Menschen ausländischer Herkunft oder mit Migrationshintergrund in Westfalen 2008

01.01.2010 Peter Wittkampf

Inhalt

Erfassungsprobleme

Statistiken über "Ausländeranteile" in der Bevölkerung sind schwierig zu erstellen und zu deuten. Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen, das Bundesland mit besonders vielen ausländischen Mitbürgern bzw. Menschen mit Migrationshintergrund, in dem jeder vierte der in Deutschland lebenden Ausländer wohnt. Die Erfassungsprobleme haben mehrere Ursachen:
► Seit dem 01.01.2000 besitzt ein in Deutschland geborenes Kind ausländischer Eltern normalerweise automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland wohnt (s. Beitrag Gorki/Heineberg).
► Um die Anteile der Ausländer/-innen zu erfassen, werden mehrere unterschiedliche statistische Methoden bzw. Erhebungsgrundlagen angewandt: einerseits das Ausländerzentralregister (AZR), andererseits die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf der Basis der Volkszählung von 1987. In den Zählungen des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MGFFI) werden beide Datenquellen genutzt, um einigermaßen verlässliche und kompatible Angaben über die Menschen ausländischer Herkunft machen zu können.
► Statistische Aussagen werden zusätzlich auch noch dadurch erschwert, dass "Ausländerinnen und Ausländer" nicht unbedingt identisch sind mit den "Menschen mit Migrationshintergrund/Zuwanderungsgeschichte". Die Erfassung der Letzteren wurde durch die Reform des Mikrozensus – also der statistischen Erhebung anhand einer Zufallsstichprobe – ermöglicht, bei dem seit 2005 auch der Migrationshintergrund der Menschen erfragt wird. Ein Migrationshintergrund liegt dann vor, wenn Menschen entweder eine ausländische Staatsangehörigkeit haben oder seit 1950 nach Deutschland zugewandert sind oder mindestens einen seit 1960 zugewanderten Elternteil haben. Dass die Unterscheidung zwischen "Ausländern/Ausländerinnen" einerseits und "Menschen mit Migrationshintergrund" wichtig sein kann, zeigen folgende Zahlen: Von den 8,357 Mio. Einwohnern Westfalens (Ende 2008) hatten etwas mehr als 22% einen Migrationshintergrund, "Ausländer" hingegen waren nur etwa 9% (s. Beitrag Wittkampf).

In Bezug auf die "Aussiedler“, also die deutschstämmigen Zuwanderer vorwiegend aus der früheren Sowjetunion, fällt  die sehr deutliche Abnahme der Zahlen auf. Vom 01.08.1989 bis zum 31.12.2008 kamen 377.415 Menschen dieser Gruppe nach Westfalen. In letzter Zeit spielt die Zuwanderung jedoch kaum noch eine Rolle: Im Jahre 2008 betrug die entsprechende Zahl für ganz Nordrhein-Westfalen nur noch 930.
 

Abbn. 1 und 2: Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund und der ausländischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung der Kreise/kreisfreien Städte Westfalens 2008 in % (Quelle: Eigene Berechnungen aus MGFFI NRW: Zuwanderungsstatistik 2009)

Regionale Differenzierung

Die regionale Verteilung der Menschen mit Migrationshintergrund und Ausländer in Westfalen ist nach wie vor sehr heterogen (Abbn. 1 und 2). Bevorzugte Ziel- und Lebensräume sind einerseits die Industrieregionen, andererseits die größeren Städte. Manche ländlich geprägte Landkreise z. B. des Münsterlandes, des Sauerlandes oder Ostwestfalens weisen daher nur relativ niedrige Quoten auf, im Gegensatz zu den größeren Zentralorten. Hier erweisen sich Arbeitsmöglichkeiten – auch in Niedriglohnsparten – sowie Ausbildungsvielfalt, Kontakte mit Menschen der gleichen Herkunftsregion, Betreuungseinrichtungen usw. als attraktiv.

