Elite-Universitäten in Westfalen?

01.01.2007 Detlef Müller-Böling

Kategorie: Bildung, Kultur und Sport

Schlagworte: Westfalen · Bildung · Hochschule

Elite-Universitäten in Westfalen? Mancher mag diese Überschrift mit Erstaunen lesen. Dass eine der Hochschulen der Region sich mit weithin unter diesem Ausdruck verstandenen Einrichtungen wie Harvard, Yale oder Oxford vergleichen können sollte, erscheint jedenfalls auf den ersten Blick etwas vermessen. In der Tat: Von den Universitäten Westfalens hat sicherlich keine einen solchen Ruf, der sie ganz generell und in der Breite zu den besten Hochschulen der Welt zählt. Allerdings sollte man auch nicht unterschätzen, welche Spitzenleistungen in Forschung und Lehre in Westfalen Zuhause sind. Zwar kann sicherlich nicht davon gesprochen werden, dass eine westfälische Universität in allen Bereichen Spitze wäre, aber wenn man ein hinreichend genaues Messinstrument anlegt, kann man doch sehr deutlich sehen, dass in bestimmten Bereichen auch zwischen Ruhr und Weser Höchstleistungen erbracht werden.

Als Messinstrument soll dabei das jährlich aktualisierte vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) für Deutschland, Österreich und die Schweiz erstellte und mit der Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlichte Hochschulranking (www.che-ranking.de) dienen, das objektive und subjektive Indikatoren für eine große Spannweite von Fächern erfasst und das dabei auf den Prinzipien der Mehrdimensionalität, der Studiengangsbezogenheit und der Unterscheidung von Ranggruppen beruht und hierdurch die Scheingenauigkeit fachübergreifender, aggregrierter und einzelplatzbezogener Bewertungen vermeidet. Dabei werden hier die Universitäten Bielefeld, Bochum, Dortmund, Münster, Paderborn, Siegen und Witten/Herdecke berücksichtigt. Wegen ihrer Besonderheiten konnte die FernUniversität in Hagen (s. Beitrag Dapprich) leider nicht einbezogen werden.
Abb. 1: Universitäten und Anzahl ihrer Studierenden in Westfalen (Stand: WS 2005/06) (Quelle: LDS NRW)

Die Universität Siegen etwa wird sicherlich keinen Weltruhm für sich reklamieren. Gut ist sie aber trotzdem, und zwar - das zeigt das aktuelle CHE-Hochschulranking sehr deutlich - in einer ganzen Reihe von Fächern. So sind die Siegener Medienwissenschaftler in vielen Bereichen vorn: Der Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden ist gut, das Lehrangebot überzeugt und auch die Ausstattung ist überdurchschnittlich. Auch Soziologie lässt sich hier gut studieren, und wer als Lehramtsstudierender Englisch studiert, findet in Siegen gute Bedingungen. Nur grüne Punkte und damit überdurchschnittliche Werte weist das Ranking in diesem Studiengang aus. Auch in Technischer Informatik lässt sich in Siegen ein praxisorientiertes Studium mit guter Betreuung betreiben. Und wer hätte gedacht, dass die Siegener Physiker bei der Einwerbung von Drittmitteln außerordentlich erfolgreich sind und bei den pro-Kopf-Werten sogar ihre Kollegen an der TU München oder der Universität Heidelberg übertreffen?

