EU-Vogelschutzgebiet "Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge"

01.01.2007 Matthias Olthoff

weitere Autoren: Dietmar Ikemeyer, Niels Ribbrock, Thomas Zimmermann

Abb. 1: Das EU-Vogelschutzgebiet "Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge" (Entwurf: M. Olthoff, Quelle: LÖBF NRW)

Das 5080 ha große EU-Vogelschutzgebiet "Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge" befindet sich im Grenzbereich des Kernmünsterlandes zum Westmünsterland und setzt sich aus mehreren Teilgebieten zusammen. Das Vogelschutzgebiet liegt zu etwa gleich großen Teilen in den Kreisen Borken, Coesfeld und Recklinghausen (Abb. 1). Aus diesem Grund wird es naturschutzfachlich von drei Biologischen Stationen betreut, der Biologischen Station Zwillbrock (Kreis Borken), der Naturförderstation im Kreis Coesfeld und der Biologischen Station Kreis Recklinghausen.

Das Vogelschutzgebiet gilt seit seiner Meldung durch die Bundesrepublik Deutschland an die EU-Kommission im Jahr 2000 als "Besonderes Schutzgebiet" (BSG = Special Protected Area - SPA) und ist Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes NATURA 2000 (vgl. Ssymank et al. 1998).

Tab. 1: Bedeutende Brutvogelarten im Vogelschutzgebiet "Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge"

Im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) sind besonders bedrohte Vogelarten aufgeführt. Alle EU-Mitgliedsstaaten haben sich dazu bereit erklärt, die zur Erhaltung dieser Anhang I-Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete als Vogelschutzgebiete auszuweisen. Die für die Ausweisung des Vogelschutzgebietes "Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge" relevanten Anhang I-Vogelarten sind z.B. Ziegenmelker, Heidelerche, Blaukehlchen und Tafelente (allesamt Brutvögel) (Tab.1). Eine Verpflichtung zur Ausweisung von Schutzgebieten gilt darüber hinaus auch für die nicht im Anhang I aufgeführten europäischen Zugvogelarten, deren Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie Rastplätze in den Wanderungsgebieten berücksichtigt werden müssen (nach Artikel 4 (2) der EU-Vogelschutzrichtlinie). Als bedeutende Brutvorkommen im Vogelschutzgebiet sind beispielsweise Zwergtaucher, Krickente, Wasserralle, Großer Brachvogel, Schwarzkehlchen, Wiesenpieper und Teichrohrsänger zu nennen. Bemerkenswerte, regelmäßig festgestellte Zugvogelarten sind z.B. Fischadler, Kornweihe, Rohrweihe, Rohrdommel, Bergpieper, Raubwürger, Bruchwasserläufer und Grünschenkel. Die in NRW zur Ausweisung von Vogelschutzgebieten angewandten Auswahl- und Abgrenzungskriterien sind in Brocksieper & Woike (1999) und LÖBF (2005) genauer aufgeführt.

Im Folgenden soll am Beispiel des Vogelschutzgebietes die Arbeit der drei Biologischen Stationen kurz vorgestellt werden (mehr zu den Biologischen Stationen s. Beitrag von K.-H. Otto).

Die Biologische Station Zwillbrock betreut die Naturschutzgebiete (NSG) Heubachwiesen I, II und III sowie das Schwarze Venn (Abb. 1). Die Heubachwiesen zählen zu den bedeutendsten Feuchtwiesenschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen.

Abb. 2: Uferschnepfe in den Heubachwiesen (Foto: D. Ikemeyer)

Die Station führt in den Gebieten Untersuchungen zur Fauna und Flora durch. So werden jährlich die Bestände der Wasser- und Wiesenvogelarten untersucht (vgl. Ikemeyer & Krüger 1999). In den Heubachwiesen finden sich landesweit bedeutsame Brutvorkommen von Großem Brachvogel, Uferschnepfe (Abb. 2), Kiebitz, Schwarzkehlchen und Wiesenpieper. An den ausgeschobenen Kleingewässern brüten Wasservogelarten wie Zwergtaucher, Knäk- und Löffelente. Unregelmäßig brüten Bekassine und Wachtelkönig in den Feuchtwiesen.

Die jedes Frühjahr neu gewonnenen Kenntnisse über die genauen Revier- und Neststandorte ermöglichen eine "flächenscharfe Betreuung" der bewirtschaftenden Landwirte.

So können diese eine Feuchtwiese oft schon vor dem im Rahmen des Vertragsnaturschutzes vereinbarten Mahdtermin (15. Juni.) schneiden, solange keine Brutvögel hiervon betroffen sind. Deutlich seltener kommt es allerdings auch vor, dass auf Grund einer späten Brut die Mahd bis in den Juli hinausgeschoben werden muss.

