Vorgeschichtliche Werkstoffbasen im Sauerland

01.01.2007 Reinhard Köhne

Inhalt

Abb. 1: Rohstoffquellen der steinzeitlichen Jäger im Sauerland (Entwurf: R. Köhne, Quelle: Geolog. Landesamt NRW)
Abb. 2: Schaber aus Kieselschiefer, Neandertaler, ca. 50000-80000 v. Chr., Meschede-Freienohl (Foto: R. Köhne)

Die Steinwerkzeuge der Jäger und Sammler

Frühe menschliche Aktivitäten in der Steinzeit werden überwiegend durch Steinwerkzeuge belegt. Der bevorzugte Rohstoff ist im südwestfälischen Bergland (Südergebirge) zu 80-90% der örtliche Kieselschiefer. Diese Gesteinsart ist aus kieseligen planktonischen Meeresablagerungen der Unterkarbonzeit entstanden, namentlich in den Schichten des Tournai und Visé. Kieselschiefer quert als schmale Schichtrippe bandförmig das Nieder-, Kern- und Ostsauerland von Südwest nach Nordost und begleitet den Gebirgsrand zur Medebacher Bucht (Abb. 1). Das tiefschwarze bis graugrüne Gestein weist bei hoher Festigkeit eine gute Spalt- und Bearbeitbarkeit aus. Auf Schlag hin entstehen Absplisse mit muscheligem Bruch und scharfen Kanten (Abb. 2). Die infolge der Gebirgsfaltung meist hochgestellten Schichten sind in der Regel durch den Gebirgsdruck plattig geschiefert und bilden in der Landschaft markante Härtlingskuppen. Außerhalb des Gesteinsverbundes sind Kieselschiefergerölle in den Schotterfenstern der eiszeitlichen Flussterrassen der die Kieselschieferschichten querenden Flüsse leicht zu gewinnen.
Abb. 3: Stielspitze aus patiniertem Flint, Rentierjäger, ca. 12000 v. Chr. Meschede-Stresse (Foto: R. Köhne)
Einen geringeren Anteil (10-20%) haben Werkzeuge aus Feuerstein, auch Flint genannt (Abb. 3).

Feuerstein als Knolle aus den Kalkschichten der Kreidezeit kommt im Südergebirge mangels entsprechender Schichten nicht vor.

Er findet sich in den Ablagerungen der Saaleeiszeit als dunkelbraunes Geröll mit weißer Rinde bis zur Haar am Südrand der westfälischen Bucht  und auch in den Endmoränen am Niederrhein. Als baltischer Moränenfeuerstein wurde Flint seit der Mittelsteinzeit von Norden in das Südergebirge über mehr als 100 Kilometer importiert. In geringerem Maße wurden auch Quarz, Hornstein, Karneol und in der Mittelsteinzeit "Maaseier" (Strandgerölle des Tertiärs) verarbeitet.

Zwei Flintklingen im Mescheder Ruhrtal aus Rijckholt-Feuerstein weisen auf Beziehungen zu den etwa 200 Kilometer westwärts liegenden Bergwerken der Jungsteinzeit an der oberen Maas hin. Die feinkörnigen Sandsteine der karbonischen Schichten des Arnsberger Waldes dienten zur Herstellung von Reib- oder Schleifsteinen. Neben dem heimischen "Grünstein" Diabas wurde auch importierter grünlicher Hornblendeschiefer (Amphibolit) in der Jungsteinzeit zu Beilen verarbeitet. Dennoch wurde bei der Rohstoffwahl der dunkle, gut gebankte Kieselschiefer bevorzugt. Der Härtegrad 6-7 qualifizierte ihn zum "Stahl der Steinzeit" im sauerländischen Südergebirge.

Die Jagdplätze der Altsteinzeit zeigen eine deutliche Orientierung an den Talauen der Ruhr mit ihren Nebenflüssen, z.B. der Hönne mit den Karsthöhlen. Kieselschiefer findet sich primär an Steilhangklippen sowie sekundär als Geröll in den Schotterfenstern der Auen und auf den Flussterrassen.

Die durch Jagd- oder Werkplätze definierten Reviere der Mittelsteinzeit lagen bevorzugt in den innergebirgigen Senken und Hochflächen mit ihren struktur- und wildreichen Wäldern (Abb. 1). Die Rohstoffversorgung zur Geräteherstellung gewährleisten bis zu 90% die reviernahen, etwa 30 Kilometer entfernten Kieselschieferschichten sowie der Import von Flint. Der westfälische Raum ist also durch eine nördliche Flint- und eine südliche Kieselschieferzone charakterisiert.
Abb. 4: Hügelgräberbronzezeit und Kupfervorkommen (Entwurf: R. Köhne, Quelle: Ph. R. Hömberg)

Das Sauerland, ein bronzezeitlicher Innovationsraum in Westfalen?

Die kupferzeitlichen Anfänge der Metallverarbeitung noch in der Jungsteinzeit werden bei der Materialbeschaffung überregionalen Handelsbeziehungen zugeschrieben. Die archäologische Forschung konnte die Anfänge des Erzbergbaus in den deutschen Mittelgebirgen bisher nicht nachweisen.

Die Verbreitung der bronzezeitlichen Hügelgräber im Sauerland belegt eine Besiedlung der nördlichen Unter- und der Oberstufe des Südergebirges mit der Lenne und der Diemel als südlicher Grenze. Die Aussparung der Hochstufe durch eine in Einzelhöfen oder Kleinweilern siedelnde bäuerliche Bevölkerung ist aus klimatischen und bodenbedingten Gründen verständlich, nicht aber die "Siedlungsleere" im Südsauerland, die allenfalls mit einer Fundlücke oder - mit Ausnahme der Rhonard bei Olpe - fehlenden Kupfererzen, zu begründen ist.

Die Kartierung von historischem Bergbau im Sauerland ermöglicht eine Erfassung der oberflächennah abbaubaren Kupferlagerstätten. Ihre Verbreitung zeigt einen räumlichen Bezug zu den bronzezeitlichen Siedlungsspuren, namentlich an ihrer Südgrenze entlang der Lenne und im Osten an den bedeutsamsten  Vererzungszonen bei Marsberg südlich der Diemel (Abb. 4). Der wichtige Rohstoff Kupfer wäre somit der bronzezeitlichen  Bevölkerung zugänglich gewesen. Der Nachweis eines bronzezeitlichen Bergbaus ist allerdings insofern schwierig, als der mittelalterliche Abbau in der Regel die potenziellen urgeschichtlichen Vorstufen zerstört oder überdeckt hat. Es wird weiterer interdisziplinärer Forschungsarbeit bedürfen, das gesamte Spektrum der montanwirtschaftlichen Aktivitäten in der Bronzezeit aufzuzeigen.

Die "neolithische (jungsteinzeitliche) Revolution" brachte nicht nur Ackerbau und Viehzucht nach Westfalen, sondern auch die Anfänge der Metallverarbeitung. Die Rohstoffbasis für diesen Innovationsprozess könnte im Sauerland gelegen haben, da Kupfervorkommen in der Westfälischen Bucht fehlen. Es wird der Zusammenarbeit von Archäologie und Archäometallurgie vorbehalten bleiben, den Beitrag von Kupferbergbau und -verhüttung zum Beginn der Metallwirtschaft in Westfalen aufzuhellen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007