Ehemalige Bürgergärten und klassizistische Gartenhäuser in Arnsberg

12.10.2016 Thomas Vielhaber

Hoch über der Ruhr liegen die ehemaligen Bürgergärten mit ihren beiden vom Klassizismus geprägten Gartenhäusern im Stadtteil Alt Arnsberg. Preußischen Beamten, nach dem Wiener Kongress ab 1816 nach Arnsberg in die Hauptstadt des Herzogtums Westfalen versetzt, dienten sie einst als "grüne Refugien" vor romantischer Waldkulisse. Im Jahr 2005 hat die Stadt die Gartenflächen mit den vom Verfall bedrohten Gartenhäusern erworben und bis 2014 schrittweise denkmalgerecht restauriert. Dieser verborgene Schatz der Stadtgeschichte sollte nicht dem Vergessen anheim gestellt werden. Vielmehr wurde dieser sensible Bereich zwischen gebauter Stadt aus Mittelalter und Klassizismus sowie freier Landschaft über dem Ruhrtal der Bürgerschaft als gemeinschaftliches Refugium übergeben, auch um das Verständnis von Landschaft und Gartenkultur zu Beginn des 19. Jh.s zu wecken.

Abb. 1: Skizze zur Umgestaltung der Bürgergärten aus dem Jahr 2008 (Quelle: Scape Landschafts- architekten)

Mit der Übernahme des Sitzes der Bezirksregierung wurden ab 1816 in kurzer Zeit zahlreiche Beamte nach Arnsberg befohlen, die nun "in der Provinz" ihren Wohnsitz nahmen. Auf nahezu gleichgroßen Parzellen und entlang gerader Baufluchten entstanden bis 1830 im Süden der Altstadt mit finanzieller Unterstützung aus Berlin rd. 100 neue Gebäude im klassizistischen Baustil. Diese weitgehend erhaltenen Gebäude prägen noch heute das Quartier und die Stadt. Die rückwärtig liegenden Gartengrundstücke konnten damals von den Besitzern der Wohngebäude zusätzlich erworben werden. Entsprechend dem Zeitgeschmack waren die Gärten im extensiven landschaftlichen Stil gestaltet, wobei Gartenhäuser die pittoresken Zielpunkte vor der Waldkulisse an der Hangkante bildeten.

Mit der Wiederherstellung der ehemaligen Bürgergärten wurden die ursprünglichen Gestaltungsabsichten mit landschaftlich-gärtnerischen Stilelementen neu interpretiert.

Das beauftragte Landschaftsplanungsbüro überzeugte die Projektbeteiligten, dass hier kein klassischer "Park" entstehen dürfe, sondern die historische Parzellierung der Bürgergärten auch in der Gesamtanlage wieder zum Ausdruck kommen sollte. Im Laufe der Arbeit am Konzept wurde es mehrere Male vereinfacht, verändert und angepasst. Diese Entwicklung entsprach so wohl der örtlichen Situation und der historischen Bedeutung der Gärten, berücksichtigte aber auch die finanziell schwierige Situation der Stadt. Dabei war es ausdrücklicher Wunsch der Stadt, ein mehrstufig umzusetzendes, zurückhaltend angelegtes und finanzierbares Phasenkonzept zu erarbeiten.

Die Stadtverwaltung informierte während des Planungs- und Bauprozesses die Bürgerinnen und Bürger über das Projekt in erster Linie mittels einer entsprechenden Internetpräsenz, die das Gesamtkonzept in allen Details darstellte, über Presseberichte, über Begehungen (z.B. am Tag des offenen Denkmals) und später über offene Baustellenführungen, an denen Hunderte von Menschen teilnahmen.

