Das Programm ''Soziale Stadt'' als gesamtstädtischer Entwicklungsimpuls – das Beispiel Stadt Espelkamp

01.01.2010 Olivia Hentschel

Inhalt

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Ein zentrales Anliegen der nationalen Stadtentwicklungspolitik ist die Neugestaltung innerstädtischer Quartiere als Wohnort und Erlebnisraum. Die Stadt Espelkamp, eine Gemeinde mit etwa 25.300 Einwohnern im Nordosten Westfalens (Kreis Minden-Lübbecke), möchte vor diesem Hintergrund vor allem ihre Wohnumfelder, das Stadtimage sowie die Gestaltung der Innenstadt aufwerten und verbessern. Das Städtebauförderungsprogramm "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt" wird als Förderinstrument genutzt, um diese Ziele zu erreichen.
 

Abb. 1: Innenstädtischer modernisierter Mietwohnungsbau in Espelkamp – das Wohnviertel ''Stolper Weg'' (Foto: Aufbaugemeinschaft Espelkamp GmbH 2007)

Die Stadt Espelkamp

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente Espelkamp durch Maßnahmen des Wohnungs- und Siedlungswesens, durch die Ansiedlung von gewerblichen Unternehmen und durch die Förderung sozialer Einrichtungen als neue Heimat für Flüchtlinge und Vertriebene. Aufgrund der gut erhaltenden Infrastruktur wurden diese in den unzerstörten Hallen und Baracken der ehemaligen Heeres-Munitionsanstalt Lübbecke untergebracht. Zur Zeit der Wiederaufbauphase siedelten sich zusätzlich Gastarbeiter aus Griechenland, Italien, dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei in Espelkamp an. In den 1980er und 90er Jahren sind viele Spätaussiedler aus Osteuropa nach Espelkamp gezogen, so dass heute diese Gruppe, neben den türkisch- und kurdischstämmigen Einwohnern sowie den Nachkriegsfamilien, einen Großteil der Bevölkerung darstellt.

Seit 1999 (27.934 Einwohner) ist – im Gegensatz zum bis dahin stetigen Bevölkerungswachstum Espelkamps – eine deutliche Abnahme der Zuzüge zu verzeichnen, und die Fortzüge können nicht mehr kompensiert werden. Neben dem sinkenden natürlichen Bevölkerungswachstum ist heute der starke Trend der Bevölkerungsabnahme zu spüren. Laut Prognosen von IT.NRW sollen im Jahr 2030 nur noch 22.090 Einwohner in Espelkamp leben (-12,7%).

Bedeutend für die Siedlungsentwicklung ist die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Aufbaugemeinschaft Espelkamp GmbH, die im Oktober 1949 vom Land Nordrhein-Westfalen, dem Diakonischen Werk und der Evangelischen Kirche in Westfalen gegründet wurde. Heute besitzt die Aufbaugemeinschaft 85% des Mietwohnungsbaus und prägt mit ihren mehrgeschossigen Mietwohnungen das Stadtbild Espelkamps (Abb. 1). Dem überwiegenden Miet­wohnungsbau in der Innenstadt schließen sich einige Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand an.

Etwa 53% der insgesamt 9.719 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in Espelkamp im verarbeitenden Gewerbe, 47% im Dienstleistungssektor und weniger als ein Prozent in der Landwirtschaft (Stand: 30.09.2009). Zwei der wichtigsten Arbeitgeber in Espelkamp sind die lokal verankerten Familienunternehmen und heutigen Global Player Harting KGaA (Produktion von Steckverbindern für die Energie- und Datenübertragung) und Gauselmann AG (Hersteller für Unterhaltungsspielgeräte und Geldmanagementsysteme), die zusammen etwa 2.200 Arbeitsplätze bieten. Mit einer Arbeitslosenquote von 12,8% liegt Espelkamp über dem Kreisdurchschnitt von 10,2% (Stand: 30.06.2009). Die schon immer erhöhte Arbeitslosenquote war ein Grund für die Initiierung des "Soziale Stadt"-Programms, welches sich seit 2007 in der Umsetzung befindet.

Das Programm

Um gegen soziale und sozialräumliche Disparitäten anzugehen, wurde 1999 das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" ins Leben gerufen, das seit 2004 in §171e II BauGB verankert ist: "Soziale Missstände liegen insbesondere vor, wenn ein Gebiet auf Grund der Zusammensetzung und wirtschaftlichen Situation der darin lebenden und arbeitenden Menschen erheblich benachteiligt ist". Fünf Teilräume der Kernstadt, die mit "Entwicklungspfaden" verbunden sind, wurden als "Soziale Stadt"-Gebiet ausgewiesen (Abb. 2). Als Ergebnis des Diskussionsprozesses zwischen entscheidenden Akteuren der Stadt Espelkamp stand die Einsicht, dass die sich wandelnden sozioökonomischen, demographischen, wohnungswirtschaftlichen und räumlichen Rahmenbedingungen nur durch eine Gesamtstrategie gelöst werden können. Gesucht wurde demzufolge nach einer integrierten Lösung, die insbesondere die sozialen und städtebaulichen Problemlagen der Stadt bewältigen kann. Diese sind beispielsweise der Mangel an attraktiven Grün- und Freiflächen, nachbarschaftliche Integrationsprobleme wie das Fehlen eines Zusammengehörigkeitsgefühls der un­terschiedlichen Bevölkerungsgruppen oder das negative Außen- und Innen­image der Stadt.

