NRW-Kommunalwahl 2009: Alle Parteien sehen sich als ''Gewinner''

01.01.2010 Heinz Heineberg

Abb. 1: Ergebnisse der Kommunalwahlen in NRW seit 1975 – die vier größten Parteien (Quellen: Münstersche Zeitung, 28.9.2004 und www.wdr.de)

Die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am 30.8.2009 hat in den überregionalen Medien weitaus weniger Aufmerksamkeit hervorgerufen als die zeitgleichen Landtagswahlen in den drei Bundesländern Sachsen, Thüringen und Saarland, obwohl im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW einschließlich der 16- bis 17-jährigen Jungwähler allein 14,4 Mio., d. h. rd. 20% aller deutschen Wahlberechtigten, zu den Wahlurnen gerufen wurden; das sind mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie in den drei genannten Bundesländern zusammen. Gegenüber den im Vergleich zu den vorherigen Landtagswahlen 2004 erdrutschartigen Verlusten der CDU in Thüringen (mit einem Minus von fast 12% nur noch 31,2% der Stimmen) und im Saarland (ein Minus von rd. 13% auf nur 34,5%) war der  Rückgang der CDU in NRW um 4,8% auf 38,6% gegenüber der Kommunalwahl von 2004 (s. Beitrag Heineberg) noch vergleichsweise moderat (Abb. 1). Die CDU hat damit die NRW-Kommunalwahl deutlich vor der SPD als zweitstärkster Partei gewonnen, die zwar mit 29,4% (mit einem Minus von 1,7% gegenüber der Kommunalwahl 2004) relativ stabil, jedoch weit hinter ihrer früheren Bedeutung zurück blieb und "das schlechteste Kommunalwahlergebnis in der Landesgeschichte" (Münstersche Zeitung, 1.9.2009) verzeichnete. Allerdings sah sich die SPD am Wahlabend durchaus als "Gewinner", denn sie konnte u. a. in den drei größten Städten in NRW die "OB-Sessel" für sich behaupten: in Köln und Essen Wechsel von der CDU zu SPD-Kandidaten, in Dortmund – der "Herzkammer" der Sozialdemokraten – erneute Wahl eines SPD-Oberbürgermeisters (allerdings wurde diese Wahl nachträglich ungültig erklärt und im Mai 2010 wiederholt).

Abb. 2: Kommunalwahl in NRW 2009: Mehrheiten in den Kreisen und kreisfreien Städten (Quelle: www.election.de)

Von Stimmengewinnen landesweit profitierten nur die kleinen Parteien, was in vielen Kommentaren als (negative) Auswirkung nicht nur der großen Koalition (CDU/CSU mit SPD) auf Bundesebene, sondern auch der relativ geringen Wahlbeteiligung von landesweit nur 52,3% interpretiert wurde (NRW-Kommunalwahl 2004: 54,4%). Bündnis 90/Die Grünen kamen auf 12% der Stimmen (ein Plus von 1,7% gegenüber 2004), die FDP erhielt 9,2% (eine deutliche Steigerung von 2,4% und das beste Kommunalwahlergebnis der Partei in NRW seit 1964); jedoch haben Die Linken lediglich 4,4% erreicht, damit allerdings ihren Stimmenanteil gegenüber 2004 (1,4%) fast verdreifachen können. Im Gegensatz zu den ganz erheblichen Stimmenanteilen bei den Landtagswahlen am 30.8.2009 in Sachsen (20,6%), Thüringen (27,4%) und auch im Saarland (21,3%) spielen Die Linken in NRW, insbesondere auch als Mehrheitsbeschaffer, aufgrund der diesjährigen Kommunalwahl jedoch eine sehr untergeordnete Rolle. Demgegenüber ist der "Aufstieg der freien Wählergruppen, die in erster Linie das Denkzettel-Potenzial auf kommunaler Ebene zu bündeln verstehen" (Westfälische Nachrichten, 31.8.2009), bemerkenswert; der Stimmenanteil der Freien Wählergruppen beträgt 4,9% und ist damit höher als derjenige der Linken. In Oelde (Kreis Warendorf) wurde beispielsweise der Bürgermeister aus der Freien Wählergruppe gewählt. In zahlreichen Gemeinden gelangten zudem parteilose Kandidaten auf den "Bürgermeister-Sessel".