Die von der Biologischen Station Zwillbrock durchgeführten Untersuchungsprogramme begleiten die Entwicklung der Gebiete und kontrollieren die Effizienz der durchgeführten Naturschutzmaßnahmen, wie z.B. die Anlage von Kleingewässern oder die Heckenpflege.

Die Naturförderstation im Kreis Coesfeld ist verantwortlich für die naturschutzfachliche Betreuung der Naturschutzgebiete Wildpferdebahn und Truppenübungsplatz Borkenberge (inkl. der Naturschutzgebiete Hochmoor Borkenberge, Gagelbruch und Wacholderhain).

Die Wildpferdebahn befindet sich im Eigentum des Herzogs von Croy und ist Lebensraum der Dülmener Wildpferde, europaweit dem letzten Gestüt mit frei lebenden Wildpferden (s. Beitrag Scholz). Als bemerkenswerter Brutvogel ist neben dem Schwarzspecht der Kolkrabe zu nennen, welcher hier - seit vielen Jahrzehnten erstmalig wieder im Kernmünsterland - seine Jungen groß zieht.

Auf Grund der relativ intensiven Beweidung durch die Wildpferde befinden sich im Gebiet nur noch kleine Restbestände wertvoller Magerwiesen. Für diese Lebensräume wird in Zusammenarbeit mit dem Eigentümer nach Möglichkeiten einer extensiveren Beweidung gesucht. So wurde beispielsweise im Fall einer Magerwiese mit einem landesweit bedeutenden Bestand von Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe) ein optimales Bewirtschaftungskonzept (Einzäunung der Fläche, stundenweise Beweidung in den Wintermonaten) gefunden.

Abb. 3: Sandmagerrasen und Heiden auf dem Truppenübungsplatz Borkenberge - Lebensraum gefährdeter Offenlandvogelarten wie Ziegenmelker und Heidelerche (Foto: M. Olthoff)

Die Gebiete Borkenberge (Abb. 3), Hochmoor Borkenberge, Gagelbruch und Wacholderhain sind in militärischer Nutzung, so dass deren naturschutzfachliche Betreuung in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesforst und der britischen Standortverwaltung erfolgt. Der gesamte Gebietskomplex stellt zusammen mit dem Lavesumer Bruch eines der bedeutendsten Magerrasen- und Moorgebiete in NRW dar und beherbergt große Brutbestände gefährdeter Offenlandvogelarten wie Ziegenmelker, Heidelerche, Schwarzkehlchen und Wiesenpieper. Die lichten Kiefernwälder sind Lebensraum eines der individuenstärksten Vorkommen des Gartenrotschwanzes in NRW. Die Schilf- und Gagelbestände im NSG Gagelbruch bieten Krickente, Wasserralle, Teichrohrsänger und Blaukehlchen einen Lebensraum.

Die Biologische Station Kreis Recklinghausen betreut das Naturschutzgebiet Teiche in der Heubachniederung, Teile des Lavesumer Bruchs und den Sythener Brook als überleitenden Korridor zu den Borkenbergen.

Die Teiche in der Heubachniederung sind eine größtenteils aus der Nutzung genommene Karpfenzuchtanlage des Herzogs von Croy, die durch eine große Vielzahl an seltenen Lebensräumen, Pflanzen- und Tierarten ebenfalls von landesweiter Bedeutung sind. Die Biologische Station Kreis Recklinghausen begleitet die zwischen dem Land und der Herzog von Croy’schen Verwaltung vereinbarten Bewirtschaftungsverträge unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten. Bemerkenswert sind die hohen Brutbestände von Tafelente, Zwergtaucher, Wasserralle, Teichrohrsänger und Rohrammer im Naturschutzgebiet, die von dem geregelten Wasserregime der Teichanlage profitieren.

Der Lavesumer Bruch ist charakterisiert durch Moorbereiche, ausgedehnte Feucht- und Trockenheiden, großflächige Pfeifengrasbestände, Birkenmoorwälder, eingestreute nährstoffarme Stillgewässer sowie naturnahe Teiche mit ausgedehnten Verlandungszonen. Im Gebiet finden sich bedeutende Brutvorkommen des Ziegenmelkers, der Heidelerche und des Neuntöters. Als weitere Besonderheiten beherbergt das Gebiet Brutvorkommen von Blaukehlchen und Krickente. Die Biologische Station Kreis Recklinghausen arbeitet ebenfalls mit dem Bundesforst und der britischen Standortverwaltung zusammen.

Abschließend ist festzuhalten, dass zwischen den drei Stationen ein intensiver fachlicher Austausch in diesem kreisübergreifenden EU-Vogelschutzgebiet statt findet. Denn die Schutzbedürftigkeit gefährdeter Tier- und Pflanzenarten ändert sich nicht an kommunalen Grenzen.

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: 1,7 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007