Nachhaltige ÖPNV-Projekte in Ostwestfalen-Lippe

01.01.2009 Ludger Siemer

Inhalt

Einführung

Obwohl der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in den großen Ballungsräumen sicherlich eine bedeutendere Rolle im Verkehrsgeschehen spielt als im eher ländlichen Raum Ostwestfalen-Lippe, wurden jedoch hier in den letzten 15 Jahren auch größere und innovative Projekte mit nachhaltiger Wirkung umgesetzt. Drei dieser Projekte werden nachfolgend vorgestellt. Sie zeichnen sich durch langfristige Perspektiven und seit ihrer Umsetzung vor 10 bis 15 Jahren durch rasanten Anstieg der Fahrgastzahlen aus. Alle drei Projekte wurden im Wesentlichen von kommunaler Seite vorangetrieben, die Bahnprojekte wurden letztendlich von der DB AG umgesetzt. Die Maßnahmen sind von den ersten Ideen her in den 1980er Jahren entstanden; umgesetzt wurden sie Anfang/Mitte der 1990er Jahre. Insbesondere die Stadtbusprojekte, aber auch die Schienenmodernisierung haben in NRW – und darüber hinaus – viele Nachfolger gefunden.

Abb. 1: Haltestelle "Universität" der neuen Stadtbahnlinie in Bielefeld (Foto: moBiel)

Stadtbahnausbau Bielefeld

Bei der Stadtbahn Bielefeld handelt es sich um das einzige Straßenbahn- bzw. Stadtbahnsystem in Westfalen außerhalb des Ruhrgebietes. 1978 begann der Umbau des schon seit 1900 bestehenden Straßenbahnsystems zur Stadtbahn (auf eigenem Bahnkörper) mit ca. 6,6 km langen Tunnelabschnitten im Innenstadtbereich. Im Jahre 1991 erfolgte die Inbetriebnahme als Stadtbahn, im Jahre 2000 die Erweiterung von drei auf vier Linien mit Anschluss der Universität (Abb. 1). Dieser umfangreiche Auf- und Ausbau des Stadtbahnnetzes (mit Investitionen von immerhin rd. 250 Mio. €) hat seit der Inbetriebnahme bis heute zu einer rasanten Fahrgaststeigerung geführt. Während 1990 erst 12,5 Mio. Fahrgäste zu verzeichnen waren, stieg diese Zahl bis auf 28,4 Mio. im Jahre 2008 an. Dies bedeutet immerhin eine Steigerung um 127% – ein Vielfaches der Steigerungsrate auf Bundesebene.

Die neue Linie zur Universität Bielefeld in Verbindung mit tariflichen Maßnahmen für Studenten (Semestertickets) hat auch dazu beigetragen, dass die Hochschule für Studenten aus den Umlandkreisen deutlich attraktiver geworden ist.

Abb. 2: Bussse am "Rendezvousplatz" in Lemgo (Foto: E. Heidfeld)

Stadtbussysteme

Bis in die 1980er Jahre hinein wurden Mittelstädte im ÖPNV häufig nur durch Regionalbuslinien, die von den Nachbarstädten in die Zentren führten, mehr oder weniger gut erschlossen. Die Idee eigener Stadtbussysteme in Klein- und Mittelstädten wurde zunächst Ende der 1980er Jahre in der Schweiz umgesetzt und fand dann Anfang der 1990er Jahre erste Nachahmer in Süddeutschland. Kurz danach richteten schon 1994 die drei lippischen Städte Detmold, Bad Salzuflen und Lemgo entsprechende Stadtbussysteme ein (s. Beitrag Althaus). Bei den Stadtbussystemen handelt es sich um hochwertige innerstädtische Verkehre mit folgenden Merkmalen:

•  übersichtliche, direkte Linienführung auf das Stadtzentrum zu,
•  Verknüpfung an einem möglichst zentralen Platz mit Rundum-Anschlüssen,
•  möglichst dichter Takt (15 bis 30 Min),
•  einheitliches Design (Busse, Haltestellen, Infomaterial, Fahrerkleidung…),
•  intensives Marketing und Kundeninformation mit eigenem Stadtbusbüro,
•  umfassende Busbeschleunigung.

Die drei Stadtbussysteme in den lippischen Städten hatten beim Start durchaus unterschiedliche Ausgangsstrukturen und Volumina (was Anzahl der Busse, Linien und Fahrten betrifft); sie verfügen aber auch über viele Gemeinsamkeiten. In zwei der drei Städte hat es noch einen weiteren Ausbau durch neue Linien und Taktverdichtungen gegeben, in Bad Salzuflen allerdings aus finanziellen Gründen im Jahre 2008 auch einen deutlichen Rückbau. Die Fahrgastzahlen bewegen sich heute zwischen 1,1 Mio. (Bad Salzuflen) und 5,1 Mio. jährlich (Detmold), was in allen Fällen mehr als eine Verdoppelung gegenüber den Zahlen vor Einführung bedeutet. Alleine in NRW hat es mehrere Dutzend Nachfolgemodelle gegeben; allerdings haben diese häufig nicht mehr den idealtypischen Standard der ersten Stadtbussysteme erreicht.

