Der Walnussbaum erobert Westfalen

01.01.2010 Ingo Hetzel

Kategorie: Naturraum

Schlagworte: Westfalen · Vegetation · Neophyt · Walnussbaum

weiterer Autor: Götz Heinrich Loos

Inhalt

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Unter den aufgrund menschlicher Tätigkeit in Westfalen auftretenden Pflanzen fällt in den letzten Jahren der Walnussbaum (Juglans regia) immer mehr auf. Zahlreiche verwilderte Vorkommen sind hier, wie auch in ganz Nordwestdeutschland, zu beobachten. Bemerkenswert erscheinen diese Beobachtungen schon deshalb, weil der Walnussbaum bereits seit der Römerzeit im Gebiet als Nutzpflanze kultiviert wird, selbstständige Ausbreitungstendenzen zuvor jedoch nicht beobachtet werden konnten. Fast genau 2.000 Jahre nach der berühmten Niederlage römischer Legionen unter Führung von Quinctilius Varus gegen ein germanisches Heer unter Arminius im Osnabrücker Land (9 n. Chr., s. Beitrag Brepohl/Temlitz) scheint einem Relikt der römischen Besatzung nun doch die "Eroberung" Westfalens zu gelingen.

Abb. 1: Junger Walnussbaum (Juglans regia) in der Strauchschicht eines Parkwaldes in Bochum (Foto: I. Hetzel)

Der Walnussbaum

Der Echte oder Gewöhnliche Walnussbaum (Juglans regia; volkstümlich meist "Wallnuss") gehört zur Familie der Walnussgewächse (Juglandaceae). Der deutsche Name leitet sich wahrscheinlich von "gallische Nuss" (lat. nux gallica) ab, wurde als "Welsche Nuss" übersetzt und spielt vermutlich auf die Einführung aus dem römischen Reich bzw. aus Italien an. Der Baum, der auch als Jungpflanze gut an seinen relativ großen, gefiederten Blättern erkennbar ist (Abb. 1), stellt mittlere Ansprüche an Bodenfrische und benötigt eine mittlere bis gute Nährstoffversorgung. Hinsichtlich des Standortfaktors Klima wird eine allgemeine Empfindlichkeit gegenüber Spätfrösten hervorgehoben (Pretsch 2006).

Die Ausbreitung der Früchte – entgegen den Angaben in den meisten Lehrbüchern handelt es sich nicht um Stein-, sondern um echte Nussfrüchte (Markowski 2007; Abb. 2) – erfolgt vor allem durch Eichhörnchen, gelegentlich auch durch Bilche (Haselmäuse), Mäuse und Vögel (insbesondere Spechte und Rabenvögel). Dabei werden die Nüsse meist zum Verzehr an einen sicheren Ort gebracht oder zu Vorratszwecken versteckt, dann aber vergessen. Herabgefallene, nicht verschleppte Nüsse keimen jedoch ganz offensichtlich als "Plumpsfrüchte" auch in der Nähe des Mutterbaumes, wenn sie z. B. unter einer schützenden Laubdecke zum Liegen kommen.

Abb. 2: Nussfrüchte des Walnussbaums am Baum in der sie umgebenden grünen Hülle (Foto: A. Jagel)

Ursprüngliche und aktuelle Verbreitung

Als ursprüngliches Verbreitungsgebiet des Walnussbaumes wird West- und Mittelasien angenommen (Aas 2008). Da sich die Art vor allem seit der Römerzeit in Süd-, West- und Mitteleuropa als Nussfrucht großer Beliebtheit erfreute und daher vielfach angepflanzt wurde, ist die Frage nach dem ursprünglichen Areal nicht abschließend zu beantworten. Steinzeitliche Pollenfunde (Isenberg 1986) und Schalenreste (Bertsch u. Bertsch 1947) sprechen zwar dafür, dass der Walnussbaum bereits in vorrömischer Zeit in Deutschland aufgetreten sein muss, eine deutliche Häufung in der römischen Kaiserzeit belegt jedoch, dass der Baum vor allem durch die Römer (um Chr. Geburt) in Deutschland kultiviert worden ist (Voggesberger 1992). Wann er nach Westfalen gelangte, bleibt allerdings ungewiss. Pflanzenrest-Untersuchungen beispielsweise aus dem römischen Militärlager in Bergkamen-Ober­aden belegen, dass dort zwar Haselnüsse, aber offenbar keine Walnüsse (weder importiert noch angebaut) verwertet wurden (Kučan 1992).

