Umwelterheblichkeitsprüfung der Stadt Hamm

01.01.2007 Nadine Jung

weiterer Autor: Rainer Oligmüller

Inhalt

Planungsanlass und rechtliche Vorgaben

Der wirksame Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt Hamm aus dem Jahre 1979 ist angesichts der realen Stadtentwicklung, geänderter planerischer Rahmenbedingungen und neuer Zielsetzungen für die zukünftige städtebauliche Entwicklung veraltet. Daher wird nach der Neuaufstellung des Regionalplanes durch die Bezirksregierung Arnsberg im Jahre 2004 nun auch der FNP durch die Stadt Hamm neu aufgestellt, wodurch für die kommenden 15 - 20 Jahre auch Eingriffe in Natur und Landschaft vorbereitet werden (Darstellung neuer städtebaulicher Erweiterungsflächen, z.B. für Wohnen und Gewerbe).

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Neuaufstellung des FNP sind die Prüfung und weitestgehende Berücksichtigung der Belange einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Gemäß § 1 Abs. 5 Baugesetzbuch (BauGB) sollen die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodenordnung gewährleisten und dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern sowie die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln.

Gemäß § 1a BauGB sind dabei auch die Belange von Natur und Landschaft in Form einer abwägungsrelevanten Umweltprüfung in die Flächennutzungsplanung zu integrieren. Die Umweltprüfung dient der Prüfung, Ermittlung und Bewertung der Umweltschutzbelange bzw. der Umweltauswirkungen der Planungen und ist grundsätzlich bei der Aufstellung von Bauleitplänen durchzuführen (§ 2 Abs. 4 BauGB). Dabei wird die Umwelt gemäß Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) § 2 Abs. 1 mit folgender schutzgutbezogenen Differenzierung betrachtet: Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.

Zielsetzung und Vorgehensweise

Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung ist eine gesamtstädtische Bewertung der durch die Planungen des neuen FNP ausgelösten zusätzlichen Umweltauswirkungen durchgeführt (Untersuchung und Bewertung von potenziellen Siedlungserweiterungsflächen) und ein darauf aufbauendes Konzept für entsprechende Ausgleichsleistungen erstellt worden (Entwicklung eines Ausgleichsflächen-Zielkonzeptes). Sowohl die Prüfung möglicher Siedlungsentwicklungen aus Umweltsicht (Umwelterheblichkeitsprüfung) als auch die Ableitung entsprechender Kompensationskonzepte erfordern als unverzichtbare Grundlage stadtgebietsübergreifende Darstellungen zu bestehenden Strukturen sowie zu schutzgutbezogenen Leitbildern für die Freiraumentwicklung. Nachfolgend näher erläuterte Bausteine wurden als Arbeitsschritte vollzogen:

Baustein 1: Leitbilder für den Freiraum

Durch Auswertung vorhandener Grundlagendaten wurden für die Stadt Hamm handlungsorientierte Leitbilder für den Freiraum formuliert, die sowohl die stadtgebietstypischen Biotopstruktur-Komplexe und die abiotischen Aspekte Boden, Wasser, Klima/Lufthygiene umfassen als auch Strukturen des Orts- und Landschaftsbildes und die landschaftsbezogene Erholungseignung aufnehmen.

Als Beispiele seien genannt:
Auf Basis der Leitbilder konnten Vorrangbereiche für Natur und Landschaft ausgewiesen (als Grundlage für die ökologische Bewertung neu auszuweisender Siedlungsbereiche) und Defizitbereiche mit landschaftspflegerisch begründetem Handlungsbedarf und Aufwertungs-/Entwicklungspotenzialen (als wesentliche Grundlage für die räumliche Konkretisierung künftiger Kompensationsmaßnahmen) gekennzeichnet werden.

Baustein 2: Bewertung von Flächenpotenzialen

Um Erkenntnisse über die Bebauungseignung und Kriterien für die Auswahl von Entwicklungsflächen zu erlangen, wurden die in Hamm vorhandenen Flächenpotenziale aus Umweltsicht untersucht. Dazu wurden für jede einzelne Potenzialfläche im Sinne eines Steckbriefes die Realnutzung/Biotoptypen und die Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz (Schutzgut Tiere und Pflanzen), für den Ressourcenschutz (Schutzgüter Boden, Wasser, Klima, Luft) und für den Kulturlandschaftsschutz (Schutzgüter Mensch, kulturelles Erbe, Sachgüter, Landschaft) dargestellt und Hinweise zu Planungsrelevanz und Bebauungseignung (Ersteinschätzung) gegeben.

