Das Handwerk in Westfalen
Das Handwerk als Wirtschaftsbereich
In Nordrhein-Westfalen waren 2013 insgesamt mehr als eine Mio. Personen im Handwerk tätig, also etwa jeder fünfte Arbeitnehmer. Die 113.592 Handwerksunternehmen machen ungefähr ein Viertel aller Unternehmen aus und erzielten 2013 zusammen einen Jahresumsatz von mehr als 109 Mrd. Euro.
Seit 2004 ist für viele Handwerksberufe die Zulassungspflicht entfallen, für die eine Meisterprüfung des Betriebsleiters zwingende Voraussetzung war. Seitdem gibt es nun – außer den weiterhin "zulassungspflichtigen" Handwerken, wie z.B. Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Kraftfahrzeugmechatroniker, Bäcker, Friseure usw. – auch "zulassungsfreie" Handwerksberufe. Hierzu zählen z.B. Gebäudereiniger, Gold- und Silberschmiede, Maßschneider, Fotografen usw. Auf diese Gruppe der zulassungsfreien Unternehmen entfielen 2013 in NRW – bei steigender Tendenz – schon 23% der Handwerksunternehmen. Schließlich gibt es noch "handwerksähnliche Gewerbe". Diese hatten 2013 innerhalb des Handwerks einen Anteil von 19,4%. Zu ihnen gehören z.B. Rohr- und Kanalreiniger, Änderungsschneider, Dekorateure, Teppichreiniger, Kosmetiker, Klavierstimmer usw.
Speziell bei den zulassungsfreien Handwerken und bei den handwerksähnlichen Gewerben haben sich etliche Betriebe in die Handwerksrolle eintragen lassen, die nur aus einer einzigen Person bestehen. Solche Ein-Personen-Unternehmen dominieren sogar in manchen Sparten eindeutig, etwa bei den Fotografen. Die zahlenmäßige Zunahme solcher Ein-Personen-Unternehmen wurde dabei u.a. durch den Wegfall der Meisterpflicht bewirkt. Weitere Gründe, die hierzu beigetragen haben, waren etwa die Arbeitnehmer-Freizügigkeit nach der EU-Osterweiterung, die staatlichen Förderprogramme zur Selbstständigkeit ("Ich-AG"), die Flucht in die Selbstständigkeit bei höherer Arbeitslosigkeit, das Subunternehmertum und die Flexibilisierung der wirtschaftlichen Organisationsstrukturen.
Ein-Personen-Unternehmen gibt es im Landesteil Nordrhein deutlich häufiger als in Westfalen-Lippe. Daher übersteigt die Gesamtzahl der Handwerksunternehmen im Rheinland die der westfälischen um fast 20%. Entsprechend verfügen die Handwerksunternehmen im Rheinland im Durchschnitt auch nur über 8,7 Beschäftigte, diejenigen in Westfalen-Lippe über 10,4.
Bei der Höhe des Jahresumsatzes übertreffen allerdings die Handwerksunternehmen in Westfalen-Lippe diejenigen im Rheinland signifikant: Während für die Handwerksbetriebe in Westfalen-Lippe 2012 insgesamt ein Jahresumsatz von 59,92 Mrd. Euro errechnet wurde, betrug dieser Wert im Rheinland nur 49,64 Mrd. Euro. Umgerechnet auf die einzelne im Handwerk tätige Person macht sich dies ebenfalls bemerkbar. So stand 2012 beispielsweise im Regierungsbezirk Detmold ein Jahresumsatz je Person von 125.202 Euro einem entsprechenden Wert von 89.408 Euro im Regierungsbezirk Düsseldorf gegenüber.
Handwerkskammern
In Westfalen-Lippe werden die Belange des Handwerks durch vier Handwerkskammern vertreten, die ihren Sitz in Münster, Bielefeld, Dortmund und Arnsberg haben. Diese vier Kammerbezirke sind jeweils zuständig für die Kreise bzw. kreisfreien Städte ihrer Region (Abb. 1).
Wenn es z.B. um Fragen der Aus- oder Weiterbildung geht, um Gesellen- oder Meisterprüfungen, um Beratungen zur Unternehmensführung, der Betriebsübernahme bzw. -übergabe, der Existenzgründung, der Handwerksrolle, um Rechtsfragen oder Förderprogramme usw., dann haben die Kammern eine wichtige Funktion. Am Beispiel der Handwerkskammer Münster kann dies verdeutlicht werden: Hier wurden im Jahr 2013 beispielsweise mehr als 25.000 Beratungen durchgeführt, viele davon mehrstündig. Die Zahl der Gesellenprüfungen, die von der Handwerkskammer Münster abgenommen wurden, lag bei über 5.000, die der Meisterprüfungen bei knapp 800. Die Zahl der Vollzeit-Beschäftigten bei der Handwerkskammer Münster betrug 200, hinzu kommen weitere 93 Arbeitskräfte.
