Bioprodukte: Organisation und Verteilung in Westfalen

31.08.2016 Lukas Wortmann

Inhalt

Der Gesamtumsatz mit Bioprodukten steigt in Deutschland stetig an. Das gilt für die Absatzzahlen sowohl im Naturkostfachhandel als auch für die in den letzten Jahren angestiegenen Angebote im Bereich konventioneller Supermärkte. Trotz der nicht mehr zweistelligen Raten steigt die Nachfrage nach Bioprodukten weiter – und das nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Hygiene- oder Kosmetikprodukte. Die explosionsartige Ausbreitung von neuen Biomärkten, Bio-Gastronomien und der Auswahl an Bioprodukten im Discounter ist auch in Westfalen kaum zu übersehen. "Bio ist besser, gesünder und umweltverträglicher", so die These der zahlreichen Verbraucher und Verkaufsstellen. Aber wie definiert sich eigentlich Bio? Was ist der Unterschied zwischen den günstigen Biolebensmitteln aus dem Discounter und den teureren im Biomarkt? Und wie ist der "Bio-Lifestyle" in Westfalen eigentlich organisiert?

Wo Bio drauf steht, ist Bio drin

Schon seit 1993 ist der Begriff Bio, genauso wie sein Äquivalent Öko, geschützter Begriff durch die EU-Ökoverordnung. Um es für den Verbraucher noch einfacher zu machen, ist seit 2010 zudem die Anbringung des EU-Bio-Siegels auf einem Bioprodukt Pflicht. Das heißt: Hat man so ein Produkt vor sich, kann man sicher sein, dass die entsprechenden europäischen Verordnungen bei der Herstellung des Produktes eingehalten wurden. Das garantiert im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft nachhaltige Fruchtfolgen, tiergerechtere Haltungsverfahren sowie insbesondere den Verzicht auf genetisch veränderte Organismen. Weiterverarbeitete Produkte können als Bioprodukt ausgezeichnet werden, sofern sie zu mindestens 95% aus ökologisch hergestellten Lebensmitteln bestehen. Die genauen Vorschriften sind geregelt durch die entsprechenden Verordnungen der EU, das Öko-Landbaugesetz (ÖLG), der Kontrollstellen-Zulassungsverordnung und einer Zuständigkeitsverordnung auf Ebene der Länder.

Eine wichtige Rolle für die Glaubwürdigkeit spielt außerdem die Kontrolle der Biobauernhöfe und verarbeitenden Betriebe. Die durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zugelassenen privaten Kontrollstellen prüfen die Betriebe und auch Importe aus Drittländern nach den gesetzlichen Vorgaben und werden wiederum selbst durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) kontrolliert. Jeder Hof, der ökologisch produziert, wird mindestens einmal im Jahr begutachtet und erneuert damit seine Zertifizierung als ökologischer Betrieb.

Aber längst nicht alle Bioprodukte tragen lediglich das EU-Bio-Siegel. Zusätzlich gibt es noch die Zertifizierungen der Öko-Anbauverbände, die eine immer größere Rolle spielen und sich produktionstechnisch deutlich von den herkömmlichen Bioprodukten absetzen. In NRW sind die Verbände "Bioland", "demeter", "Biokreis" und "Naturland" aktiv. Betriebe, die mindestens das EU-Siegel tragen, können sich den strengen Anforderungen der Öko-Anbauverbände stellen; dafür ist eine Gesamtumstellung des Betriebs, also für alle Erzeugnisse, obligatorisch. Das Futter für Nutztiere muss zudem komplett Bio sein und zumeist zu 50% vom eigenen Hof stammen. Die Fläche pro Tier ist größer, und für Produkte sind deutlich weniger Zusatzstoffe erlaubt. Die Verbände haben darüber hinaus noch eigene Anforderungen. Bedeutendster Anbauverband ist Bioland mit 5.906 Betrieben deutschlandweit im Jahr 2015. Seit 1978 trägt er seinen jetzigen Namen und punktet dank strenger Vorgaben und Transparenz mit einer hohen Glaubwürdigkeit unter den Verbrauchern.

Intuitiv wird Bio auch immer mit Regionalität in Verbindung gebracht. Allerdings sind die Bioprodukte im Handel nicht zwangsläufig von regionaler Herkunft. Der Biogedanke entspringt der Nachfrage nach ökologisch produzierten Lebensmitteln von Höfen aus der eigenen Region. Durch den an wachsenden Absatzmarkt, aber der nicht gravierend steigenden Anzahl an Biobetrieben, müssen viele Waren aber aus immer größerer Entfernung importiert werden. Für den Verbraucher, der hauptsächlich aus ökologischen Gründen zu Bioprodukten greift, entsteht so ein Dilemma. Aktuell gibt es keine etablierte Kennzeichnung für regionale Lebensmittel. Einige Label wie das blaue "Regionalfenster" (seit 2014) oder das Gütesiegel "NRW is(s)t gut" (seit 2015) versuchen diese Problematik zu lösen und mehr Transparenz zu garantieren. Allerdings ist die Anbringung freiwillig, und Experten kritisieren die Vielzahl an unterschiedlichen Label und Siegeln, die vor allem für den Endverbraucher mehr Verwirrung als Klarheit stiften würde.

