Gravierende Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bedeutung und Verbreitung in Westfalen

11.08.2023 Peter Wittkampf

Inhalt

Schwere Herz- und Kreislauf-Erkrankungen sind auch in Westfalen die häufigste Todesursache. Was unter diesen Erkrankungen zu verstehen ist, wird durch ein Dossier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) folgendermaßen erklärt: "Unter dem Begriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße zusammengefasst. [...] Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind für über ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich und die Sterblichkeit an diesen Erkrankungen ist höher als an Krebs. [...] Auch wenn das Spektrum der Herzerkrankungen breit ist, so sind es einige wenige Erkrankungen, die den größten Anteil daran ausmachen. Aufgrund ihrer besonders weiten Verbreitung sieht das Robert-Koch-Institut vor allem die koronare Herzkrankheit, den Herzinfarkt und den Schlaganfall als besonders bedeutsam für das Gesundheitswesen an. Eine koronare Herzkrankheit bezeichnet eine Verengung der Herzkranzgefäße, die der Durchblutung des Herzmuskels dienen. Eine Durchblutungsstörung des Herzens ist die Folge. Gefäßveränderungen führen bei einigen Menschen dazu, dass sich Blutgefäße verschließen. Passiert das am Herzen, erleiden die Betreffenden einen Herzinfarkt. Ein Gefäßverschluss am Gehirn führt zu einem Schlaganfall. Manche dieser Erkrankungen stehen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Diabetes in enger Verbindung und entwickeln sich im Laufe von Jahren, auch beeinflusst durch einen ungesunden Lebensstil" (BMBF o.J.).
 

Abb. 1: Bevölkerungsanteile mit Koronarer Herzkrankheit (in %) sowie Herzinfarkt-Fälle pro 100.000 Einwohner im Jahr 2021 (Quellen: WIdO 2022, S. 59ff.; WIdO 2023)

Koronare Herzkrankheiten und Herzinfarkt

Speziell zu den Koronaren Herzkrankheiten (KHK) veröffentlichte die AOK am 20.09.2022 einen "Gesundheitsatlas". Die entsprechende Pressemitteilung lautete: "Große regionale Unterschiede bei Herzerkrankung KHK in Westfalen-Lippe" (AOK 2022).

Die Bevölkerungsanteile mit KHK in Westfalen im Jahr 2021 sind Abbildung 1 zu entnehmen. Die höchsten Anteile wiesen Gelsenkirchen und Herne (je 12,7%), Hamm (10,7%) sowie Hagen und der Kreis Recklinghausen (je 10,6%) auf. Auch in Bottrop sowie in den Kreisen Unna, Ennepe-Ruhr und Siegen-Wittgenstein lagen die Werte noch über 10%. Den niedrigsten Prozentwert hatte die Stadt Münster (6,0%).

Eine solche positive Alleinstellung gab es für Münster auch in Bezug auf die Herzinfarkt-Fälle pro 100.000 Einwohner (230 Fälle). Mit größerem Abstand folgten die Kreise Coesfeld (280), Paderborn und Minden-Lübbe­cke (je 290) (Abb. 1). Besonders hohe Zahlen gab es hingegen in Hagen (450), im Ennepe-Ruhr-Kreis und Märkischen Kreis (jeweils 430) sowie in Hamm, Bottrop und im Kreis Warendorf (jeweils 410).

Insgesamt schneiden also in Bezug auf KHK- und Herzinfarkt-Fälle im Durchschnitt das Münsterland und Ostwestfalen besser ab als die Ruhrgebietsstädte und die meisten Teilregionen Südwestfalens. Dies korrespondiert in etwa mit den unterschiedlichen Bevölkerungsanteilen besonderer Risikogruppen wie z.B. denen der Raucher und der Menschen mit Adipositas (Tab. 1). Auch Diabetes kommt besonders im Ruhrgebiet häufig vor (WIdO 2022, S. 59ff.).

