Landesmuseen in Westfalen

01.01.2009 Karl Teppe

In Westfalen und Lippe gibt es neun Landesmuseen. Gemeinsam haben sie das Merkmal der nichtstaatlichen Trägerschaft. Während das Lippische Landesmuseum in Detmold vom Landesverband Lippe unterhalten wird, befinden sich sieben Landesmuseen, die wiederum 10 Außenstellen haben, in der Zuständigkeit des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) (s. Beitrag Grothues). Diese Besonderheit, dass nämlich in NRW kommunalverfasste Verbände die Träger von Landesmuseen sind, hat zwar auch historische Gründe, sie hängt aber vor allem mit der inneren Gründungsgeschichte des Landes zusammen, in der politische Ziele wie Kommunalisierung und Dezentralisierung eine strukturbildende Kraft besaßen, so dass diese Trägerschaft in der Landesverfassung ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. § 5 der LVerbO in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 LVerfNW).

In diesem Zusammenhang bildet das in Münster ansässige "Westpreußische Landesmuseum" einen Sonderfall und soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Es befindet sich in der Trägerschaft der "Kulturstiftung Westpreußen" und verfolgt den Auftrag, das Kulturgut der ehemals preußischen Provinz Westpreußens in seiner ganzen Vielfalt zu präsentieren und im Gedächtnis der Nachwelt wachzuhalten.

Allerdings – und das unterscheidet die Landesmuseen des LWL wie auch die des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) von den übrigen im Bundesgebiet – , sie alle firmieren zunächst als Museen des Trägers, des LWL, während das international eingeführte Prädikatsmerkmal "Landesmuseum" wie auch der territoriale, d. h. der westfälische Bezug, nachgeordnet geführt werden.

Eine wesentliche Gemeinsamkeit dieser Landesmuseen liegt in ihrer räumlichen Orientierung. Damit ist gemeint, dass sie ihren musealen Auftrag primär aus der "historischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Vielfalt" der Region bzw. der Landschaft herleiten, in denen sie verankert sind, und dass diese Landschaft im Zentrum ihrer Arbeit steht. In diesem Fall also die Kulturlandschaft Westfalens unter Einschluss von Lippe.

Neben den dargestellten Gemeinsamkeiten gibt es im Spektrum der Landesmuseen in Westfalen bemerkenswerte Unterschiede. So repräsentiert das Lippische Landesmuseum den Typus eines Landesmuseums gleichsam in klassischer Weise, indem es sich als Ort versteht, wo die Geschichte Lippes und ihrer kulturellen Zeugnisse in ihrer ganzen Bandbreite gebündelt, gesammelt, erforscht, dokumentiert und präsentiert werden. Unter dem Dach dieses einen Museums, das zunächst als naturhistorisches Museum gegründet wurde, befinden sich daher neben Zeugnissen der Urund Frühgeschichte eine völkerkundliche Sammlung, Werke der bildenden Kunst sowie Relikte der Alltagskultur.

Demgegenüber ist festzustellen, dass die sieben Landesmuseen des LWL zum Teil eine andere Entwicklung genommen haben, zum Teil unter anderen kulturpolitischen und -fachlichen Vorzeichen und Zielsetzungen gegründet wurden. Aufs Ganze gesehen und typisierend lässt sich sagen, dass diese sieben Landesmuseen in gewissem Sinn thematische Spartenhäuser sind, oder anders formuliert, die dezentralisierte Form des klassischen Landesmuseums darstellen. Dieser Tatbestand hängt zum einen mit der Größe und kulturellen Vielfalt Westfalens zusammen, zum anderen spiegeln sich darin gesellschaftliche und kulturelle Differenzierungsprozesse.

Abb. 1: Landesmuseen in Westfalen (Entwurf: K. Teppe, Quelle: LWL)

Profil, Aufgabenstellung und Museumspraxis der sieben Landesmuseen des LWL (Abb. 1) hängen aufs Engste mit Geschichte und politischem Selbstverständnis Westfalens zusammen, und zwar als ehemalige preußische Provinz wie heute als Landesteil von NRW. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des LWL-Netzwerkes Kultur. Gemeinsam mit anderen Kulturinstituten bilden sie ein spezifisches Verbundsystem von Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen. Die Landesmuseen gelten daher – heute mehr denn je – als wichtige sog. "weiche Standortfaktoren", die bei der infrastrukturellen Entwicklung einer Region eine besondere Rolle spielen.

Gerade diese Gesichtspunkte haben in der politischen Entscheidungsfindung von Museumsstandorten eine immer größere Bedeutung bekommen. Während es für die ersten Gründungen von Landesmuseen, die bis ins 19. Jh. zurückreichen, wie selbstverständlich war, dass sie am Sitz der ehemaligen Provinzialhauptstadt Münster errichtet wurden – es handelt sich hierbei um das LWL Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, das 1908 gegründet und aus dem 1934 das LWL-Museum für Archäologie ausgegliedert wurde, sowie um das bereits 1892 ins Leben gerufene LWL-Museum für Naturkunde –, so wurden die Standorte der übrigen vier Landesmuseen des LWL auch und gerade unter regionalen Gesichtspunkten entschieden. Ein extremes Beispiel für dieses politische Kalkül stellt die Verlagerung des LWL-Museums für Archäologie von Münster nach Herne dar, wo der Neubau im Jahre 2003 eröffnet wurde. Weitere Beispiele sind die in den 1960er Jahren gegründeten LWL-Freilichtmuseen in Hagen (1960) und in Detmold (1962), das LWL-Industriemuseum (1979) mit seinen acht Standorten und schließlich das erst 2007 eröffnete LWL-Landesmuseum für Klosterkultur in Dalheim.