Ein besonderes Merkmal des "Soziale Stadt"-Programms in Espelkamp ist das weitläufige und durch Schwerpunkträume geprägte Umsetzungsgebiet. Vor allem die Fokussierung der Projekte im Zentrum der Stadt – der Breslauer Straße als Mittelpunkt des städtischen Lebens – sowie die enge Kooperation zwischen Stadtverwaltung und der Wohnungswirtschaft bieten beste Voraussetzungen, um auch über das Programmgebiet hinaus effektive Wirkungen zu erzielen. Des Weiteren lenken die im integrierten Entwicklungskonzept verankerten Handlungsfelder "Zentrumsgestaltung – Lokale Ökonomie" sowie "Soziales – Kommunikation – Öffentlichkeitsarbeit" das Programm auf eine gesamtstädtische Ebene. Zahlreiche Maßnahmen zur Aufwertung der Innenstadt sollen die Attraktivität der Gesamtstadt steigern. Imagefördernde Projekte des Programms, die Espelkamp wieder zu einem positiven Ansehen verhelfen sollen, erzielen ebenso eine regionale Wirkung.

Abb. 2: Überblick über das ''Soziale Stadt''-Gebiet in Espelkamp (Quelle: verändert nach Stadt Espelkamp 2007, S. 9)

Weitere aktuelle Maßnahmen im Zuge der Stadtentwicklung

Neben der Errichtung eines innerstäd­tischen Einkaufszentrums im Jahr 2007 initiierten verschiedene Espelkamper Akteure außerhalb des Programms "Soziale Stadt" Image- und Aufwertungsmaßnahmen. Die Aufbaugemeinschaft Espelkamp entwickelte aufgrund der hohen Wohnungsleerstände eine neue Marketing- und Portfoliostrategie. Vom ersatzlosen Abriss mehrgeschossiger Wohnanlagen über Neubau von seniorengerechten Wohnungen bis zur bunten Farbgestaltung von Häuserfassaden (Abb. 1) veränderte sich der Wohnungsmarkt in Espelkamp.

Ferner erarbeitet der Stadtmarketingverein Initiative Espelkamp e.V. seit 2008 in Kooperation mit der Stadtverwaltung eine Imagekampagne mit aufwändigen Werbemaßnahmen. Die Stadt soll ein erkennbar positives Profil auferlegt bekommen und dadurch die Standortvorteile Espelkamps vermitteln. Insbesondere durch das neue Corporate Design und den allgegenwärtigen Spruch "Hier geht was!" hat sich die Imagekampagne zu einem positiv angenommenen Dauerthema der Stadt entwickelt.
 

Chancen und Perspektiven des "Soziale Stadt"-Programms als ge­samtstädtischer Entwicklungsimpuls

Durch die obligatorische Bürgerbeteiligung innerhalb der Umsetzung des Städtebauförderungsprogramms soll die Bevölkerung an ihr Quartier gebunden werden. Das positivere Image der aufgewerteten Stadtviertel Espelkamps wirkt sich auf das gesamte Stadtimage aus, was zu einem spürbaren Wandel der Außenwahrnehmung führt. Die unterschiedlichen Handlungsmaßnahmen im Rahmen des Programms "Soziale Stadt" und begleitende Projekte entwickeln eine höhere Akzeptanz, Identifizierung und Bindung der Bürger und Unternehmen an die Stadt. Letztendlich ist das Programm "Soziale Stadt" für die Stadt Espelkamp vor allem eine Chance auf Förderung, ohne die viele Projekte und Maßnahmen nicht durchführbar wären. Besonders das Engagement der Aufbaugemeinschaft Espelkamp GmbH sowie die generell gut funktionierende Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure ist in der Entwicklung der Stadt bemerkenswert und ein Erfolgsfaktor.

Fazit und Ausblick

Das Beispiel der Stadt Espelkamp verdeutlicht, dass das Programm "Soziale Stadt" sehr wohl als gesamtstädtischer Entwicklungsimpuls fungieren kann. Insbesondere durch die Wahl der Handlungsfelder und des Programmgebiets kann solch ein Entwicklungsprozess gesteuert werden. Trotzdem würde es keinen großen Entwicklungsimpuls geben, wenn die Maßnahmen des Programms "Soziale Stadt" nicht durch weitere Projekte flankiert werden würden. Die Synergien des Bund-Länder-Programms mit den auffälligen Modernisierungsmaßnahmen innerhalb der Portfoliostrategie der Aufbaugemeinschaft Espelkamp GmbH, der präsenten Imagekampagne des Stadtmarketingvereins Initiative Espelkamp e. V. und weiterer baulicher Maßnahmen außerhalb des Programms "Soziale Stadt" bewirken eine enorme Entwicklung der gesamten Stadt. Wichtig ist jedoch, diesen langen Entwicklungsprozess nachhaltig zu verstetigen, damit keine Stagnation nach dem Ende der Förderperiode im Jahr 2013 eintritt.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2010