Tourismus in Münster zwischen Kultur und Kommerz

01.01.2010 Christian Krajewski

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Münster · Tourismus · Einzelhandel

Inhalt

Gemessen an den Übernachtungszahlen liegt Münster, mit 280.000 Einwohnern elftgrößte Stadt in Nordrhein-Westfalen, im Städtetourismus-Ranking in NRW nach Köln, Düsseldorf und Bonn an vierter Stelle. Die touristische Vermarktung Münsters konzentrierte sich früher vor allem auf traditionelle Images wie den Kiepenkerl, die historische Altstadt und den Prinzipalmarkt mit seinen charakteristischen giebelständigen Häuserfronten, die zahlreichen Kirchen sowie den Radtourismus, der zugleich als Bindeglied zum Münsterland fungierte. Seit der Implementierung des "Integrierten Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingprozesses (ISM)" im Jahr 2001 erfolgt jedoch eine stärker wettbewerbsorientierte Fokussierung auf ein modernisiertes spezifisches Münster-Profil. Im Mittelpunkt dieser Profilierung stehen zwei Themenfelder, die zu dem Leitbild "Münster als Stadt der Wissenschaft und Lebensart" zusammengeführt wurden (s. Beitrag Hauff/Spinnen).

Abb. 1: Prinzipalmarkt mit der Skulptur von Marko Lehanka "Blume für Münster" 2007 (Foto: A. Mensing/sp07)

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Hauptsegmente der touristischen Nachfrage sind der Übernachtungs- sowie der Tagestourismus. Bereits seit Beginn der 1990er Jahre liegt das Niveau der in gewerblichen Betrieben (ab neun Betten) registrierten Übernachtungen in Münster bei etwa einer Mio. jährlich. Allerdings ist die Zahl der Ankünfte von 300.000 (1990) auf bald 500.000 (2005) gestiegen, womit die Aufenthaltsdauer von 3,3 Tagen (1990) auf heute nur noch 2,3 Tage gesunken ist. 40% der Übernachtungen entfallen jedoch gar nicht auf Hotels, Pensionen o. ä., sondern auf Weiterbildungseinrichtungen und Schulungsheime. Diese haben damit eine im Vergleich zu anderen Städten außergewöhnlich hohe Bedeutung. "Es handelt sich also dem Image der Stadt entsprechend um Bildungsreisende" (Spinnen 2004, S. 333). Die Anzahl der Beherbergungsbetriebe ist seit 1990 von 77 auf 82 gestiegen (Stand: 2005, davon 64 Hotels und 18 Schulungsheime o. ä.). Im gleichen Zeitraum hat sich die verfügbare Bettenzahl um 22% auf fast 7.200 erhöht.

Dass Münster trotz recht stabiler Übernachtungszahlen sehr wohl vom boomenden Städtetourismus profitiert, zeigt ein Zeitvergleich: So stellt sich die Entwicklung der Übernachtungszahlen in Münster seit dem Jahr 2000 deutlich positiver dar als beispielsweise jene im Münsterland, in NRW oder in Gesamtdeutschland. Zwischen 2000 und 2006 sind die Übernachtungszahlen in Münster um mehr als 4% gestiegen. Die Skulptur Projekte 2007 (Abb. 1) haben noch einmal zu einem deutlichen Wachstum der Übernachtungen im Sommer 2007 beigetragen - insbesondere von ausländischen Gästen. Deren Anteil an den Übernachtungen liegt üblicherweise bei rund 10%, wobei Niederländer (18%-Anteil) und Briten (15%-Anteil) jährlich die stärksten Gruppen unter den ausländischen Besuchern stellen.

Abb. 2: Besuchmotive der Tagestouristen in Münster (Quelle: DWIF 2006)

Mit rund 60% besteht die Mehrheit der gewerblichen Übernachtungsgäste - der oberzentralen Verwaltungs-, Bildungs- und Kulturfunktion entsprechend - aus Geschäftsreisenden einschließlich Tagungs- und Kongressteilnehmer. Mit rund 2,3 Mio. Übernachtungen entfällt jedoch der größte Teil des Übernachtungsvolumens nicht auf Beherbergungsbetriebe, sondern auf Übernachtungen in Privathaushalten im Rahmen des privaten Besucherverkehrs. Nach Erhebungen des DWIF (Deutsches wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr 2006) verzeichnet jeder private Haushalt rund 16 Übernachtungen von Verwandten- und Bekanntenbesuchern pro Jahr. Der deutschlandweit vergleichsweise hohe Anteil sog. "Couchtouristen" steht in engem Zusammenhang mit dem Status als Wissenschafts- und Universitätsstadt, in der ca. 48.000 Studierende an sieben Hochschulen registriert sind. Insbesondere Freunde und Verwandte der in Münster Studierenden gelten als noch nicht ausreichend fokussierte touristische Zielgruppe (vgl. Bischoff 2007).

Unter quantitativen Gesichtspunkten ist der Tagestourismus mit einem Besucheranteil von rund 85% weitaus bedeutender als der Übernachtungstourismus: Nach Erhebungen des DWIF (2006) besuchen jährlich ca. 19 Mio. Tagesgäste mit unterschiedlichen Motiven die Westfalenmetropole (Abb.2). Die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Tourismus lässt sich an der touristischen Nachfrage als Summe gewerblicher und privater Übernachtungen sowie aller Tagesgäste festmachen. Dabei ist in Münster von insgesamt 22,3 Mio. touristischen Aufenthaltstagen pro Jahr auszugehen (DWIF 2006). Das heißt, dass sich in der Stadt mit 280.000 gemeldeten Einwohnern im Durchschnitt täglich mehr als 60.000 Touristen aufhalten.

