Der Strukturwandel in der Landwirtschaft Westfalens, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Welle der Mechanisierung begann, hat sich auch in den letzten 25 Jahren weiter fortgesetzt. Wie die Zeitreihen ausgewählter Merkmale erkennen lassen (Abb. 1 und 2, Tab. 1), haben sich jedoch die einzelnen Bereiche unterschiedlich entwickelt. Herangezogen wurden für diese Analyse sowohl Indikatoren für wirtschaftliche Voraussetzungen als auch Kennziffern zur Produktion. Weitere aussagefähige Daten, die in frühere Untersuchungen einbezogen wurden, stehen für die letzten Jahre leider nicht mehr zur Verfügung.
Die durchschnittliche Betriebsgröße, gemessen in landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF) je Betrieb, repräsentiert gleichzeitig ein aussagekräftiges Maß für den Arbeitskräftebesatz, die Arbeitsproduktivität wie auch für die Einkommenssituation. So können mit zunehmender Flächenausstattung, d. h. äußerer Aufstockung, Betriebe in der Regel durch verbesserte Auslastung von Maschinen, Vergrößerung von Viehbeständen und ähnliche Maßnahmen den Aufwand je Flächen- bzw. Vieheinheit senken und das Einkommen steigern. Wie Abb. 1 zeigt, hat sich der Prozess der äußeren Aufstockung, der nur durch die Aufgabe anderer Höfe ermöglicht wird, seit Ende der 1980er Jahre besonders beschleunigt.
Landwirtschaftlicher Strukturwandel in Westfalen 1979–2003
Betrachtet man die Entwicklung des Ackerflächenverhältnisses (Abb.1), zeigt sich, dass der Futteranteil am Ackerland bis Ende der 1980er Jahre stark angestiegen ist, und zwar auf Kosten des Hackfruchtbaus, aber auch der Getreideflächen (Abb. 1). Hauptgrund war die Ausweitung des Maisanbaus, der seit Mitte der 1960er Jahre in Westfalen einsetzte. Ab Mitte der Siebziger verstärkte die Nutzung des Corn-Cob-Mix für die Schweinemast diese Entwicklung. Der Anbau von Hackfrüchten, und zwar von Futterrüben aber auch von Futter- und Speisekartoffeln, war im Vergleich zum Getreide- und Maisanbau zu arbeitsaufwändig und deshalb eher unproduktiv. Hinzu kam, dass aufgrund geänderter Essgewohnheiten weniger Speisekartoffeln verzehrt wurden. Seit den neunziger Jahren ist ein gewisser Rückgang des Futterbaus festzustellen. Z. T. ist dies nur ein statistischer Effekt, weil ab 1999 Corn-Cob-Mix, wie vorher schon Körnermais, nicht mehr zum Futterbau, sondern zum Getreide gerechnet wird. Tatsächlich hat aber der stark gestiegene Anbau von Handelsgewächsen, vor allem von Raps, den Anteil des Futterbaus an der Ackerfläche reduziert.
Von den Getreidearten hatte sich im Laufe der 1970er Jahre Wintergerste zum gut geeigneten Schweinemastfutter entwickelt und nahezu unabhängig von der Bodengüte ca. 40% der Getreidefläche eingenommen. Als in den Achtzigern der Mais in Form von Corn-Cob-Mix als Mastfutter aufkam, nahm die Bedeutung der Gerste ab. Dafür verstärkte sich der Anbau des Weizens. Außerdem wird seit den neunziger Jahren auf den leichten Böden vermehrt eine ähnlich eiweißreiche Getreideart wie der Weizen angebaut, nämlich Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. Triticale wird, wie übrigens auch der größte Teil des in Westfalen erzeugten Weizens, verfüttert.
Nicht nur die Anzahl der Kühe ist seit den neunziger Jahren zurückgegangen, sondern auch die Zahl der sonstigen Rinder, wie Mastbullen, Kälber u. ä. (Abb. 2, Tab. 1). Bei den Schweinen stagniert die Anzahl derzeit. Wie Daten über den Besatz mit Großvieheinheiten (GVE) je 100 ha LF belegen, ist zwischen 1988 und 1996 die Zahl von 130 auf 119 gesunken. Ökologisch gesehen kann man dies so deuten, dass sich mit zunehmender Konzentration der Viehhaltung und einer Aufstockung der Bestände je Halter das Problem einer ökologisch bedenklichen Überstockung der Flächen mindert. Tatsächlich hängt die Beurteilung aber davon ab, inwieweit es möglich ist, die anfallenden Güllemengen nicht nur auf die LF der Viehhalter zu verteilen, z. B. mittels Güllebörsen. Außerdem ist zu untersuchen, wie sich die Viehbestände regional verteilen und ob sich die Bewirtschaftungsintensität in viehstarken Regionen, wie z. B. im Westmünsterland nicht noch verstärkt hat.
Mittel- bis langfristige Prognosen über die weitere Entwicklung der Agrarstruktur in Westfalen kann man anhand der bisherigen Trends guten Gewissens kaum abgeben. Am wahrscheinlichsten sind noch die Aufgabe weiterer Betriebe und die äußere Aufstockung der verbleibenden Höfe. Dies ist nicht zuletzt deshalb zu erwarten, weil bei Generationswechseln in den Familienbetrieben immer weniger Hofnachfolger nachwachsen.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Becks, F. (1983): Die Agrarwirtschaft Westfalens und ihre räumliche Differenzierung. In: Weber, P. und K.-F. Schreiber (Hg.): Westfalen und angrenzende Regionen. Paderborn (= Münstersche Geographische Arbeiten, Nr. 15) | |
• | Becks, F. (1983): Die räumliche Differenzierung der Landwirtschaft in der Westfälischen Bucht. In: Geographische Kommission für Westfalen (Hg.): Spieker, Nr. 29. Münster | |
• | Becks, F. (1995): Agrarstruktur 1987. In: Geographische Kommission für Westfalen (Hg.): Geographisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen, 7. Lieferung. Münster | |
• | Becks, F. (1995): Die räumliche Differenzierung der Landwirtschaft in Westfalen. In: Geographische Kommission für Westfalen (Hg.): Siedlung und Landschaft in Westfalen, Nr. 22. Münster | |
• | Becks, F. (2001): Die räumliche Entwicklung der Landwirtschaft in Westfalen seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. In: Ditt, K. u.a. (Hg.): Agrarmodernisierung und ökologische Folgen. Paderborn (= Forschungen zur Regionalgeschichte, Band 40) | |
• | Koch-Achelpöhler, V. (1996): Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen - Analyse und Projektion des Agrarstrukturwandels 1980-2003. Bonn | |
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Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe (1997) (Hg.): Westfalens Landwirtschaft im Wandel 1988-1996. In: Beiträge zur Sache, Nr. 47. Münster |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Milchwirtschaft |
Erstveröffentlichung 2007