Die Hochheide ''Neuer Hagen'' am sauerländischen Rothaarsteig
Blick in die Kinderstube des Gebirgssockels
Der Diabassteinbruch am Südrand der Hochheide eröffnet Einblicke in die Entstehung des Gebirgssockels. Das geologische Schaufenster zeigt, wie Diabaslinsen mit intensiver thermischer Aufbereitung der kontaktierten Tonschiefer in die Eisenerze eingelagert sind.
Vor 300 Mio. Jahren kündigte der untermeerische Vulkanismus die beginnende Gebirgsbildung an, welche die tonig-sandigen Ablagerungen des Devonmeeres zu einem Gebirgsblock auffaltete, der bis vor 50 Mio. Jahren zu einem flachen Rumpfgebirge abgetragen wurde. Lediglich der harte Diabas hat im westlichen Bereich der Hochheide in Form von Klippenzonen der Abtragung widerstanden. Das eiszeitliche Klima der letzten 2 Mio. Jahre mit linienhafter Erosion förderte die Talbildung, die rückschreitend mit kleinen Quellbächen die Hochfläche anschneidet. Die Gesteine sind zu Braunerden und wasserstauenden Pseudogleyen verwittert.
Ein landschaftlicher Dreiklang: Heide – Moor – Wald
Feuchtkühles Hochlandklima
Naturschutz rettet die Hochheide
Historische Landnutzung erhält die Hochheide
Montanweiler erschließen den Rothaarkamm
Der Ortsname "Nova indagine" (Niggenhagen, Abb. 2) findet sich lediglich im Jahre 1320. Auf späteren Karten von 1577 und 1670 wird der Flurbereich "Neu Hage" bereits als waldarme Offenlandschaft dargestellt. Auch die Nutzflächenübersichten des Urkatasters von 1831 vermitteln die Raumnutzung einer Heidelandschaft und eines als Viehhude genutzten Feuchtgebietes mit Laubwaldrelikten. Der Flurname "Neuer Hagen" beruht auf der Aussonderung durch einen älteren Markenverband, an dem der Freiherr von Fürstenberg-Gaugreben in Bruchhausen sowie die Gemeinden Grönebach, Hildfeld und Niedersfeld beteiligt waren. Die Siedlung mit zwei oder drei Wohnpodien und heute verstürzten Trockenmauern lag windgeschützt am Nordrand der Heide in der Quellmulde des Haselbachs (740 m). Keramikfunde belegen die Entstehung zu Beginn des 12. Jh.s. Das Kleinrelief in Form von flachen höhenlinienparallelen Ackerterrassen und Lesesteinhaufen in der Heidefläche und im Wald nahe den Hausplätzen überliefert die zeitweilige Nutzung als Ackerland. Meilerplätze und das Hüttenregister Wiemeringhausen von 1558 - 1561, in dem die Entlohnung von vier Köhlern auf dem Niggenhagen mit Roggen und Speck verzeichnet ist, vermitteln das gewerbliche Nutzungsspektrum.
Fortschrittliche Metallurgie in 700 m Höhe
Ursachen des Wüstfallens
Das Ende des Kleinweilers "Niggenhagen" liegt im Dunkeln. Ursachen können in einer Energiekrise durch Übernutzung des Waldes oder Erschöpfung der Erzlagerstätte liegen. 1562 ist der Bau einer Eisenhütte etwa zwei km östlich unter dem "Alten Hagen" im Ittertal mit der Auflage verbunden, den Schmelzofen nur mit Holzkohle aus den Wäldern außerhalb der Grafschaft Waldeck zu versorgen. Denkbar wäre auch die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung des Höhenweilers durch die Klimaverschlechterung im 14. Jh. oder Zerstörung infolge territorialer Fehden wegen des unklaren Grenzverlaufs im 16. Jh.
Die agrare Folgenutzung der Flurwüstungen durch die Nachbardörfer sicherte über 600 Jahre den Erhalt der Hochheide. Die aktuellen Nutzungsimpulse kommen aus dem Artenschutz und dem Tourismus. Die Verflechtung gewerblicher und agrarer Motive ist typisch für die mittelalterliche Besiedlung des Rothaarkamms. Als Wildländer extensiv genutzte Hochheiden waren noch im 19. Jh. auf den Höhenrücken des Sauerlandes weit verbreitet. Die wenigen von Aufforstung verschonten Reliktheiden am "Kahlen Asten" bei Winterberg und am "Ettelsberg" bei Willingen eröffnen die Möglichkeit, in einem lebendigen Landschaftsmuseum die ökologischen Folgen menschlicher Eingriffe und den Kulturlandschaftswandel anschaulich zu verdeutlichen.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Bergmann, R. (1995): Relikte mittelalterlicher Siedlungen und Ackerfluren in Westfalen. In: Trier, B. (Hg.): Zwischen Pflug und Fessel. Münster, S. 42 | |
• | Budde, H. und W. Brockhaus (1954): Die Vegetation des Südwestfälischen Berglandes. In: Decheniana, Heft 102. Bonn | |
• | Jockenhövel, A. (2000): Eisenverhüttung im Märkischen Sauerland. In: Archäologie in Deutschland, Heft 03/2000. Stuttgart, S. 28 f. | |
• | Köhne, R. (1986): Zur Entstehung der Hochheiden im Südergebirge. In: Geographische Kommission für Westfalen (Hg.): Westfälische Geographische Studien, Band 42. Münster, S. 239 f. | |
• | Schäfer, K. (1977): Geschichte der Eisenindustrie in der ehemaligen Grafschaft Waldeck im 16. und 17. Jahrhundert. Korbach | |
• | Verein für Natur- und Vogelschutz im Hochsauerlandkreis (Hg.) (1998): Tier- und Pflanzenwelt im Hochsauerlandkreis. Arnsberg |
Erstveröffentlichung 2009