Tab. 1: Beispiele für hohe und niedrigere Bevölkerungsanteile von KHK-Risikogruppen (Quellen: WIdO 2022, S. 59ff; IT.NRW)

Schlaganfall: Betroffene und Gestorbene

Wenn Menschen durch eine Mangeldurchblutung des Gehirns ("Ischä­mie") oder durch eine im Gehirn auftretende Blutung einen Schlaganfall erleiden, hängen ihr Überleben, aber auch ihre mögliche Genesung – evtl. mit bleibender Behinderung – wesentlich davon ab, wie schnell sie adäquat versorgt und ärztlicherseits behandelt werden. Letzteres erfordert sowohl für die genaue Diagnose als auch für die im konkreten Fall gebotenen ärztlichen Maßnahmen Einrichtungen, die technisch und personell hierfür besonders gerüstet sind. Solche Einrichtungen sind in der Regel entsprechende Klinik-Spezialstationen, sog. Stroke Units.

Im Jahr 2021 starben in Westfalen insgesamt 4.698 Personen durch Schlaganfall. Zehn Jahre zuvor, im Jahr 2011, waren es noch 5.839 Personen. Dieser Rückgang um 19,5% ist sicherlich zu wesentlichen Teilen den Stroke Units zu verdanken, die gerade in den letzten Jahren nicht nur zahlenmäßig zugenommen, sondern auch in Bezug auf die Behandlungsmöglichkeiten große Fortschritte gemacht haben.

Abb. 2: Anteile der unter 75-Jährigen an den durch Schlaganfall Gestorbenen sowie durch Schlaganfall Gestorbene pro 100.000 Einwohner im Jahr 2021 und Anzahl der Stroke-Units (Stand 06/2023) (Quelle: eigene Berechnungen nach IT.NRW)

Die Anzahl der durch Schlaganfall Gestorbenen war und ist in den Kreisen und kreisfreien Städten Westfalens sehr unterschiedlich. Zur besseren Vergleichbarkeit werden wieder die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner zugrunde gelegt. Der entsprechende Durchschnittswert betrug 2021 für Westfalen insgesamt 56,9 Personen. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, gab es starke Abweichungen von diesem Mittelwert "nach unten" vor allem in Münster (43,5), in Bochum (46,5) und im Kreis Paderborn (46,6). Auch die Münsterlandkreise Borken und Steinfurt wiesen relativ niedrige Quoten auf. Deutlich mehr Todesfälle als die "durchschnittlichen" 56,9 pro 100.000 Einwohner gab es dagegen in Herne (73,4) und im Märkischen Kreis (76,7). Knapp unter der Quote von 70 lagen die Kreise Olpe und Herford sowie die Stadt Dortmund.

Diejenigen, die an einem Schlaganfall sterben, sind meist schon in einem fortgeschrittenen Alter, meist sogar über 80 Jahre alt (IT.NRW 2023a). Einer der möglichen Gründe für die unterschiedliche Quote der durch Schlaganfall Gestorbenen könnte also die jeweilige Altersstruktur sein. So waren 2021 beispielsweise im Kreis Herford und im Märkischen Kreis jeweils 22,7% der Bevölkerung 65 Jahre oder älter, im Kreis Paderborn dagegen 19,2%, in Münster 17,7% (IT.NRW 2023b).

Andere mögliche Kausalaspekte könnten wiederum aus den regionalen Unterschieden der Verteilung der Risikogruppen resultieren (Tab. 1). Ein ungesunder Lebensstil ist einer der Risikofaktoren für Schlaganfall und betrifft auch Menschen deutlich unter 80 Jahren. Auffällig ist, dass der Anteil der unter 75-Jährigen an den durch Schlaganfall Gestorbenen in den Städten Hamm, Gelsenkirchen, Bielefeld, Bochum und Dortmund im Jahr 2021 am höchsten war (Abb. 2). Die niedrigsten Quoten wiesen dagegen die Kreise Warendorf und Steinfurt sowie die Stadt Münster auf.