Abb. 3: Kommunalwahl in NRW 2009: Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten und Landräte in den Kreisen (Quelle: Westfälische Nachrichten, 1.9.2009)

Die landesweiten Prozentwerte täuschen leicht darüber hinweg, dass es ganz erhebliche regionale und lokale Unterschiede im Wählerverhalten gibt (Abbn. 2 und 3). So ist der sog. ländliche Raum sehr stark CDU-orientiert. Beispielsweise fielen alle vier Münsterland-Kreise an die CDU, während etwa die Großstädte im Ruhrgebiet vorrangig SPD-dominiert sind. Im Ruhrgebiet stellt die SPD mit Ausnahme von Duisburg und Hamm alle Oberbürgermeister; in Gelsenkirchen erlangte sie bei der Stadtratswahl sogar die absolute Mehrheit. Die Grünen errangen – wie 2004 – relativ hohe Stimmenanteile in Universitätsstädten, wie z. B. in Münster (19,4%), wo sie in einigen Stimmbezirken in der Innenstadt sogar auf Werte zwischen rd. 25% und knapp 30% kamen.

Es hat sich bei der Kommunalwahl NRW gezeigt, dass viele Ergebnisse vom Erfolg oder Misserfolg lokaler Politiker abhängig sind und "politische Großwetterlagen" (Münstersche Zeitung, 1.9.2009) – etwa auf Bundesebene – nur bedingt das Wahlverhalten auf der kommunalen Ebene beeinflussen. Höchst fragwürdig erscheint zudem, "aus der Summe von hunderten kommunalen Entscheidungen eine positive Generalbotschaft auf die bevorstehende Bundestagswahl und die Landtagswahl im Mai 2010 herausdestillieren zu wollen" (ebd.).

Abb. 4 / Kasten 1: Kommunalwahl in NRW 2009: Veränderungen zu 2004 – Ergebnisse für Westfalen-Lippe (Quelle: www.lwl.org) / Reform des Wahlrechts in Nordrhein-Westfalen

Nicht unproblematisch ist der Vergleich der NRW-Kommunalwahl 2009 mit den entsprechenden Ergebnissen von 2004 deshalb, weil für die Wahl von 2009 einige Neuerungen aufgrund der jüngeren Reform des Wahlrechts in NRW galten (Kasten 1), deren Auswirkungen auf die jüngste und die zukünftigen Wahlen allerdings im Einzelnen noch analysiert werden müssen.

Die Stimmenverteilung bei der NRW-Kommunalwahl 2009 für die führenden Parteien unterscheidet sich – wie Abbn. 1 und 4 zeigen – nur wenig von der Westfalen-Lippes, wonach sich die Landschaftsversammlung des LWL (sog. Westfalenparlament) zusammensetzt. Dieser gehören alle 27 westfälischen Kreise und kreisfreien Städte an. Bei der Kommunalwahl 2009 kam die CDU mit 38,7% der Stimmen (was einen Verlust von 5,1% gegenüber 2004 bedeutete) auf 43 Sitze im Westfalenparlament, die SPD (mit 31,4% und einem Minus von 1,4%) auf 35, Bündnis 90/Die Grünen (mit 10,8% und einem Plus von 1,3%) auf 12, die FDP (mit 8,6% und einem Gewinn von 2,3%) auf 9, Die Linken (mit 4,2% und einem Plus von 3,1%) auf 5 und die Freien Wählergruppen (mit 2% und einem Minus von 0,1%) auf 2 Sitze.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2010