Modernisierung von DB-Nebenstrecken, infolge kommunaler Initiative

Wie viele andere Nebenstrecken der DB waren auch die Strecken
•  Bielefeld – Lemgo – (Hameln), Kursbuchstrecke (KBS) 404, und
•  Bielefeld – Osnabrück, Kursbuchstrecke (KBS) 402, in den 1980er Jahren akut stilllegungsgefährdet. Teilabschnitte wurden für den Personenverkehr auch bereits stillgelegt. Bei der KBS 404 gab es sehr früh kommunale Bemühungen, initiiert durch den Kreis Lippe, die Strecke zu erhalten und zu modernisieren. Der Bund und das Land NRW wurden über einen Modellversuch mit ins Boot geholt. Im Jahre 1994 kam es dann zu einem Vertrag zwischen der DB, dem Land NRW und den Anliegerkommunen, in dem festgelegt wurde, dass die Strecke grundlegend modernisiert werden sollte (Beseitigung und Modernisierung von Bahnübergängen, Ausbau der Haltepunkte zu modernen Verknüpfungsanlagen für den ÖPNV, Maßnahmen zur Beschleunigung). Neu hierbei war, dass die Kommunen einen Baukostenzuschuss in Höhe von drei Mio. DM zahlten, um die Maßnahme zu ermöglichen. Im Jahre 1996 wurde die Baumaßnahme abgeschlossen. Der Verkehr wurde schon vorher auf einen Stundentakt ausgedehnt, die Fahrzeit zwischen Bielefeld und Lemgo um acht Minuten deutlich verkürzt. Im Rahmen des integralen Taktfahrplanes NRW erfolgte ab 1998 eine weitere Angebotsausweitung, u. a. durch eine neue Linie zwischen Altenbeken und Bielefeld über Detmold und Lage, die zusätzlich über Abschnitte der Strecke führte. Ab 2000 bzw. 2003 fahren auf der Strecke mit der Eurobahn und der NordWest-Bahn zwei neue Betreiber. Die Zahl der täglichen Fahrgäste stieg zwischen 1998 und 2008 von rd. 2.400 auf rd. 6.500, also um über 170%. Dies bedeutet mehr als das 5-fache des bundesweiten Anstiegs.
Abb. 3: Am Bahnhof Halle treffen sich Zug und Bus an einem Bahnsteig (Foto: VerkehrsVerbund OWL)

Die Modernisierung der KBS 402 ("Haller Willem") ist auf private und kommunale Initiative zurückzuführen. Von der DB wurde der Personenverkehr auf dem Abschnitt zwischen Dissen, Bad Rothenfelde und Osnabrück im Jahre 1984 eingestellt. Anfang der 1990er Jahre gründete sich dann die "Initiative Haller Willem", die sich mit vielen Ideen und publikumswirksamen Aktionen für den Erhalt und den Ausbau der Bahnstrecke einsetzte. Ein wichtiger Meilenstein dabei war die Konzeption eines dezentralen Projektes zur Weltausstellung Expo 2000. Dieses sah drei Bausteine vor:

•  die Modernisierung der Bahninfrastruktur sowie den Einsatz neuer und komfortabler Fahrzeuge,
•  die Erneuerung der Bahnhöfe bzw. in Einzelfällen die Verlagerung hin zu Siedlungsschwerpunkten,
•  die Ausweisung neuer Wohnbauflächen in direktem Umfeld der Bahnhöfe sowie die Förderung von Kunst und Tourismus entlang der Strecke.

Dieses Konzept war so überzeugend, dass es von der Expo-Gesellschaft im Jahre 1997 als weltweites Expo-Projekt anerkannt wurde. Der Verkehrsverbund OWL übernahm 1996 die Federführung für das Projekt, in das neben verschiedenen Geschäftsbereichen der DB AG auch die Kommunen sowie eine Reihe anderer Beteiligter intensiv eingebunden waren. Unter großem Zeitdruck konnten die Maßnahmen mit einem Investitionsaufwand von insgesamt rd. 40 Mio. € rechtzeitig bis zum Mai 2000 fertiggestellt werden. Das Expo-Projekt hat nicht zuletzt dazu beigetragen, dass auch die Reaktivierung des in Niedersachsen gelegenen Streckenteils Dissen–Bad Rothenfelde–Osnabrück ins Auge gefasst und im Jahre 2005 umgesetzt wurde. Hier wurden noch einmal 16 Mio. € investiert. Seit dem Jahre 2003 fährt auf der Strecke die im nordwestdeutschen Raum sehr erfolgreiche NordWestBahn. All diese Maßnahmen haben zusammen dazu beigetragen, dass allein auf dem Abschnitt im Bereich des Verkehrsverbundes OWL die Fahrgastzahlen von 1.500 je Tag im Jahre 1996 auf täglich 4.400 im Jahre 2008 angestiegen sind, sich also fast verdreifacht haben.

Weitere erfolgreiche Maßnahmen, bei denen sich vor allem die Kommunen sehr aktiv eingebracht haben, sind u. a. der Neubau von ca. 1.500 Wohneinheiten im unmittelbaren Umfeld von Bahnhöfen und Haltepunkten sowie die erste Bahnradroute Deutschlands (Teuto-Senne) als touristisches Projekt.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009