Aber auch die mehr oder weniger schnelle Erreichbarkeit einer Stroke Unit durch Rettungsfahrzeuge könnte eine Rolle spielen. Der Kreis Olpe ist der einzige Kreis in Westfalen ohne eine eigene Stroke Unit. Alle anderen Kreise und kreisfreien Städte haben mindestens eine solche Klinik-Station (Abb. 2). Ihre Erreichbarkeit sollte eigentlich so gut sein, dass die Fahrzeiten dorthin nicht länger als 30 Minuten dauern. Am schwierigsten ist dies innerhalb Westfalens aber wohl im äußersten Südosten des Hochsauerlandkreises zu schaffen (Lackmann/Pütz 2020, S. 37). Von Medebach aus z.B. braucht man – ohne Sondersignale – ca. eine Stunde bis zur Stroke Unit des Hochsauerlandkreises in Arnsberg-Neheim.

Im Juli 2023 haben Gesundheitspolitiker des Bundes und der Länder beschlossen, die "Krankenhauslandschaft" in Deutschland neu zu strukturieren. Ob und evtl. wie sich dies auf die Anzahl und die Standorte der Stroke Units in Westfalen auswirken wird, bleibt abzuwarten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • AOK NordWest (Hg.) (2022): AOK-Gesundheitsatlas: Große regionale Unterschiede bei Herzerkrankung KHK in Westfalen-Lippe. (Pressemitteilung vom 20.09.2022) (https://www.aok.de/pk/cl/fileadmin/user_upload/AOK-NORDWEST/07-Presse/Dokumente/2022/PI-2022-09-20-WL-AOK-Gesundheitsatlas3.pdf)

  • BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.) (o.J.): Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 
    (https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/herz-kreislauf-erkrankungen-6297.php)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2018): Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen mit Angaben zu Körpergewicht und -größe 2005, 2009, 2013 und 2017 – Ergebnisse des Mikrozensus.
    (https://www.it.nrw/sites/default/files/itnrw_presse/305_18.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023a): Durch Schlaganfall Gestorbene in Nordrhein-Westfalen 2021. (https://www.it.nrw/system/files/media/document/file/138_23.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023b): Kommunalprofil für kreisfreie Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.
    (https://www.it.nrw/statistik/produkte-und-service/standardveroeffentlichungen/kommunalprofile)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023c): NRW: Zwei Prozent weniger Todesfälle durch Schlaganfall im Jahr 2021. (Pressemitteilung vom 09.05.2023)
    (https://www.it.nrw/nrw-zwei-prozent-weniger-todesfaelle-durch-schlaganfall-im-jahr-2021-120767)

  • Lackmann, G. und T. Pütz (2020): Erreichbarkeit von Akut-Krankenhäusern für ausgewählte Indikatoren. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 1/2020, S. 30ff. (https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/izr/2020/1/downloads/izr-1-2020-komplett-dl.pdf;jsessionid=39C2DEDDCCF88A7F140EC4CBC7445895.live11294?__blob=publicationFile&v=2)

  • Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe (Hg.) (2022): Risikofaktoren und Vorsorge. Gütersloh (https://www.schlaganfall-hilfe.de/fileadmin/files/SDSH/Medien-_und_Warenkorb/broschuere_risikofaktoren_und_vorsorge.pdf)

  • WIdO Wissenschaftliches Institut der AOK (Hg.) (2022): Gesundheitsatlas Deutschland: Koronare Herzkrankheit. Verbreitung in der Bevölkerung Deutschlands. Ursachen, Folgen und Präventionsmöglichkeiten. Berlin
    (https://www.wido.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Publikationen_Produkte/Buchreihen/Gesundheitsatlas/wido_dat_gesundheitsatlas_khk_10_2022.pdf)

  • WIdO Wissenschaftliches Institut der AOK (Hg.) (2023): Gesundheitsatlas Deutschland – Faktenblatt Herzinfarkt in Deutschland. (Stand: 27.04.2023) (https://www.gesundheitsatlas-deutschland.de/erkrankung/herzinfarkt_akut)

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Erstveröffentlichung 2023

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