Landwirtschaftlicher Strukturwandel in Westfalen 1979–2003

01.01.2007 Friedrich Becks

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Strukturwandel · Landwirtschaft

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft Westfalens, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Welle der Mechanisierung begann, hat sich auch in den letzten 25 Jahren weiter fortgesetzt. Wie die Zeitreihen ausgewählter Merkmale erkennen lassen (Abb. 1 und 2, Tab. 1), haben sich jedoch die einzelnen Bereiche unterschiedlich entwickelt. Herangezogen wurden für diese Analyse sowohl Indikatoren für wirtschaftliche Voraussetzungen als auch Kennziffern zur Produktion. Weitere aussagefähige Daten, die in frühere Untersuchungen einbezogen wurden, stehen für die letzten Jahre leider nicht mehr zur Verfügung.

Die durchschnittliche Betriebsgröße, gemessen in landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF) je Betrieb, repräsentiert gleichzeitig ein aussagekräftiges Maß für den Arbeitskräftebesatz, die Arbeitsproduktivität wie auch für die Einkommenssituation. So können mit zunehmender Flächenausstattung, d. h. äußerer Aufstockung, Betriebe in der Regel durch verbesserte Auslastung von Maschinen, Vergrößerung von Viehbeständen und ähnliche Maßnahmen den Aufwand je Flächen- bzw. Vieheinheit senken und das Einkommen steigern. Wie Abb. 1 zeigt, hat sich der Prozess der äußeren Aufstockung, der nur durch die Aufgabe anderer Höfe ermöglicht wird, seit Ende der 1980er Jahre besonders beschleunigt.

Abb. 1: Indices der Entwicklung der Betriebsgröße und des Ackerflächenverhältnisses 1979-2003 (1979 = 100%) (Quelle: LDS NRW)
Als ein treffender Indikator für die natürliche Gunst oder Ungunst einer Region kann der Ackerlandanteil an der LF herangezogen werden. Die Ackerfähigkeit von Böden ist in der hiesigen Landwirtschaft wichtiger als die natürliche Ertragfähigkeit der Böden, gemessen in Bodenwertzahlen. Durch einen möglichst weitgehenden Umbruch von Grün- zu Ackerland können in den meisten Regionen die Rationalisierungseffekte der äußeren Aufstockung verstärkt werden. Acker erlaubt sowohl gut mechanisierbaren Anbau von marktfähigen Früchten wie Getreide und Raps als auch sehr ertragreichen Futteranbau, z. B. von Mais und Gras. Mais wird deshalb so geschätzt, weil er als Grün- und Silomais an das Rindvieh, als Korn-Spindel-Gemisch (Corn-Cob-Mix) an Schweine und als Körnermais an alle Nutztiere verfüttert werden kann. In den viehstarken Betrieben erleichtert er außerdem die Gülleverwertung. Dem Trend der Ausweitung des Ackerlandes, der zu Beginn der 1980er Jahre weitgehend abgeschlossen war, stand insbesondere in Gebirgsregionen die Vergrünlandung entgegen. In Gebieten mit hohem Anteil an absolutem, d. h. wegen zu nasser Böden oder hängigem Gelände nicht umbruchfähigem Grünland, führte die Spezialisierung auf reine Rindviehhaltung zu einer Aufgabe des Ackerlandes.

Betrachtet man die Entwicklung des Ackerflächenverhältnisses (Abb.1), zeigt sich, dass der Futteranteil am Ackerland bis Ende der 1980er Jahre stark angestiegen ist, und zwar auf Kosten des Hackfruchtbaus, aber auch der Getreideflächen (Abb. 1). Hauptgrund war die Ausweitung des Maisanbaus, der seit Mitte der 1960er Jahre in Westfalen einsetzte. Ab Mitte der Siebziger verstärkte die Nutzung des Corn-Cob-Mix für die Schweinemast diese Entwicklung. Der Anbau von Hackfrüchten, und zwar von Futterrüben aber auch von Futter- und Speisekartoffeln, war im Vergleich zum Getreide- und Maisanbau zu arbeitsaufwändig und deshalb eher unproduktiv. Hinzu kam, dass aufgrund geänderter Essgewohnheiten weniger Speisekartoffeln verzehrt wurden. Seit den neunziger Jahren ist ein gewisser Rückgang des Futterbaus festzustellen. Z. T. ist dies nur ein statistischer Effekt, weil ab 1999 Corn-Cob-Mix, wie vorher schon Körnermais, nicht mehr zum Futterbau, sondern zum Getreide gerechnet wird. Tatsächlich hat aber der stark gestiegene Anbau von Handelsgewächsen, vor allem von Raps, den Anteil des Futterbaus an der Ackerfläche reduziert.