Innerhalb der Gruppe der Kreise wies der Märkische Kreis 2008 mit 11,6% den höchsten Ausländeranteil in NRW auf. Der Märkische Kreis ist nach wie vor industriell geprägt: Das Produzierende Gewerbe trug 2006 hier 49,2% zur Bruttowertschöpfung bei (NRW: 26,2% im Jahr 2009).

Aber selbst innerhalb der Kreise und kreisfreien Städte ist die Ausländerquote von Gemeinde zu Gemeinde und von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich. Auch hier kann der Märkische Kreis wieder als Beispielregion dienen: Während Kommunen im Lennetal wie Altena, Plettenberg und Werdohl aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur recht hohe Ausländeranteile aufweisen, liegen sie in anderen Teilen des Kreises sehr viel niedriger: Im Jahr 2008 wies z. B. Werdohl eine Ausländerquote von 19,8%, Balve dagegen von lediglich 5,6% auf.

Herkunftsländer

Die mit Abstand größte Gruppe der Zuwanderer nach Westfalen stammt aus der Türkei. Etwa jeder dritte Mitbürger ausländischer Herkunft gehört hierzu: Im Regierungsbezirk Münster sind 38% aller Menschen ausländischer Herkunft türkischstämmig, im Regierungsbezirk Detmold 30%, im Regierungsbezirk Arnsberg 35%. Dabei sind jedoch auch hierbei die innerregionalen Schwerpunkte sehr unterschiedlich: Während z. B. in der Stadt Münster nur 9,5% aller Ausländer/-innen aus der Türkei stammen, sind es beispielsweise in Herne über 58%.

Nach den Türken bilden in den meisten Teilregionen Westfalens die Polen die zweitgrößte Gruppe der Zuwanderer. In Münster und im Kreis Steinfurt sowie in einigen Landkreisen im südlichen Westfalen ist dies allerdings anders: In der Stadt Münster und im Kreis Steinfurt sind dies Portugiesen, im Süden Westfalens Italiener oder Griechen. Auch in der Stadt Bielefeld bilden die Griechen die zweitgrößte Gruppe der Ausländer.

Abbn. 3 und 4: Anteil der ausländischen Beschäftigten an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt und der ausländischen Hauptschüler/-innen am Schülerbestand der Hauptschulen in den Kreisen/kreisfreien Städten Westfalens 2008 in % (Quelle: Eigene Berechnungen aus MGFFI NRW: Zuwanderungsstatistik 2009)

Chancen und Probleme

Von den Zuwanderern besitzen viele Menschen bereits die deutsche Staatsangehörigkeit. Oft haben sie dort, wo sie eine nennenswerte Bevölkerungsgruppe bilden, auch das kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben inzwischen in besonderer Weise mit geprägt, gestaltet und  bereichert. Dennoch sollte man ihre zum Teil auch Jahre nach der Einbürgerung noch bestehenden Problemen nicht unbeachtet lassen, denn in bestimmten Lebensbereichen, z. B. bei der Integration in den Arbeitsmarkt, brauchen viele Menschen ausländischer Herkunft auch einige Zeit nach ihrer Ansiedlung in Deutschland noch Unterstützung.

Dass die Chancengleichheit auch bei den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund vielfach noch deutlich zu wünschen übrig lässt, auch wenn sie in Deutschland geboren sind, wird nicht nur von Pädagogen immer wieder betont. Oft beobachtet man leider gerade auch im Bereich der Schulen, dass Schülerinnen und Schüler aus bestimmten Herkunftsmilieus selbst von ihren Eltern nicht immer die Unterstützung erhalten, die einer Integration förderlich wäre.

Den oftmals sehr starken überdurchschnittlichen Anteil an ausländischen Schülern (Abb. 4) sowie an Schülern mit Migrationshintergrund speziell auch in Hauptschulen sollte die Gesellschaft insgesamt als Herausforderung sehr ernst nehmen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2010