Wohnmigration von Niederländern in die deutsche Grenzregion der EUREGIO

01.01.2007 Simone Thiesing

Inhalt

In den letzten Jahren hat das Interesse der Niederländer am Erwerb von Wohneigentum in Deutschland stark zugenommen. Diese Tendenz gab Anlass für die Erstellung einer mit INTERREG-Mitteln geförderten Studie über die Wohnzuwanderung in der deutschen Grenzregion im Gebiet der EUREGIO. Die vom Büro I&O Research im Jahr 2003 erstellte Untersuchung wurde von der Regio Twente, der Bezirksregierung Münster, dem Kreis Borken, dem Landkreis Grafschaft Bentheim, der Provinz Gelderland und der Provinz Overijssel beauftragt. Im Rahmen einer Folgeuntersuchung wurden die Ergebnisse im Jahr 2005 nochmals überprüft und aktualisiert.

Abb. 1: Wachstumsszenarios der Zuwanderung von Niederländern im deutschen Grenzgebiet (Quelle: I&O Research)

Umfang der Migration und Zukunftsszenarios

Ende 2002 lebten rd. 18500 Bürger niederländischer Staatsangehörigkeit im deutschen Grenzgebiet der Provinzen Overijssel und Gelderland. Grundsätzlich war im Untersuchungsjahr 2003 ein starker Anstieg der Zahl der niederländischen Einwohner seit dem Jahr 2000 in diesem Raum festzustellen. Die wichtigsten Zielorte der Zuwanderer sind Emmerich, Gronau, Kleve, Kranenburg, Emlichheim, Goch und Uelsen. Manche dieser Orte, darunter Kranenburg, Emmerich und Gronau, sahen sich schon seit einigen Jahren mit einem ständigen Ansteigen der niederländischen Zuwanderung konfrontiert. In anderen Orten - Neuenhaus, Ahaus und vor allem Bad Bentheim - hat insbesondere in den letzten Jahren die Zahl der Niederländer stark zugenommen. Die Zuwanderer gehören überwiegend zur höheren Einkommenskategorie und sind häufig berufstätige Paare ohne Kinder.

Im Rahmen der Untersuchung aus dem Jahre 2003 wurden drei Zukunftsszenarios erstellt: ein hohes, ein niedriges und ein mittleres Szenario (Abb. 1). Das hohe Szenario setzt eine jährliche Zunahme der Zuwandereranzahl voraus. Das niedrige Szenario geht von einer Situation aus, in der das Wohnen in den Niederlanden wieder attraktiver wird, da sich die Preise stabilisieren oder sogar sinken und das Angebot größer wird, während die Zuwanderungspolitik in Deutschland restriktiver wird. Das mittlere Szenario kalkuliert die Stabilisierung der Preise in den Niederlanden und eine gewisse schleichende Preissteigerung der Häuserpreise in Deutschland mit ein.
Abb. 2: Zahl der Niederländer in der deutschen Grenzregion 2005-2007, geschätzt (Quelle: I&O Research)
Die Folgeuntersuchung aus dem Jahr 2005 zeigt, dass die Entwicklung der letzten Jahre der des niedrigen Szenarios entspricht. So hat sich die Anzahl der Niederländer bis zum Jahr 2004 weiter auf insgesamt rd. 22000 Personen erhöht (Abb. 2). Für die kommenden Jahre wird ein weiteres Wachstum von rd. 2000 niederländischen Zuwanderern pro Jahr prognostiziert. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Intensität der Zuwanderung im deutschen Grenzraum seit dem Jahr 2003 langsam zurückgeht. Es ist dabei aber zu berücksichtigen, dass große Unterschiede zwischen einzelnen Kommunen bestehen. So hat sich die Zahl der Niederländer z.B. in Bad Bentheim zwischen den Jahren 2000 und 2004 mehr als verdreifacht (Abb. 3).
Abb. 3: Entwicklung der Anzahl der Niederländer in deutschen Kommunen 2000-2004 (Quelle: I&O Research)