Die genannten Zahlen sind bei anderen Handwerkskammern in Westfalen-Lippe zwar niedriger, im Prinzip sind die Aufgaben und Funktionen jedoch vergleichbar.
Räumliche Unterschiede in der Bedeutung und in der Entwicklung des Handwerks
Die Münsterlandkreise sind "Hochburgen" des Handwerks. Etwa 25–30% aller so zial versicherungspflichtig Beschäftigten sind hier im Handwerk tätig, wobei der Kreis Borken mit 30,7% (31.12.2012) an der Spitze aller Kreise und kreisfreien Städte Westfalens steht (Abb. 1). Im Münsterland führen u.a. die positive Wirtschaftsentwicklung auf der Basis sehr vitaler, kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie niedrige Arbeitslosenquoten zu einer regen – vor allem auch privaten – Bautätigkeit, sodass viele Handwerksberufe des Bauhauptgewerbes (z.B. Maurer und Betonbauer, Zimmerer, Dachdecker) und des Ausbaugewerbes (z.B. Klempner, Maler und Lackierer, Installateure und Heizungsbauer) sich hier gute Chancen ausrechnen. Im Bereich der Handwerkskammer Münster gehört etwa ein Drittel aller Lehrlinge zum Ausbaugewerbe, wobei Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie Elektrotechniker für Energie- und Gebäudetechnik besonders häufig vertreten sind. Letzteres ist sicherlich auch im Zusammenhang mit den landes- bzw. bundesweiten Bemühungen zur energetischen Optimierung von Gebäuden zu sehen.
Aber auch Handwerke für den gewerblichen Bedarf oder des Kraftfahrzeuggewerbes können im Münsterland von der Wirtschaftsstruktur profitieren.
Ein besonderes Angebot zur Spitzenqualifikation im Handwerk wurde ebenfalls im Münsterland geschaffen: In der Akademie des Handwerks im Schloss Raesfeld (Kr. Borken) werden Handwerker zu "geprüften Betriebswirten HwO" ausgebildet, der höchsten kaufmännischen Qualifikation im Handwerk.
Die starke Stellung des Handwerks gerade im Münsterland beweisen auch die Steigerungszahlen bei den Beschäftigtenanteilen sowie die Jahresumsätze, die im Handwerk erzielt werden (Abb. 2).
Verhältnismäßig niedrige Quoten der Handwerks-Beschäftigten und sogar z.T. deutliche Rückgänge bei den Beschäftigtenzahlen weisen – im Vergleich zu den Münsterlandkreisen – einerseits die großen Städte, andererseits die traditionell stark durch die Industrie geprägten Kreise Südwestfalens (s. Beitrag Krajewski) sowie Teilregionen in OWL auf.
In den Städten stellen die Verwaltung und der Dienstleistungssektor das Gros der Arbeitsplätze. Dort sind außerdem das Bauhauptgewerbe und das Ausbaugewerbe stark von der schlechten Finanzsituation vieler Kommunen betroffen, durch die manche öffentlichen Aufträge unterbleiben.
In den industriell geprägten Teilregionen sind vor allem die nachgeordneten Handwerke für den gewerblichen Bedarf, z.B. Metallbau-Handwerke, stark von konjunkturellen Entwicklungen abhängig, mit denen es die Industrie zu tun hat. Letzteres betrifft z.B. das Auslandsgeschäft, das empfindlich beeinträchtigt werden kann, etwa durch Unsicherheiten auf den internationalen Märkten, durch die Finanz- oder die Eurokrise usw.
Es kann auch sein, dass das Handwerk von technisch besonders anspruchsvollen Aufträgen der Industrie profitiert. Dies ist beispielsweise im Kreis Gütersloh der Fall, wo die dort ansässigen Global Player (u.a. Bertelsmann, Claas, Miele) entscheidend zu einem besonders hohen Jahresumsatz auch für die im Handwerk tätigen Personen beigetragen haben.
Weiterführende Literatur/Quellen
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IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2015): Unternehmen, tätige Personen und Jahresumsatz im nordrhein-westfälischen Handwerk. Düsseldorf (www.it.nrw.de) |
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Westdeutscher Handwerkskammertag (Hg.) (2014): Handwerk in Nordrhein-Westfalen. Handwerksstatistik 2013/2014. Düsseldorf (www.handwerk-nrw.de) |
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www.handwerk-owl.de |
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www.hbz-bildung.de |
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www.hwk-do.de |
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www.hwk-muenster.de |
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www.hwk-suedwestfalen.de |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Industrieregion_Suedwestfalen |
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www.zih-nrw.de |
Erstveröffentlichung 2016