Ausbreitung in Westfalen

In wärmebegünstigten Gegenden mit mildem Weinbauklima im Südwesten (z. B. Oberrhein, Bodensee) sowie am Mittelrhein und in der Kölner Bucht befinden sich die Hauptvorkommen von spontanen Ausbreitungen oder Einbürgerungen des Walnussbaums in Deutschland. Hier gilt die Art als Ar­chäo­phyt, bei der die Einbürgerung so lange zurückliegt, dass sie nicht mehr als fremd empfunden wird (Voggesberger 1992).
Abb. 3: Verbreitung des Walnussbaums (Juglans regia) im westfälischen Teil des Ruhrgebiets auf Basis von Messtischblattquadranten bis 1997 und danach; im nordwestlichen und südöstlichen Teil fehlen noch entsprechende Kartierungen (Quellen: Haeupler, Hetzel, Loos)

In Westfalen zeigt der Walnussbaum dagegen erst in den letzten Jahren eine deutliche Ausbreitungstendenz, so dass er hier derzeit als noch nicht dauerhaft eingebürgert angesehen werden muss. In historischen und aktuellen Literaturhinweisen für Westfalen sind keine Beobachtungen über das vermehrte Wildwachstum des Walnussbaums zu finden. Die Art wird entweder als lediglich angepflanzt angegeben (Beckhaus 1893), findet gar keine Erwähnung (Runge 1990) oder es werden nur vereinzelte Verwilderungen beschrieben (Haeupler et al. 2003). Da zumindest die gepflanzten Exemplare, von denen die Verwilderungen ausgegangen sind, jüngeren Datums sein dürften, sind die entsprechenden Wildvorkommen als neophytisches Auftreten zu betrachten.

Mittlerweile konnte festgestellt werden, dass wild wachsende junge Walnussbäume in Westfalen wie auch in anderen nordwestdeutschen Landesteilen wesentlich häufiger auftreten, als es bisher bekannt ist. Betrachtet man die Verbreitung des Walnussbaums im westfälischen Teil des Ruhrgebietes bis zum Jahr 1997 und danach, so lässt sich diese deutliche, explosionsartige Zunahme nachvollziehen (Abb. 3). Fehlende Nachweise im Nordwesten und Südosten entsprechen "Kartierungslücken", so dass hier nicht zwangsläufig mit einem fehlenden Auftreten zu rechnen ist. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Baumart im westfälischen Ruhrgebiet heute flächendeckend auftritt.

Untersuchungen im mittleren Ruhrgebiet belegen zudem, dass eine solche "Juglandisierung" (Wortschöpfung von K. Adolphi, Köln) zum Teil in beträchtlicher Anzahl in mehr als 75% aller Wälder zu beobachten ist. Interessant ist hierbei, dass die meisten Individuen erst ab dem Jahr 2007 zur Keimung gekommen und somit im Jahre 2010 nicht älter als vier Jahre sind. Die Verwilderungen konzentrieren sich vor allem auf lichte Waldrandbereiche und die Nachbarschaft von angepflanzten und fruchtenden Walnussbäumen in Gärten (Hetzel 2009).

Hintergrund der ''Juglandisierung''

Als Erklärung für die beschriebene explosionsartige Ausbreitung des Walnussbaums ist zunächst die Annahme naheliegend, dass es durch den Klimawandel zu günstigen Standortbedingungen kommt, die im Südwesten Deutschlands schon seit langem vorherrschen und die sich günstig auf das Wachstum des als "wärmeliebend" beschriebenen Walnussbaums auswirken (vgl. Lo­acker et al. 2007). Auch neuere Rechenmodelle, die das Klima in den nächsten siebzig Jahren prognostizieren, bescheinigen dem Walnussbaum eine "erfolgreiche" Zukunft (Pompe et al. 2009). Neben dieser "Klimawandelhypothese" darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass auch andere Faktoren eine große Rolle spielen können. So können die vermehrte Anpflanzung von Walnussbäumen in Gärten, die Züchtung von frostresistenten Sorten oder die Zunahme der Tiere, durch die die Nüsse verbreitet werden, entscheidend sein. Diese Erklärungsansätze werden zudem durch die offensichtliche Resistenz der Keimlinge und Jungpflanzen gegen überdurchschnittlich kalte Winterperioden unterstützt.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2010