Bundestagswahl 2005 – wie wurde in Nordrhein-Westfalen gewählt?

01.01.2007 Heinz Heineberg

Ein Jahr früher als regulär vorgesehen fand am 18. September 2005 die letzte Bundestagswahl statt. Die vorgezogene Wahl wurde überraschend am Abend der Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 von dem damaligen ersten Vorsitzenden der SPD Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigt. Die Bundestagswahl wurde durch Auflösung des Parlaments (nach Vertrauensfrage des Kanzlers) durch den Bundespräsidenten Horst Köhler ermöglicht.
Abb. 1: Bundestagswahl 2005, Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen (Quellen: www.election.de, Welt am Sonntag)

Zahlreiche Meinungsforschungsinstitute hatten der SPD auf Bundesebene wie auch in ihrem einstigen Stammland Nordrhein-Westfalen für den 18. September eine "Wahlkatastrophe von historischer Dimension" (Die Welt 1.9.2005) vorausgesagt. Das Hamburger Meinungsforschungsinstitut Election.de ging noch zweieinhalb Wochen vor der Wahl davon aus, dass die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen 21 ihrer 45 Wahlkreise verlieren würden, "die sie bei der letzten Bundestagswahl noch direkt erobert hatten" (ebd.; vgl. auch Abb. 1). In Bezug auf die Zweitstimmenberechnung für die Bundestagswahl sagte Election.de voraus, dass "in NRW die CDU 41 Prozent, die SPD 35 Prozent, die Grünen acht, die FDP neun und die Linkspartei sechs Prozent der Wähler für sich gewinnen (würde)"  …  "Mit dieser prognostizierten Wahlkatastrophe würde die SPD in Nordrhein-Westfalen ihre Serie schlechter Ergebnisse fortsetzen, die im Sommer 2004 bei der Europawahl begann, als sie nur noch 25,7 Prozent der Stimmen bekam. Bei der Kommunalwahl drei Monate später erreichte sie nur noch 31,7 Prozent. Die bisher spektakulärste Niederlage bescherte ihr die Landtagswahl am 22. Mai, als sie mit 37,1 Prozent weit hinter der CDU ins Ziel kam und damit nach 39 Jahren ihre Herrschaft an Rhein und Ruhr verlor" (Die Welt 1.9.2005).

Das vorausgesagte "Wahldesaster" der SPD auf Bundesebene und im stimmenreichsten Land Nordrhein-Westfalen blieb am 18. September zwar aus, jedoch verlor die SPD (mit einem Ergebnis von 34,3%) im Bund mit minus 4,2% gegenüber der Bundestagswahl 2002 deutlich an Wählerzuspruch, aber auch die CDU (35,2% der Stimmen) büßte mit minus 3,3% erhebliche Wählerstimmen ein. Die vorgezogene Bundestagswahl brachte durch den Zerfall der Bundesregierung aus SPD und Grünen, durch Bildung einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie die Wahl von Angela Merkel (CDU) zur Bundeskanzlerin, durch Ausscheiden des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder aus dem Parlament etc. ganz beachtliche politische Veränderungen mit sich.

In Nordrhein-Westfalen kam die CDU lediglich auf einen Anteil von 34,4% (bei der Bundestagswahl 2002 waren es noch 35,1%) der Zweitstimmen, für die SPD waren es 40% (2002 43%), für die FDP 10% (9,3%), die Grünen 7,6% (8,9%) und die neue Partei Die Linke 5,2% (2002 erreichte die damalige PDS lediglich 1,2%). Zwischen der Landtagswahl am 22. Mai 2005 und der Bundestagswahl war der CDU-Anteil um 10% geschrumpft, während die SPD sogar um knapp 3% zunahm (Welt am Sonntag 25.9.2005).

Abb. 2: Bundestagswahl 2005, Stimmenanteile Bündnis 90/Die Grünen in Nordrhein-Westfalen (Quelle: www.election.de)

Von dem noch wenige Tage vor der Bundestagswahl nicht erwarteten Aufschwung der SPD profitierte in Nordrhein-Westfalen insbesondere das Ruhrgebiet (Abb. 1). "Die Sozialdemokraten gewannen in ihrer einstigen "Herzkammer" alle Direktmandate, außerdem 49,5 Prozent der Zweitstimmen. Zum Vergleich: Die CDU kam im "Pott" diesmal nur auf 26,7 Prozent" (Welt am Sonntag 25.9.2005).

Die Ergebnisse der für die Bundestagswahl 2005 abgegebenen Zweitstimmen in Abb. 1 zeigen, dass die SPD nicht nur im westfälischen Anteil des Ruhrgebiets ihre Wahlkreise als "stärkste Partei" gehalten hat (z.B. in Gelsenkirchen mit 53,8% der Zweitstimmen), sondern auch in dem münsterländischen Wahlkreis Steinfurt III (41,3%), im Wahlkreis Siegen-Wittgenstein (41,8%) im südlichen Westfalen sowie in vier Wahlkreisen in NO-Westfalen (Minden-Lübbecke I 41%, Herford-Minden-Lübbecke II 40,7%, Bielefeld 39,2% und Lippe I 43,1%); allerdings lagen die Stimmenanteile der SPD in den genannten westfälischen Wahlkreisen jeweils deutlich unter denjenigen der Bundestagswahl 2002. In Westfalen konnte bei der Bundestagswahl 2005 mit der Zweitstimme lediglich ein Wahlkreis, nämlich Münster (35,6%), durch die CDU erobert werden.

Abb. 3: Bundestagswahl 2005, Stimmenanteile der FDP in Nordrhein-Westfalen (Quelle: www.election.de)

Die räumliche Verteilung der Zweitstimmen für die kleineren Parteien Bündnis 90/Die Grünen und die FDP, die beide gegenüber der letzten nordrhein-westfälischen Landtagswahl vom 22.5.2005 deutliche Gewinne erzielen konnten, ist - ähnlich der Landtagswahl - unterschiedlich. Während die Grünen relativ hohe Stimmenanteile in Großstädten, dabei insbesondere in Universitätsstädten wie Münster (15,6% der Zweitstimmen), Bonn (15,5%) oder Aachen (16,6%), aber selbst auch in einer Reihe von Wahlkreisen des Ruhrgebietes erzielen konnten (Abb. 2), sind die Zweitstimmenanteile der FDP zwar auch in großstädtischen Räumen tendenziell größer als in sog. ländlichen Wahlbezirken, dabei allerdings deutlich weniger ausgeprägt in Ruhrgebietsstädten (Abb. 3). Die Stimmenanteile des neuen Wahlbündnisses Die Linken/PDS waren sowohl im Rhein-Ruhr-Gebiet als auch in NO-Westfalen tendenziell etwas höher als etwa in den übrigen, stärker "ländlich" geprägten Wahlkreisen Westfalens.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007