Frühblüher in westfälischen Laubwäldern

01.01.2010 Peter Rüther

Kategorie: Naturraum

Schlagworte: Westfalen · Vegetation · Wald · Frühblüher

Inhalt

Ein auffälliges Phänomen in unseren Laubwäldern sind die Frühblüher. So werden die Pflanzen genannt, die im zeitigen Frühjahr vor der Laubentwicklung der Bäume eine wahre Blütenpracht am Waldboden entfalten. Ihre Blütezeit ist allerdings nur kurz, und sobald die Bäume ihr Laub tragen, bilden die meisten Frühblüher Früchte und schließen ihre Entwicklung ab.

Welche besonderen Standortbedingungen brauchen diese Frühblüher und was sind typische Arten, die man bei Frühlingsspaziergängen im Wald vor der eigenen Haustür beobachten kann?

Abb. 1: Scharbockskraut (Foto: P. Rüther)

Frühblüher gibt es nicht überall – Klimatische und standörtliche Voraussetzungen

Weltweit betrachtet sind die klimatischen Voraussetzungen nur in wenigen Gebieten günstig für Frühblüher. Sie können nur dort vorkommen, wo es deutliche Jahreszeiten gibt. Die Jahreszeiten dürfen allerdings nicht durch jährliche Schwankungen der Niederschläge zustande kommen, sondern müssen durch jährliche Temperaturschwankungen geprägt sein. Es muss also eine warme Jahreszeit (Sommer), eine kalte Jahreszeit (Winter) und eine ausreichend lange Übergangsjahreszeit vom Winter zum Sommer geben. In Europa bietet vor allem die kühlgemäßigte (nemorale) Zone günstige klimatische Voraussetzungen für Frühblüher. Von Natur aus vorherrschend sind hier sommergrüne Laubwälder. Die typischen Baumarten (z. B. Buche, Hainbuche, Eiche, Erle, Esche) werfen ihr Laub im Herbst ab und bilden es im Frühjahr neu.

Vor dem Laubaustrieb der Waldbäume erreicht die Lichtintensität im Vorfrühling ihr Jahresmaximum. Die absolute Lichtintensität ist jetzt über den Baumkronen zwar geringer als im Sommer, wegen der fehlenden Belaubung fällt aber viel mehr Licht auf den Waldboden. Auch die Temperaturen sind im zeitigen Frühjahr für das Pflanzenwachstum günstig. Die ersten Sonnenstrahlen erwärmen die lockere Streuauflage am Waldboden rasch.

Den Frühblühern bleibt nicht viel Zeit, um die ersten warmen Vorfrühlingstage bis zur vollständigen Belaubung der Bäume für ihre Entwicklung auszunutzen. Daher müssen die Böden, auf denen Frühblüher vorkommen, vor allem ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt sein. Auf trockenen, nährstoffarmen Standorten kommen keine Frühblüher vor.

Anpassungen im Bau der Pflanzen

Eine Entwicklungszeit von wenigen Wochen ist sehr kurz, wenn alle Pflanzenteile aus Photosyntheseprodukten aufgebaut werden müssen. Neben den klimatischen und standörtlichen Voraussetzungen sind Frühblüher auch auf bestimmte Eigenschaften im Bau der Organe angewiesen. Sie können Reservestoffe nutzen, die sie im Vorjahr aufgebaut und in speziellen unterirdischen Speicherorganen eingelagert haben. Diese Speicherorgane können Knollen, Zwiebeln oder unterirdische Sprosse (Rhizome) sein. In jedem Fall handelt es sich um Abwandlungen der Grundorgane von Pflanzen (Wurzel, Spross oder Blatt). Einige Beispiele aus der heimischen Pflanzenwelt werden im Folgenden vorgestellt.

Scharbockskraut (Ranunculus ficaria)

Das Scharbockskraut (Abb. 1) ist einer unserer häufigsten Frühblüher. Im Frühjahr bildet es dichte, gelb blühende Teppiche aus, im Sommer findet man dort nur noch kahle Stellen, die Blätter sind bereits ab Mai/Juni verwelkt. Das Scharbockskraut gilt als Lehm- und Nährstoffzeiger.

Ein Blick unter die Erde lohnt sich. Mit einem kleinen Taschenmesser kann man ein einzelnes Exemplar mit Wurzeln aus dem Boden lösen und betrachten (natürlich nicht in einem Naturschutzgebiet; ansonsten ist die Art so häufig, dass man keinen Schaden anrichten kann). Man sieht zwei Arten von Wurzeln: verdickte Wurzelknollen und normal ausgebildete Nährwurzeln. Die Wurzelknollen haben ihre ursprünglichen Funktionen (Wasser- und Nährstoffaufnahme, Befestigung im Boden) verloren und dienen ausschließlich der Speicherung von Reservestoffen. Nährstoffe aus den großen Wurzelknollen haben den diesjährigen Trieb aufgebaut und sterben langsam ab. Die kleinen, etwas helleren Wurzelknollen speichern Nährstoffe für das nächste Jahr.

