Der Schieferbergbau im südwestfälischen Bergland
Vom Tonstein zum Dachschiefer
Aufgrund dieser geologischen Entwicklung lassen sich nach Bedarf zentimeterdicke Platten zu Bauzwecken gewinnen. Die schwarzgraue bis blaue Färbung ermöglicht eine architektonische Gestaltung. Als Dachschiefer eignen sich nur wasserundurchlässige Gesteinspartien mit geringem Kalkgehalt, da sie sonst unter dem Einfluss von saurem Regen leicht verwittern. Die eigentlich nutzbaren Gesteinspakete sind daher selten mehr als 20 m mächtig. Somit hinterlassen Gruben, die längere Zeit in Betrieb waren, größere Abraumhalden vor den Stollenmundlöchern.
Tonschiefer: landschaftsprägende Gesteinsschicht
Der Reliefwechsel von Höhenrücken und angelagerten Längs- bzw. Binnenmulden ist typisch für die landschaftliche Grundstruktur im Schiefergebirge. Im Gegensatz zu den härteren Sandsteinen oder Kieselschiefern ist der relativ weichere Tonschiefer von der Erosion stärker ausgeräumt worden und begünstigt die Ausbildung von Mulden und Senken. Da die unterschiedlich harten Gesteinsschichten durch die Gebirgsbildung hochgestellt wurden, entstand eine wellenförmige Schichtrippenlandschaft.
Die Tonschieferverwitterungsböden boten der landwirtschaftlichen Nutzung von jeher gute Voraussetzungen und waren die bevorzugten Siedlungslagen.
Die Schieferreviere
Die Anfänge des Abbaus überliefern archivalische Quellen aus dem Spätmittelalter. Demnach ist schon im 14. Jh. im Umland von Siegen Schiefer gewonnen worden. 1574 wurde Schiefer aus dem Hallenberger Revier nach Raumland geliefert. Die Schiefergruben von Antfeld und Nuttlar waren bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s in Betrieb. 1578 wurden von Hallenberg "42 Wagen Schieberstein nach Arnsberg (zum Schlossbau) gelibert" (Stadtarchiv Hallenberg). Die Gewinnung von Blauschiefer im Biggetal südlich von Attendorn zwischen Stade und Sondern begann bereits im 18. Jh. Die Klöster Grafschaft und Bredelar verfügten im 18. Jh. über eigene "Schiefer-Kaulen" bei Silbach und Giershagen. Weltliche und kirchliche Bauten mit ihren ausgedehnten Dachflächen erforderten eine stärkere Unterkonstruktion, um das Gewicht der Schiefersteine zu tragen. Wehranlagen, Hütten- und Hammerwerke erhielten wegen der Brandgefahr ein Schieferdach. So überliefert die archäologische Grabung des Wartturms der Briloner Landwehr auf dem Bilstein die Schieferdeckung aus dem 14. und 15. Jh.
Anfangs wurden die Schiefervorkommen im Tagebau in Form von "Schieferkuhlen" angegraben. Später erfolgte die Gewinnung durchweg im Untertagebau mit Stollen und Querschlägen. Der bergfrische Schiefer ließ sich dann über Tage leichter spalten und zurichten. Das Oberbergamt Bonn bewertete 1890 den Fredeburger Dachschiefer als leicht spaltbar, von vorzüglicher Qualität und wetterbeständig.
Brandschutz verändert die Dachlandschaft Südwestfalens
Aufschwung und Niedergang
Der Umbruch bei der Dachdeckung gab dem Schieferbergbau neue Impulse. Von 1841 bis 1888 stieg im Revier Arnsberg die Produktion exponentiell von 873 m2 auf 22.052 m2 im Jahre 1877, um in den 1880er Jahren wieder auf 14.702 m2 abzusinken. Die Ursachen dafür sind in der Ablösung der Churkölnischen Bergordnung durch das allgemeine preußische Berggesetz von 1865 zu sehen. Darin wurde der Schiefer aus dem staatlichen Bergrecht herausgenommen und zu einem Grundeigentümermineral umgewidmet. Weiterhin verbilligte der Eisenbahnbau im Bergland in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (s. Beitrag Tschorn) die Transportkosten und erschloss neue Absatzmärkte in den wachsenden Stadtregionen an Rhein und Ruhr. Außer Dachschiefer wurden in zahlreichen Gruben auch Plattenschiefer zu Grabsteinen, Bodenplatten, Fensterbänken und Schiefertafeln für die Schulen verarbeitet.
Um die Jahrhundertwende leiteten steigende Lohnkosten, die Konkurrenz anderer Bedachungsmaterialien und Importe aus Großbritannien, Belgien, Spanien und Frankreich den Niedergang des Schieferbergbaus ein. Nach einer kurzen Erholungsphase durch den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Schieferbergbau in den 1970er Jahren zum Erliegen. Überlebt hat nur die Grube Magog bei Bad Fredeburg durch Zusammenlegung von Grubenfeldern, Einführung der Sägetechnik anstelle der Sprengtechnik und Ersatz der manuellen Zurichtung durch Roboterfertigung. Heute hat der Dachschiefer nur noch einen Marktanteil von 4%, davon entfallen 60% auf Modernisierung, 25% auf Neubau und 15% auf Denkmalpflege.
Neben- und Folgenutzungen
Als im April 1945 im Zuge der Einkesselung des Ruhrgebietes die Amerikaner Fredeburg belagerten und der deutsche Kampfkommandant bis zum "letzten Mann" kämpfen wollte, blieb der Bevölkerung nur die Flucht in die nahen Schieferstollen, da während der sechstägigen Straßenkämpfe keine Schutzräume zur Verfügung standen (s. Beitrag Köhne). Etwa 2.500 Einwohner überlebten in der Grube Magog, während die Stadt zu 75% zerstört wurde.
Die Grube "Delle" im Raumländer Revier, die bereits 1923 geschlossen worden war, konnte 1982 als Besucherbergwerk wieder erschlossen werden (s. Beitrag Wittkampf). 2011 erhielten die ehemaligen Gruben "Felicitas" (1863–1972) in Bad Fredeburg und "Brandholz" (1866–1972) in Schmallenberg-Nordenau das Zertifikat "Orte mit Heilstollenkurbetrieb". Hintergrund waren medizinisch-klimatologische Gutachten, die Asthmatikern und Allergikern die Heilwirkung des Stollenklimas bestätigten (s. Beitrag Rohleder).
Weiterführende Literatur/Quellen
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Knoche, W. (2010): Die Kriegshandlungen im Raum Arnsberg und Fredeburg. |
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• | Königliches Oberbergamt zu Bonn (Hg.) (1890): Beschreibung der Bergreviere Arnsberg, Brilon und Olpe sowie der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont. Bonn | |
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Schuhmacher, E. (1967): Das kölnische Westfalen im Zeitalter der Aufklärung. |
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• | Westfälisches Schieferbergbau- und Heimatmuseum/Dachdeckerschule Westfalen, Eslohe (Hg.) (2006): Schieferwelten. Dortmund | |
• | Wrede, V. (1996): Dachschieferbergbau im Sauerland. In: Westfälisches Schieferbergbau-Museum Schmallenberg-Holthausen (Hg.): Bergbau im Sauerland. Schmallenberg-Bad Fredeburg, S. 371–381 | |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Gesellschaft_Politik/LEADER_Schmallenberger_Sauerland |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Naturraum/Tektonische_Baueinheiten |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Verkehr/Eisenbahnnetz_1885 |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Bergbau_Folgenutzungen |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Besucherbergwerke |
Erstveröffentlichung 2012