Ihnen allen kommt schon aufgrund ihrer Größe und Ausstattung eine gewisse Vorbild- und Orientierungsfunktion gegenüber den zahlreichen regionalen und kommunalen Museen in Westfalen zu, das im übrigen als die Region mit der dichtesten Museumslandschaft in Deutschland gilt.

Unter den Museen des LWL nimmt das LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte eine gewisse Sonderstellung ein, die sich aus der Geschichte des Hauses sowie seiner herausragenden Sammlung und seinen internationalen Verflechtungen erklärt.

Im Zentrum der Arbeit des LWL-Museums für Naturkunde steht die naturkundliche Landeserforschung Westfalens. Es hat in den Jahren durch eine Reihe von spektakulären Ausstellungen zur Prähistorie, zur Humangeschichte und zur Entwicklungsgeschichte einzelner Tiergattungen auf sich aufmerksam gemacht hat. Das Museum verfügt über ein leistungsstarkes Planetarium und nimmt in Amtshilfe für die LWLArchäologie in Westfalen die Aufgabe der paläontologischen Bodendenkmalpflege wahr.

Das Museum in Herne versteht sich als das archäologische Schaufenster Westfalens, während sich die beiden archäologischen Museen in Haltern und in Paderborn historischen Ereignissen und Entwicklungen von europäischem Rang widmen: Haltern als der wichtigste Römerstandort in Westfalen und Paderborn als der Ort, wo sich im Jahre 799 Karl der Große und Papst Leo III trafen.

In den beiden Freilichtmuseen wird, so in Hagen, die Geschichte des Handwerks und der frühindustriellen Technik dargestellt, während am Standort Detmold der historische Wandel der Kultur- und Alltagsgeschichte Westfalens vom 15. Jh. bis zur Gegenwart thematisiert wird. Ihnen gemeinsam ist der Anspruch, frühere Handwerkstechniken und Lebensformen in authentischer Weise zur Anschauung zu bringen und zu vermitteln.

Mit dem 1979 gegründeten LWL-Industriemuseum betrat der LWL in mehrfacher Hinsicht Neuland. Denn hier werden an acht Orten bzw. herausragenden Denkmälern in exemplarischer Weise Formen und Entwicklung der Industriegeschichte Westfalens dokumentiert und vermittelt, und zwar in Dortmund mit der Zeche Zollern II/IV, wo auch die Zentrale des Museums ist, sowie in Witten mit der Zeche Nachtigall, in Bochum mit der Zeche Hannover, in Hattingen mit der Henrichshütte, in Waltrop mit dem Schiffshebewerk Henrichenburg, in Bocholt mit dem Textilmuseum, in Lage mit der Ziegelei und in Petershagen mit der Glashütte Gernheim. Die Besonderheit dieses kultur- und museumspolitischen Ansatzes liegt darin, dass ehemalige Produktionsstätten den Rang eines singulären Exponates bekamen und dass praktische Denkmalpflege, historische Arbeitswelt und Sozialgeschichte miteinander verknüpft werden.

Das 2007 eröffnete Landesmuseum für Klosterkultur im ehemaligen Augustiner Chorherrenstift Kloster Dalheim schließlich ist das jüngste Kind in der Museumsfamilie des LWL. Auch hier bildet die Klosteranlage selbst das wichtigste Exponat des Museumskonzeptes, das die Geschichte und Bedeutung von Klöstern als religiöse Zentren und als Orte der Vermittlung von Bildung, Forschung, Kunst und wirtschaftlicher Entwicklung verfolgt. Erwähnenswert ist zudem, dass hier erstmalig für ein Museum des LWL eine Stiftung gegründet wurde, an der sich neben dem LWL der Kreis Paderborn sowie private Stifter und Unternehmen beteiligt haben und aus deren Erträgen die laufenden Kosten für das Museum mitfinanziert werden.

Die verbands- und kulturpolitische Bedeutung der sieben Landesmuseen des LWL ist erheblich. Diese haben zwar alle einen regionalen Ausgangs- und Bezugspunkt, tatsächlich aber ist ihr fachlicher Aktionsradius "in Grenzen unbegrenzt". Sie erfüllen ihre Aufgaben orientiert an den internationalen Standards (ICOM) und haben zugleich die Funktion eines Sacharchivs für die Kulturlandschaft Westfalen. Insofern agieren die Landesmuseen als "Drehscheibe und Brückenbauer zwischen westfälischer und internationaler Kultur".

In der Regel kommen rund 1,2 Mio. Besucher in die sieben Landesmuseen, für deren Bewirtschaftung der LWL im Durchschnitt ca. 43 Mio. Euro jährlich aufbringt.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009