Abb. 1: Vertriebsstätten von Bioprodukten unter der Zertifizierung von Öko-Anbauverbänden in Westfalen (Quelle: BIO NRW 2015)

Öko-Landbau in Deutschland und in Westfalen

Vorreiter im Bereich ökologischer Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2013 sind die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, wo sich über 50% der bundesdeutschen Biobetriebe befinden. Zusammen mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden dort über 50% der ökologisch-landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaftet. Dass diese Bundesländer bei den absoluten Flächen und Betrieben vorne liegen, verwundert nicht, allerdings nehmen sie auch bei dem relativen Verhältnis von Öko-Fläche je Betrieb zu konventioneller Fläche je Betrieb die Spitzenpositionen ein. NRW liegt mit 4,8% ökologisch bewirtschafteter Fläche an der gesamten bewirtschafteten Fläche des Landes unter dem Bundesdurchschnitt von 6,4%. Auch bei dem Anteil der Öko-Betriebe ist NRW mit 5,4% unter dem Bundesdurchschnitt (8,2%) zu finden (BMELV 2015).

Trotz allem wächst der Markt in Westfalen, und es gibt zahlreiche Angebotsformen von der Direktvermarktung über Bio-Bäckereien hin zu den gut sortierten Bio-Supermärkten, deren Sortiment mittlerweile vom Toilettenpapier bis zum Buntstift reicht.

Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Bio-Vertriebsstätten mit Öko-Anbauverbandsprodukten in den Kreisen und kreisfreien Städten Westfalens. Konventionelle Lebensmittelgeschäfte oder Discounter, die Bioprodukte führen, sind hier nicht aufgeführt. Auffällig ist die große Zahl an Vertriebsstätten im Bereich Ostwestfalen (Kr. Gütersloh und Kr. Paderborn) und dem Sauerland. Grund dafür ist vor allem der große Anteil an Biohöfen, welche zumeist ihre Waren unmittelbar über den Direktverkauf auf städtischen Märkten oder ihrem eigenen Grundstück vertreiben. Spezielle Naturkostläden findet man hier nur wenige. Einflussreiche Höfe wie der Bioland Betrieb Kiebitzhof im Kreis Gütersloh (Abb. 2) richten ihre Maßstäbe nicht nur nach der ökologischen Erzeugung von Lebensmitteln, sondern auch nach sozialen Aspekten wie fairen Arbeitsbedingungen oder integrativem Personalmanagement. Anders ist die Situation am Rande des Ruhrgebietes und im Westen Westfalens. Durch eine schwächer ausgeprägte Landwirtschaft sowie einen anderen sozialökonomischen Hintergrund spielen Bioprodukte hier nicht so eine große Rolle.

Durchmischt ist die Situation in den kreisfreien Städten Bielefeld und Dortmund. Die Zahl der Angebote im Verhältnis zur Einwohnerzahl mag zwar nicht sehr hoch sein, aber die zahlreichen und teilweise mit Vollsortiment ausgestatteten Naturkostläden bieten eine deutlich höhere Vertriebsreichweite. Münster sticht mit vielen Vertriebsstätten für Bioprodukte heraus, was sicherlich auf die hohe Anzahl der hier gut Verdienenden und dem ländlich geprägten Umland zurückzuführen ist. Auch die hohe Anzahl an Studierenden könnte Einfluss auf diesen Trend haben, denn nach einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft greifen immer mehr junge Menschen zu Bioprodukten (BMELV 2013).

Abb. 2: Bioland Betrieb Kiebitzhof in Gütersloh (Foto: L. Wortmann)

Trend und Fazit

Das Biogeschäft hat neben seinem ständig wachsenden Absatzmarkt mit einigen Problemen zu kämpfen. So beklagen vor allem in NRW viele Landwirte, dass sich der Umstieg auf Bio für sie nicht lohne. Die kapitalintensive Startbarriere muss zunächst überwunden werden, und das bei steigenden Pachtpreisen und einem geringer werdenden Preisabstand zwischen konventionellen Produkten und Bioprodukten. Dementsprechend wurden 2014 höhere Subventionen aus den EU-Fonds für Neugründungen im Ökolandbaubereich eingeführt, wodurch NRW nun bei der Höhe der Prämien alleine auf Platz eins unter den Bundesländern steht. Zusätzlich muss sich jeder Landwirt entscheiden, ob er nach EU-Richtlinien anbaut oder sich den Anbauverbänden zuwendet. Aufgrund des hohen Preisdrucks muss man sich auf eine der drei Kategorien konventionell, EU-Bio oder Anbauverbands-Bio festlegen, es gibt keine lukrative Zwischenlösung. Der Trend zu regionalen Bioprodukten besteht aber weiterhin, und es wird spannend sein, diese Entwicklung in den kommenden Jahren weiter zu verfolgen – und das nicht nur im eigenen Supermarkt.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2016