Von den Getreidearten hatte sich im Laufe der 1970er Jahre Wintergerste zum gut geeigneten Schweinemastfutter entwickelt und nahezu unabhängig von der Bodengüte ca. 40% der Getreidefläche eingenommen. Als in den Achtzigern der Mais in Form von Corn-Cob-Mix als Mastfutter aufkam, nahm die Bedeutung der Gerste ab. Dafür verstärkte sich der Anbau des Weizens. Außerdem wird seit den neunziger Jahren auf den leichten Böden vermehrt eine ähnlich eiweißreiche Getreideart wie der Weizen angebaut, nämlich Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. Triticale wird, wie übrigens auch der größte Teil des in Westfalen erzeugten Weizens, verfüttert.
Abb. 2: Indices der Entwicklung der Viehhaltung 1979-2003 (1979 = 100%) (Quelle: LDS NRW)
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die Bodennutzung besonders dynamisch bis zum Ende der 1980er Jahre entwickelt hat, und zwar mit dem Ziel der rationellen Erzeugung von Viehfutter. Die äußere Aufstockung der verbliebenen Betriebe hat sich dagegen ab dem Ende der 1980er Jahre beschleunigt. Beide Trends haben sich in der Entwicklung der Viehhaltung niedergeschlagen, wie sich an Abb. 2 und Tab. 1 ablesen lässt. Man stellt fest, dass sich der Anteil der Milchviehhalter und der Mastschweinehalter an allen landwirtschaftlichen Betrieben seit den 1990er Jahren verringert hat. Dies ist in erster Linie ein Ergebnis der zunehmenden Betriebsvereinfachung und Spezialisierung der größer werdenden Betriebe. Unterstrichen wird dies durch die erhebliche innere Aufstockung der viehhaltenden Betriebe. So hat sich die Zahl der Mastschweine je Halter seit 1979 fast vervierfacht und die Zahl der Kühe je Betrieb nahezu verdreifacht. Nur durch diesen Prozess der Konzentration ist es möglich, dem Kostendruck bei fallenden Erzeugerpreisen entgegenzuwirken. Parallel dazu verlief eine zum Teil deutliche Reduzierung des Viehbesatzes. So ist die Zahl der Kühe je Flächeneinheit und damit auch absolut zurückgegangen. Da einerseits seit den Milchquotenregelungen der 1980er Jahre die in Westfalen erzeugte Milchmenge gesenkt werden musste und andererseits die Milchleistung je Kuh deutlich gesteigert wurde, war eine Reduzierung des Kuhbestandes notwendig. Die innere Aufstockung der verbleibenden Milchviehbetriebe setzte allerdings voraus, dass sie Milchquoten aufkaufen konnten. Dies ist auch in nennenswertem Maße erfolgt. So sind insbesondere aus dem Ostmünsterland und Ostwestfalen erhebliche Milchquotenmengen u. a. in das Westmünsterland und ins Hochsauerland verkauft worden (s. Beitrag Wittkampf).
Tab. 1: Landwirtschaftlicher Strukturwandel in Westfalen 1979-2003 (Quelle: LDS NRW)

Nicht nur die Anzahl der Kühe ist seit den neunziger Jahren zurückgegangen, sondern auch die Zahl der sonstigen Rinder, wie Mastbullen, Kälber u. ä. (Abb. 2, Tab. 1). Bei den Schweinen stagniert die Anzahl derzeit. Wie Daten über den Besatz mit Großvieheinheiten (GVE) je 100 ha LF belegen, ist zwischen 1988 und 1996 die Zahl von 130 auf 119 gesunken. Ökologisch gesehen kann man dies so deuten, dass sich mit zunehmender Konzentration der Viehhaltung und einer Aufstockung der Bestände je Halter das Problem einer ökologisch bedenklichen Überstockung der Flächen mindert. Tatsächlich hängt die Beurteilung aber davon ab, inwieweit es möglich ist, die anfallenden Güllemengen nicht nur auf die LF der Viehhalter zu verteilen, z. B. mittels Güllebörsen. Außerdem ist zu untersuchen, wie sich die Viehbestände regional verteilen und ob sich die Bewirtschaftungsintensität in viehstarken Regionen, wie z. B. im Westmünsterland nicht noch verstärkt hat.

Mittel- bis langfristige Prognosen über die weitere Entwicklung der Agrarstruktur in Westfalen kann man anhand der bisherigen Trends guten Gewissens kaum abgeben. Am wahrscheinlichsten sind noch die Aufgabe weiterer Betriebe und die äußere Aufstockung der verbleibenden Höfe. Dies ist nicht zuletzt deshalb zu erwarten, weil bei Generationswechseln in den Familienbetrieben immer weniger Hofnachfolger nachwachsen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007