Die Umzugsmotive der niederländischen Zuwanderer

Das bedeutendste Umzugsmotiv der nach Deutschland zugewanderten Niederländer besteht im guten ">Preis-Leistungs-Verhältnis für deutsche Immobilien und Grundstücke. Zudem ist auch die Wohnqualität - großräumigere Grundstücke und Häuser sowie eine grünere Wohnumgebung - als Hauptgrund für den Umzug nach Deutschland zu nennen. Somit sind die niederländischen Zuwanderer als "WohnwunschUmzügler" zu bezeichnen, die - im Gegensatz zu den "Wohn-Arbeits-Umzüglern" - wegen einer Wohnung oder eines Hauses, das den persönlichen Wünschen und Möglichkeiten besser entspricht, umsiedeln. Wohnwunsch-Umzüge spielen sich im Allgemeinen innerhalb kurzer Entfernungen ab. In dieser Hinsicht ist die Wohnwunsch-Migration nach Deutschland ein neues Phänomen: Obwohl die Mobilität in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen hat, ist es unüblich, dass Haushalte ihren Hauptwohnsitz nur aus Gründen des Wohngenusses in eine - relativ - weit entfernte Gegend verlegen. Dass Wohnwunsch-Umzügler hier eine größere Entfernung (durchschnittlich zwischen 15 und 20 km) in Kauf nehmen, ist durch die besonderen Pull-Faktoren in Deutschland bedingt. Zudem ist anzumerken, dass sich die meisten Umzügler zunächst in den Niederlanden nach geeigneten Immobilien umgesehen haben, dort jedoch nichts Passendes finden konnten.
Abb. 4: Makler-Werbung (Foto: S. Thiesing)

Integration der Niederländer in Deutschland

Für niederländische Zuwanderer in Deutschland sind Sprache, Kultur und deutsche Regeln kein großes Hemmnis. Dennoch sind vor allem die erst jüngst umgezogenen Zuwanderer noch stark auf die Niederlande orientiert. Die bereits länger in Deutschland lebenden Niederländer sind z.B. häufiger Mitglied deutscher Vereine, und deren Kinder besuchen häufiger deutsche Schulen. Demgegenüber pendeln die Kinder der erst in den letzten Jahren zugewanderten Niederländer häufiger zwischen den Niederlanden und Deutschland, um die Grund- und Sekundarschulen zu besuchen. Auch für andere Infrastruktureinrichtungen, wie z.B. Ärzte, ist dieses Verhalten zu beobachten. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Orientierung auf die Niederlande immer mehr abnimmt, umso länger die Zuwanderer in Deutschland leben.

Die Zuwanderung der Niederländer in das deutsche Grenzgebiet hat bisher keine großen gesellschaftlichen Probleme verursacht. Obwohl die Integration ein langfristiger Prozess ist, weisen die Zahlen aus, dass bei den Niederländern Integrationsbereitschaft vorhanden ist und dass es tatsächlich - nach und nach - zur Integration kommt. Ob die Integration gelingt, hängt u.a. von der Wohnsituation ab. Mittlerweile ist klar, dass Konzentrationen von Neubau-Eigenheimen für Niederländer in kleinen Ortschaften nahe der Grenze die Integration nicht fördern. Allerdings bevorzugen die Immobilienmakler (Abb. 4) und -genossenschaften gerade solche Standorte, wenn sie gezielt niederländische Interessenten werben wollen.

Empfehlungen für die Zukunft

Bislang gibt es für Niederländer, die nach Deutschland ziehen möchten, kaum Hindernisse. Wenn die Zuwanderung nach Deutschland erwartungsgemäß weiter ansteigt, sollte der Zuzug von Niederländern in kleine Orte oder Wohngebiete bewusst gesteuert werden. Es wäre zu empfehlen, beim Verkauf von Neubauwohnungen und -häusern sowie Bauland mit Hilfe von Marktinstrumenten eine gleichmäßige Verteilung unter Niederländern und Deutschen anzustreben, um die Integration zu fördern. Möglich wäre z.B. eine gute Information und Beratung der niederländischen Wohnungssuchenden, die einen Umzug nach Deutschland erwägen. Genauso wichtig wie die Steuerung des Immobilienangebotes ist zudem eine umfassende Information der potenziellen Umzügler.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007