Nach der Fertigstellung des Projektes definieren die denkmalgerecht instand gesetzten Gartenhäuser mit ihren Prachtstaudenbeeten heute wieder die Zielpunkte der Gartenwege, die von dem das Gelände querenden Hauptweg abzweigen. Die Gärten werden durch freiwachsende Hecken gegliedert, die Sichtbeziehungen zu den ehemaligen Wohnhäusern gestärkt und der "Waldrand" an der Hangkante erhalten. Bei allem wurde auf den vermuteten Charakter der Anlagen besondere Rücksicht genommen: Der Garten entlang des Weges Twiete präsentiert sich offen und repräsentativ, der hintere Garten erhielt eine extensive Gestaltung mit wenigen Wegen, Rasenflächen, Ziersträuchern und Staudenbeeten.

Abb. 2: Blick auf die Garten- häuschen während der Umge- staltung und nach der Fertig- stellung (Fotos: Stadt Arnsberg)

Mit der Öffnung einer lange Zeit gesperrten Fußgängerbrücke über den Mühlengraben konnte die Gartenanlage auch an den Uferweg und damit an den RuhrtalRadweg angeschlossen werden.

Das Projekt konnte nur deshalb erfolgreich umgesetzt werden, weil Drittmittel eingeworben wurden, die den Projektfortschritt in kleinen Schritten sicher stellten. Auch privates Geld und Engagement flossen in die Restaurierung der Gebäude und Gärten. Zum Eröffnungstag spendeten Arnsberger Vereine speziell angefertigte Bänke, die am Hauptweg auf dem Gelände platziert wurden. Seitdem sind die Bürgergärten durch den Verkehrsverein in thematische Stadtführungen eingebunden, das städtische Kulturbüro hat die Gärten als Spielorte für den Kunstsommer entdeckt und der eigens gegründete Förderverein Bürgergärten e.V. (www.buergergaerten.de) erarbeitet jährlich ein Programm mit Aktivitäten in den Gärten und Gartenhäuschen.

Die Bürgergärten in ihrer jetzigen Form prägen den Übergang vom bebauten Bereich in die Landschaft unmittelbar am Altstadtrand und tragen neben ihrem Nutzwert auch zu einem besseren Außenbild der Stadt und des Stadtteils bei. Die Restaurierung der Gärten und Gartenhäuschen führte aber auch dazu, dass in weiten Teilen der Bürgerschaft ein neuer Blick auf die Notwendigkeit zur Erhaltung des baukulturellen Erbes entstand: Es sind nicht nur die großen, spektakulären Elemente der Stadt und auch nicht nur bauliche Elemente, die einer größeren Aufmerksamkeit bedürfen. Auch die versteckten und vergessenen Orte, die wieder herausgearbeitet werden müssen, prägen im Zusammenspiel von Topographie, Landschaft und Gebautem die Stadt ganz erheblich mit.

Gerade in einer Zeit, die durch Diskussionen um die demografischen Veränderungen, die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die Digitalisierung sowie den Klimawandel geprägt ist, ist eine Rückbesinnung auf lokale Identitäten und ein qualitätvolles Lebensumfeld erkennbar. Neben anderen "Standortfaktoren" ist die gebaute Umwelt und ihr Verhältnis zu Freiraum und Grün in der Stadt ausschlaggebend für das Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger. Stadtentwicklung und Stadtplanung können und sollen hier entscheidende Impulse setzen und Aufgaben übernehmen. Es muss dabei im vorrangigen Interesse der Städte liegen, die Qualitäten des Freiraums zurück in die Stadt zu holen, statt die Städte noch weiter in die Landschaft auszuweiten.

Letztlich müssen sich Freiraum- und Grünprojekte auch daran messen lassen, welchen Nutzen sie für Bewohner und Besucher der Stadt aufweisen und welchen Beitrag sie unter den genannten Rahmenbedingungen für den Wohn- und Lebensstandort bringen. Mit der Rückbesinnung auf die (Innen-)Städte müssen auch und besonders die nicht bebauten Räume weiter qualifiziert werden. Qualitätsvolle Freiraumentwicklung und Grüngestaltung im städtischen Bereich ist im Kontext zu den mittlerweile in wohl allen Städten anerkannten Gestaltungsanforderungen an die Stadt- und Platzräume unverzichtbar.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016