Wie im Siegerland überzeugt die Medienwissenschaft auch an der Universität Paderborn. Auch dort ist die Ausstattung gut und der Kontakt der Studierenden untereinander und mit den Lehrenden überzeugt, auch wenn das Gesamturteil der Studierenden den Studiengang im Mittelfeld zeigt. Anders ist das bei der Wirtschaftsinformatik, die an der "Universität des Informationszeitalters" auch bei diesem Kriterium an der Spitze rangiert. Das ist in der Fachwelt auch bekannt, denn beim 'Professorentipp' empfehlen überdurchschnittlich viele Hochschullehrer den Studiengang und sehen die Paderborner Wirtschaftsinformatiker in der Forschung an der Spitze. Studierende sind auch mit dem Studium für angehende Deutschlehrer überdurchschnittlich zufrieden und sehen sich hier auf ihren späteren Beruf gut vorbereitet. Das ist bei den angehenden Mathelehrern ebenso, und sie können sich zudem darüber freuen, dass auch ihre Lehrenden bei der Einwerbung von Drittmitteln vorne liegen. Studierende mit dem Berufsziel Lehrer finden auch den Studiengang Englisch in Paderborn sehr gut und bei den Drittmitteln pro Wissenschaftler liegt dieses Fach ebenfalls "im grünen Bereich", also an der Spitze. Ähnlich ist es im Maschinenbau, wo die Paderborner sehr erfolgreich Drittmittel einwerben. Das schlägt sich dann auch in vielen Patenten nieder, die hier pro Hochschullehrer angemeldet werden. Schließlich glänzt die Hochschule auch in der Forschung in der Informatik, wo neben den Drittmitteleinnahmen die Zahl der Promotionen hoch ist. Aber nicht nur in der Forschung liegen die Paderborner Informatiker vorn. Positiv ist auch das Urteil der Studierenden über ihren Studiengang. Schließlich sei noch angemerkt, dass die Studierenden im Hochstift auch in Sachen Hochschulsport sehr zufrieden sind.

Ist es in Paderborn die technische Ausstattung, die in vielen Studiengängen besonders gut abschneidet, so finden die Bielefelder Studierenden vor allem ihre Bibliothek überzeugend. Sie erkennen aber auch in anderen Bereichen die Leistungen der ostwestfälischen Reformuniversität an. So wird das Studium der Soziologie von den Studierenden sehr positiv bewertet, und auch die Professorinnen und Professoren des Faches sehen in Bielefeld eine Hochburg ihrer Disziplin: In der Forschung wie auch in der Lehre liegen die Bielefelder an der Spitze. Zumindest bei den Forschungsgeldern pro Wissenschaftler findet das auch auf der Ebene der objektiv messbaren Faktoren Niederschlag. Hier glänzen auch die Bielefelder Anglisten, die Erziehungswissenschaftler und die Historiker, wobei die beiden letzteren auch von ihren Fachkollegen als in Forschung und Lehre besonders gut angesehen werden. Zusätzlich ist das Gesamturteil der Studierenden bei den Erziehungswissenschaftlern und den Historikern spitzenmäßig. Arbeitsmarktbezug und Gesamturteil sind aber auch bei den Bielefelder Psychologen und Biologen überdurchschnittlich günstig. Die Bielefelder Biologen sind zudem bei der Einwerbung von Drittmitteln besonders gut, und sie veröffentlichen viel. Dass man auch ohne hohe Drittmitteleinnahmen viel veröffentlichen und viele Promotionen zu einem erfolgreichen Abschluss bringen kann, zeigen die Chemiker. Promotionen und Drittmitteleinnahmen sind auch bei den Bielefelder Informatikern außerordentlich günstig. Mathematik schließlich lässt sich auch in Bielefeld gut studieren, und man kann sehen, dass die Universität am Teutoburger Wald auch in diesem Fach bei den Drittmitteleinnahmen gut abschneidet.

In Dortmund sind die Journalisten zwar nicht in allen Bereichen führend, beim wichtigen Thema Arbeitsmarktbezug aber haben sie die Nase vorn, und die Studierenden finden ein breites Lehrangebot vor. Wie in Bielefeld, sind auch hier die Soziologen besonders forschungsaktiv, was sich in hohen Drittmitteleinnahmen und einer hohen Zahl von Promotionen niederschlägt. Die Drittmitteleinnahmen sind auch in der Anglistik besonders günstig, und hier ist zudem auch das Studium aus Sicht der Studierenden besonders erfreulich. Immerhin ist die Bibliothek hier das einzige gerankte Kriterium, bei dem die Dortmunder Anglistik nicht an der Spitze liegt. In der Forschung sind die Dortmunder Erziehungswissenschaftler Spitze, wie ihnen das Urteil der Fachkollegen bescheinigt. Und sie können dann auch in der Tat bei den Veröffentlichungen und beim Arbeitsmarktbezug des Studiums punkten. Bei Veröffentlichungen und Promotionen liegen auch die Chemiker dieser Hochschule an der Spitze. Zudem herrscht bei ihnen ein gutes Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden. Hervorragend schneiden schließlich auch die Dortmunder Physiker ab, die außerordentlich positive Studierendenurteile für sich verbuchen können und wo zudem die Studiendauer kurz ist.