Aus dieser Umwelterheblichkeitsprüfung (UEP) ergaben sich Prioritäten für eine bauliche Entwicklung bezogen auf die einzelnen Stadtbezirke. Die Analyseergebnisse ermöglichen Hinweise für die Auswahl bestimmter Flächen aus Umweltsicht. Aus der betrachteten Gesamtheit der Potenzialflächen werden unter Berücksichtigung der Ergebnisse der UEP und nach Abwägung mit den anderen Belangen der Stadtentwicklung schließlich eine Auswahl vorgenommen und diese zu einem Vorentwurf des neuen Flächennutzungsplanes weiterentwickelt.

Abb. 1: Schematische Ergebnisdarstellung des Ausgleichsflächen-Zielkonzeptes der Stadt Hamm (Quelle: Landschaft + Siedlung, Recklinghausen 2006)

Baustein 3: Ausgleichsflächen-Zielkonzept

Im Zuge der steigenden Siedlungsflächenansprüche an den Freiraum ergibt sich auch die Frage nach der räumlichen Anordnung von Kompensationsflächen. Da der nötige Kompensationsbedarf in der Regel nicht vollständig im unmittelbaren Umfeld des jeweiligen Eingriffsstandortes abgedeckt werden kann, wurde untersucht, ob und in welcher Ausprägung ergiebige Entwicklungsbereiche im Hinblick auf die räumliche Anordnung der erforderlichen Kompensationsmaßnahmen vorhanden sind.

Dazu erfolgte nach Bewertung der zu erwartenden Umweltauswirkungen zunächst eine erste quantitative Abschätzung erforderlicher Kompensationsmaßnahmen. Unter fachlichen Aspekten der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung wurden dabei die Möglichkeiten überprüft, den bezifferten Kompensationsumfang im unmittelbaren Umfeld der Eingriffsgebiete abzudecken, indem allgemeine und vorhabensspezifische Hinweise zu Vermeidung, Minderung und Kompensation gegeben wurden.

Ausgehend vom verbleibenden qualitativen und quantitativen Anspruch wurden landschaftspflegerische Maßnahmen vor dem Hintergrund der Defizit- und Potenzialbereiche sowie der formulierten Leitbilder räumlich und inhaltlich konkretisiert (Ausweisung konkreter Maßnahmenbereiche mit inhaltlicher Schwerpunktbildung). Mit Darstellung von Maßnahmenbündeln einschließlich Bilanzierung wurde ein Entwurfsvorschlag dargelegt, mit dem die konkret in der UEP ermittelten Kompensationsflächenbedarfe deutlich abgedeckt und Maßnahmen den Eingriffsflächen zugeordnet werden konnten. Grundsätzlich sollte dem Prinzip gefolgt werden, Eingriffe primär am Eingriffsort, zumindest aber innerhalb des Stadtbezirkes zu kompensieren. Erst wenn dies nicht möglich sei, sollte auch auf Maßnahmen im übrigen Stadtgebiet zurückgegriffen werden können.

Fazit

Die Umwelterheblichkeitsprüfung und das Ausgleichsflächen-Zielkonzept sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Neuaufstellung eines Flächennutzungsplanes und dienen insbesondere der Vorbereitung der durchzuführenden Umweltprüfung. Denn für diese wird bereits der überwiegende Teil der erforderlichen Informationen geliefert (z.B. Ziele des Umweltschutzes, Bestandsaufnahme und -bewertung, Ausgleichsflächen/ Kompensationskonzept, Alternativenprüfung). Ergänzende Aussagen werden noch im Hinblick auf die Auswirkungsprognose des Gesamt-FNP, das Monitoring (Überwachung erheblicher Um-weltauswirkungen) und verschiedene zu betrachtende Einzelaspekte wie Lärm, Luftschadstoffe, Verkehr, Bevölkerungsentwicklung etc. erforderlich.

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: 2 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007