Abb. 3: Vom Münster-Tourismus profitierende Wirtschaftszweige (Quelle: DWIF 2006)

Die ökonomische Bedeutung des Städtetourismus für Münster lässt sich eindrucksvoll am touristischen Umsatzvolumen ablesen: Nach der Studie des DWIF (2006) kommt durch die touristische Nachfrage (Pro-Kopf-Ausgabe ca. 38 Euro täglich) ein Bruttoumsatzvolumen von 850 Mio. Euro zustande. Für das Jahr 2007 mit der Skulpturen-Ausstellung ist von einer Steigerung um 5% auszugehen. Da der Fremdenverkehr eine Querschnittsbranche darstellt, profitieren die verschiedensten Wirtschaftsbereiche von den Besucherausgaben (Abb. 3). Der touristische Beitrag zum städtischen Steueraufkommen beträgt fast 19 Mio. Euro. Umgerechnet schafft der Tourismus in Münster rund 17.500 Arbeitsplätze; der Anteil des Fremdenverkehrs am städtischen Einkommen beträgt rund 6,5% (DWIF 2006 und Stadt Münster 2007a). Der wirtschaftliche Stellenwert des Tourismus liegt damit deutlich über Vergleichswerten anderer Großstädte.

Shopping-Destination Münster

Neben Kultur, Dienstleistungen, Wissenschaft und Bildung zählt der Einzelhandel zu den dominierenden Funktionen der Oberzentralität Münsters. "In der Mischung dieser Nutzungen auch in Kombination mit Gastronomie und Freizeitangeboten sowie städtebaulichen und historischen Alleinstellungsmerkmalen trägt der Einzelhandel ganz maßgeblich zur Attraktivität, zum Profil und zum Image von Münster als oberzentraler (Einkaufs-)Stadt in der Region bei" (Stadt Münster 2004). Mit einem Gesamtumsatz von rd. 1,9 Mrd. Euro ist der Einzelhandel in Münster insgesamt ein herausragender Wirtschaftsfaktor, wobei ein Drittel des Umsatzes in der Innenstadt erwirtschaftet wird. Die hohe Zentralitätskennziffer (131,5) als Maß für die Attraktivität eines Einkaufsortes zeigt, dass 30% des Umsatzes durch Kaufkraftzuflüsse aus dem engeren und weiteren Umland erfolgen, was Münsters Bedeutung als Shopping-Destination unterstreicht. Aktivitäten von Citymanagement und -marketing haben ebenso wie eine aktive Ansiedlungspolitik nach Jahren geringer Progression zu einer Stärkung des touristisch bedeutenden Einzelhandelsstandortes Innenstadt geführt. Verschiedene große Neubauprojekte wurden oder werden in der Innenstadt realisiert: Als herausragendstes Großprojekt eröffnete 2006 am vormaligen Standort der Stadtsparkasse in 1a-Lage das cityintegrierte Shopping-Center Münster-Arkaden - bestehend aus einem Mix von 40 inhabergeführten Geschäften und internationalen Filialisten mit 26.000 m2 Einzelhandelsfläche - und hat sich seitdem schnell als neuer Einkaufsmagnet etabliert. In Nachbarschaft zu den Arkaden sind mit den Projekten "Hanse-Carré" und "Stubengasse" noch einmal rund 14.000 m2 neue Einzelhandelsverkaufsflächen in Citylage geschaffen worden.

Zu den stärker kommerziell orientierten Maßnahmen der Innenstadtentwicklung zählen ebenso die Revitalisierung und Umgestaltung des Münsterschen Stadthafens I zu einem "Kreativ-Kai", bestehend aus einer Mischung von Büro-, Einzelhandels-, Gewerbe-, Gastronomie- und kulturellen Nutzungen (s. Beitrag Krajewski).

Tab. 1: Besucheraufkommen kultureller Einrichtungen in Münster 2006 (Quelle: Stadt Münster 2007b; Foto des LWL-Museums für Kunst- u. Kulturgeschichte: Chr. Krajewski)

Kulturstadt Münster

Zu den zentralen Elementen der kulturtouristischen Attraktivität zählen Stadtbild und urbane Atmosphäre, Events und Erlebnisqualität sowie ein vielfältiges Kulturangebot. Tab. 1 zeigt die besucherstärksten kulturellen Einrichtungen. Die nach dem Zweiten Weltkrieg im zum Teil historisierenden Stil wieder aufgebaute Altstadt mit ihrer geschlossenen Häuserkulisse stellt Anziehungspunkt wie Alleinstellungsmerkmal gleichermaßen dar. Open-Air-Events dient die historische Altstadt als Bühne (vgl. Krajewski 2008).

Zu den imageträchtigsten Kulturevents in Münster zählt die im Zehn-Jahres-Rhytmus stattfindende Freiluftausstellung von Skulpturen der Gegenwartskunst, bei der 2007 36 internationale Künstler ihre Arbeiten präsentierten (s. Beitrag Hauff et al.). Die nach Schätzungen der Veranstalter (v. a. Landschaftsverband Westfalen-Lippe) 2007 von 575.000 Gästen besuchte und von nationalen und internationalen Medien wie Besuchern überwiegend positiv bewertete Kunstausstellung "Skulptur Projekte Münster 07" kann aus Sicht von Stadtmarketing und Stadttourismus als kultureller wie kommerzieller Erfolg gewertet werden, der das Bild einer lebens- und besuchenswerten Stadt festigen hilft.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2008, Aktualisierung 2010