Die feigenartige Form der Wurzelknollen findet man im wissenschaftlichen Namen des Scharbockskrauts wieder: Ficaria leitet sich ab von lateinisch „ficus“ = Feige.

Abb. 2: Das Buschwindröschen bildet dichte Teppiche am Waldboden (Foto: P. Rüther)

Buschwindröschen und Gelbes Windröschen (Anemone nemorosa, A. ranunculoides)

Die Windröschen verdanken ihren Namen der zarten Gestalt – schon beim leisesten Windhauch schwanken sie heftig hin und her. So kann auch der wissenschaftliche Gattungsname gedeutet werden: „anemos“ ist das griechische Wort für Wind.

In den westfälischen Wäldern treten zwei Arten auf. Das wesentlich häufigere Buschwindröschen (Abb.2) kommt mit ganz unterschiedlichen Standortbedingungen gut zurecht, das Gelbe Windröschen braucht etwas Bodenfeuchte und bevorzugt Kalkstandorte. So ist es auf grundfeuchte, tiefgründige Buchen-, Hainbuchen- und Erlenwälder beschränkt.

Bei den Windröschen-Arten übernimmt ein Rhizom die Funktion eines Speicherorgans. Dieser Spross wächst zunächst unterirdisch horizontal, zur Blütezeit im Frühjahr wächst er allerdings in vertikaler Richtung, durchbricht die Erdoberfläche und bildet den Blütentrieb mit den drei Laubblättern. Mit der Blüte ist das Wachstum des Triebes abgeschlossen, er wächst nicht mehr weiter. Aus einer Knospe am Rhizom, die genau an der Stelle sitzt, an der das Rhizom in den vertikalen Wuchs übergegangen ist, treibt ein Seitenspross aus und wächst unterirdisch horizontal weiter.

Abb. 3: Hohler Lerchensporn (Foto: P. Rüther)

Hohler Lerchensporn (Corydalis cava)

Der Hohle Lerchensporn (Abb. 3) tritt in zwei Farbformen auf: Zur Blütezeit findet man immer eine rot blühende und eine weiß blühende Form dicht nebeneinander. Die Einzelblüten haben eine Oberlippe, eine Unterlippe und einen nach hinten weisenden Sporn, der am Ende nach unten gekrümmt ist. Ihre Form erinnert etwas an die Blüten der Lippenblütler oder der Schmetterlingsblütler. Im Sporn wird Nektar produziert, der Bienen und Hummeln anlockt. Andere Insekten mit kürzeren Rüsseln holen sich den Nektar, indem sie den Sporn am Ende aufbeißen.

Das unterirdische Speicherorgan des Hohlen Lerchensporns ist eine Knolle. Diese wird nicht jährlich erneuert – wie z. B. beim Scharbockskraut – sondern wächst von Jahr zu Jahr außen weiter. Die Nährstoffe werden von innen nach außen abgebaut, die Knolle wird dabei langsam ausgehöhlt. Nicht nur der deutsche, sondern auch der wissenschaftliche Pflanzenname bezieht sich auf das hohle Speicherorgan (lateinisch „cavus“ = hohl).

Das Verbreitungszentrum des Hohlen Lerchensporns liegt in Mitteleuropa. Hier kommt er schwerpunktmäßig in Buchenwäldern auf lehmigen und lösshaltigen Böden vor, vor allem im Hügel- und Bergland. Im Tiefland ist er etwas seltener.

Abb. 4: Die ersten Blütenknospen des Bärlauchs treiben erst mehrere Wochen nach den Blättern aus (Foto: P. Rüther)

Bärlauch (Allium ursinum)

Einen Laubwald mit Bärlauch erkennt man im Frühjahr auch mit geschlossenen Augen. Der intensive, knoblauchähnliche Geruch, den vor allem die Blätter verströmen, ist unverwechselbar. Da der Bärlauch häufig ausgedehnte Bestände bildet, erfüllt der Duft von Tausenden Pflanzen die Wälder.

Im Vergleich zu vielen anderen Frühblühern stellt der Bärlauch sehr hohe Anforderungen an die Nährstoffversorgung und Feuchteverhältnisse seiner Wuchsorte. Er kommt in feuchten, schattigen, humusreichen und tiefgründigen Laubwäldern vor. Typische Standorte sind Schluchtwälder, Auenwälder und Waldbäche.

Der Bärlauch hat eine schlanke, etwa 2–4 cm lange Zwiebel. Sie wird aus den fleischig verdickten unteren Blattteilen der beiden Laubblätter gebildet, die aus jeder Zwiebel herauswachsen. Die Blätter sind elliptisch geformt und lang gestielt.

Der Blütenstand besteht aus bis zu 20 gestielten, leuchtend weißen Einzelblüten, die am Ende eines bis 50 cm langen Stängels zusammenstehen. Die Blütezeit erstreckt sich über die Monate April bis Juni. Damit ist der Bärlauch einer unserer letzten Frühblüher im Jahreslauf. Die Bestände sind meistens voll aufgeblüht, wenn die Buchen ihr Laub austreiben.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2010