindliche und zudem gut erhaltene Einrichtung mit ein. Das Besondere: Diese wurde seit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg kaum verändert, da Wilhelmina Hövener stets bemüht war, die Haushaltsgegenstände der Generationen vor ihr weiterzuverwenden und zu pflegen (Abb. 2). Zum Inventar gehörten ursprünglich auch die akribisch geführten Notenbücher der ehemaligen Mathematik- und Geographielehrerin, die am Gymnasium Petrinum, keine fünf Gehminuten von ihrem Haus entfernt, unterrichtete.
Das Museum Haus Hövener wurde im Jahr 2011 eröffnet. Das Gebäude verfügt über 24 Räume, die Fläche umfasst 1.150 m2. Die Tatsache, dass Architektur und Interieur eine inhaltlich zusammengehörige Einheit bilden, macht das Museum auch überregional so besonders.
Ausstellungsschwerpunkte
Beim Eintritt in das Museum durch eine nischenartig gestaltete Tür haben die Besucherinnen und Besucher umgehend den Eindruck, sich durch ein Mundloch in eine Art bergbaulichen Stollen ins Dunkle zu begeben. Unterstützt wird diese Vorstellung durch die oben im halbkreisförmigen Oberfenster dargestellten Schlägel und Eisen als bergmännisches Gezähe. Dieses Symbol des Bergbaus ist auch aus anderen Regionen bekannt, etwa dem Harz, Erzgebirge und natürlich dem Ruhrgebiet, u.a. aus dem Stadtwappen von Gelsenkirchen.
Damit ist bereits ein musealer Schwerpunkt von Haus Hövener angedeutet: Bergbau und Montanindustrie. Im Umland von Brilon wurden nämlich Eisenerze ebenso abgebaut wie Zink- (= Galmei) und Bleierze (s. Beitrag Köhne). Die beiden Unternehmen Olsberger Hütte (s. Beitrag Köhne) und Hoppecke Batterien (Brilon) zeugen bis heute von dieser bergbaulichen Tradition. Deren Entwicklung ist durch eine Reihe an Exponaten dokumentiert. Zudem wird auf die Geschichte der ehemaligen Glockengießerei in Brilon eingegangen.
Ein anderer Fokus des Museums liegt auf der Veranschaulichung der historischen Entwicklung der Stadt Brilon. Hierfür wurde eigens ein interaktives Stadtmodell erstellt. Damit lässt sich die Bedeutung einzelner Gebäude sowie die Geschichte Briloner Familien erkunden – etwa der jüdischen Kaufmannsfamilie Fränkel aus der Marktstraße, wo bis in die 1930er Jahre in einem Hinterhaus der Gebetsraum der jüdischen Gemeinde Brilons gelegen war. Ende der 1930er Jahre musste die Witwe Klara Fränkel ihr Anwesen zu einem vom NS-Regime festgesetzten Betrag verkaufen, konnte aber letzlich mit ihrem Sohn Paul nach Mittelamerika fliehen und so dem Holocaust entgehen (Demokratische Initiative Brilon 1988, S. 96–98).
Im Obergeschoss kann das Leben der erfolgreichen Familie Unkraut-Hövener in deren Wohnräumen nachvollzogen werden. Umgeben von einem erlesenen Mobiliar sowie etlichen Gemälden und Drucken lebte hier die letzte Besitzerin Wilhelmina Hövener.
"Von Bildern umgeben", so lautet übrigens auch der treffende Titel des Buches, das sich – in Auftrag gegeben vom LWL-Freilichtmuseum Detmold – mit dem "Wandbildbestand" der Unternehmerfamilie detailliert auseinandersetzt. Die Edition aus dem Jahr 2010 verzeichnet nicht weniger als 344 Abbildungen von Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und anderen Materialien. Die Inhalte reichen dabei von Portraits von Familienmitgliedern über religiöse Abbildungen bis hin zu Darstellungen der montanen Industriewelt in der Region.
Einen besonderen Höhepunkt erwartet die Besucherinnen und Besucher von Haus Hövener im Kellergewölbe: Hier steht ein komplett rekonstruiertes Skelett eines jungen Iguanodon-Dinosauriers (Abb. 3). Iguanodonten lebten in der Kreidezeit (vor ca. 136–65 Mio. Jahren) und waren reine Pflanzenfresser. Sie wurden bis zu elf Meter lang. Mit einem Gewicht von mehr als vier Tonnen war ein Iguanodon etwa so schwer wie ein ausgewachsener Elefantenbulle. Die Knochen dieses und weiterer Tiere wurden 1978 in einem ehemaligen Steinbruch in Brilon-Nehden entdeckt. Neben einer Vielzahl an Informationen zu den gefundenen Fossilien bekommen die Besucher in diesem Bereich des Museums auch einen grundlegenden Eindruck von den erd- und entstehungsgeschichtlichen Zusammenhängen in der Region um Brilon.
Museumsgarten und Klosterbibliothek
Bei gutem Wetter lädt der am rückwärtigen Teil des Hauses angelegte Museumsgarten zum Verweilen ein. Der Eintritt in die Gartenanlage mit ihren z.T. jahrhundertealten Rosenstöcken ist auch ohne Museumsbesuch möglich.
Von Bedeutung ist nicht zuletzt die literarische "Schatzkammer" des Museums: Seit dem Jahr 2015 ist die historische Bibliothek des Minoritenklosters und des Gymnasiums Petrinum im Haus Hövener beheimatet (Abb. 4). Sie umfasst rd. 3.500 Bücher, die bis zum Beginn des 15. Jh.s zurückreichen.
Dank der weitsichtigen Überlegungen der Stifterin Wilhelmina Hövener hat sich Haus Hövener seit der Eröffnung 2011 zu einem Kleinod in der westfälischen Museumslandschaft entwickelt. Aufgrund der thematischen Spannbreite der angebotenen Ausstellungen ist das Museum auch aus touristischer Perspektive ein besonderer Anziehungspunkt im Sauerland.
Weiterführende Literatur/Quellen
- Demokratische Initiative Brilon (Hg.) (1988): Juden in Brilon zur Zeit des Nationalsozialismus. Brilon
- Diekmann, L. (2006): Wilhelmine Hövener stiftete das Juwel am Briloner Marktplatz. In: Sauerland, Heft 4/2006, S. 200–203
- Kussek, S. (2010): Von Bildern umgeben. Wandbilder einer bürgerlichen Familie des 19. Jahrhunderts. Essen
(= Schriften des LWL-Freilichtmuseums Detmold – Westfälisches Landesmuseum für Volkskunde, Band 29) - http://www.haus-hoevener.de
- https://www.lwl-freilichtmuseum-detmold.de
- https://www.westfalen-regional.de/de/bleiwirtschaft
- https://www.westfalen-regional.de/de/olsberger_huette
Erstveröffentlichung 2024