Deutschlands erste private Universität, die Universität Witten/Herdecke liegt ebenfalls in Westfalen, und sie zeigt in einigen Bereichen sehr deutlich, wie sich die Lehre als besondere Stärke einer Hochschule entwickeln lässt. Deutlich erkennbar ist dies bei den Zahnmedizinern, die zwar in der Forschung wenig aktiv sind, gleichwohl aber hervorragende Studienbedingungen schaffen. Bei den Wittener Volks- und Betriebswirten ist aber nicht nur die Lehre, sondern auch die Forschung Spitze. Sie werben hohe Drittmittel ein, promovieren und veröffentlichen viel.

An der Ruhr-Universität Bochum ist es der Arbeitsmarktbezug, der bei den Sozialwissenschaftlern spitzenmäßig ist. Im Bereich der Promotionen liegen die Bochumer Mediziner und Historiker weit vorne, und auch die Bochumer Psychologen sind in der Forschung erfolgreich, wie die Drittmitteleinwerbungen und die hohen Veröffentlichungszahlen zeigen. Für die Absolventen der medizinischen Fakultät ist der hohe Praxisbezug ein Pluspunkt und zudem fühlt man sich dort durch die Lehrenden gut betreut.

An Westfalens ältester Universität, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, sind die Wirtschaftsinformatiker und die Betriebswirte besonders gut, und das schlägt sich in nahezu allen Indikatoren nieder, bei der Forschung wie auch bei der Lehre. Auch in diesen Fachwelten - das zeigt der Professorentipp - ist die Reputation entsprechend gut. Ebenso ist es bei der Kommunikationswissenschaft, bei der lediglich die Räume aus Sicht der Studierenden Anlass zur Klage bieten. Etwas schwächer aber immer noch sehr gut bewerten die Studierenden der Volkswirtschaftslehre ihren Studiengang. Die VWL kann zudem bei Promotionen und Veröffentlichungen punkten. Und auch die Münsteraner Juristen sind in Sachen Forschung weithin anerkannt, und die Studierenden urteilen über das Studium in der Domstadt positiv. Bei Drittmitteln und Promotionen schneiden die Politikwissenschaftler gut ab, bei den Promotionen auch die Germanisten. Die Münsteraner Historiker sind zumindest in der Forschung Spitze, auch wenn das Urteil der Professoren über das Studium in Münster günstiger lautet als das der Studierenden. Auch die Münsteraner Mathematiker gelten zumindest in den Augen der Fachkollegen viel. In der Psychologie sind die Studierenden mit dem Studium und der Praxisnähe besonders zufrieden. Spitze sind die Münsteraner Chemiker in den Augen der Fachkollegen, und zwar in Forschung und Lehre. Neben der Reputation stimmen hier zumindest in der Forschung auch die Leistungen, wie eine hohe Drittmitteleinwerbung, hohe Promotionszahlen und hohe Zitationsquoten belegen. In der Lehre überzeugt immerhin die Studiendauer. In der Medizin urteilen die Studierenden günstig, aber auch die Absolventen sehen sich rückblickend durch ihr Studium auf den Arztberuf gut vorbereitet.

Mit Blick auf das Ranking lässt sich also eines sagen: Nicht eine westfälische Universität ist Spitze, sondern alle westfälischen Universitäten weisen in bestimmten Bereichen Spitzenwerte aus.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007