Die Quellen in den Baumbergen

01.01.2012 Patricia Göbel

Inhalt

Einleitung

Die Baumberge sind eine ca. 40 km² umfassende Hügellandschaft westlich von Münster (Abb. 1) mit einigen bemerkenswerten Eigenschaften:
Abb. 1: Lage der Quellpunkte in Bezug zur 120 m ü. NN-Höhenlinie und der Untergrenze der Baumberge-Schichten (Quelle: verändert nach Göbel 2010, S. 12)
  • Mit mittleren Höhen von ca. 150–170 m ü. NN (höchster Punkt 187,1 m) stellen sie die höchsten Erhebungen im zentralen Münsterland dar.
  • Aufgrund dieser Höhen stellen die Baumberge eine Niederschlagsbarriere mit vergleichsweise hohen Niederschlagsmengen von jährlich 800–1000 mm (700–800 mm in der Umgebung) dar.
  • Bei den Gesteinsschichten im Untergrund der Baumberge handelt es sich um die letzten Ablagerungen der jüngsten Kreidezeit (höhere Oberkreide) im gesamten Münsterland.
  • Obwohl die Baumberge eine morphologische Erhebung darstellen, bilden die Gesteinsschichten im Untergrund eine schüsselartige Muldenstruktur (sog. Reliefumkehr).
  • Das versickernde Niederschlagswasser sammelt sich zunächst als Grundwasser in der Muldenstruktur und läuft zeitverzögert an zahlreichen Quellen (Überlaufquellen) über.
  • Die Quellen fließen in alle Himmelsrichtungen und speisen die Flüsse Rhein, Ems, Ijssel und Vechte. Somit bilden die Baumberge einen hydrografischen Knoten.
  • Die Baumberge stellen ein nahezu geschlossenes Grundwasserökosystem mit einem Gleichgewicht im Wasserhaushalt zwischen Niederschlag, Grundwasserabfluss an den Quellen und Verdunstung dar (sog. Naturlysimeter).


Im nachfolgenden wird eine aktualisierte zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Untersuchungen in den Baumbergen vorgenommen (vgl. Göbel 2010).

Abb. 2: Schematisches hydrogeologisches Querprofil durch die Baumberge, stark überhöht (Quelle: verändert nach Kähler 2009)

Hydrogeologie

Der Quellreichtum der Baumberge ist auf die einzigartige hydrogeologische Situation zurückzuführen (Abb.2): Die oberen Gesteinsschichten der Baumberge, die sog. Baumberge-Schichten, bestehen aus Sandmergel- und Kalkmergelsteinen, die stark geklüftet und gut wasserdurchlässig sind (Kluftgrundwasserleiter). Das Regenwasser wird von diesen Gesteinen kaum gespeichert, sondern sickert durch die Spalten und Klüfte bis in eine Tiefe von bis zu 75 m unter der Geländeoberfläche (Abb. 3). Dort staut sich das Grundwasser in einem unterirdischen Grundwasserkörper auf den sog. Coesfeld-Schichten auf. Diese Ton- und Kalkmergelsteine sind weniger wasserdurchlässig. Die Muldenstruktur der Schichten stellt eine Schüssel dar, aus der das Grundwasser randlich etwa auf der 120 m ü. NN-Höhenlinie am Hang überläuft. Das Grundwasser tritt an den Überlaufstellen in Sturzquellen, Tümpelquellen und Sicker-/Sumpfquellen zu Tage (Abb. 4).

In den Baumbergen liegen ca. 25 punktförmige Einzelquellen und ca. 20 Quellgebiete mit mehr als 100 Quellaustritten, deren Höhenlage vom Grundwasserstand des Grundwasserkörpers abhängt. Der Grundwasserstand schwankt im Mittelpunkt der Baumberge um 30 m (45–75 m unter Gelände). Die periodisch schüttenden (= intermittierenden) Winterquellen befinden sich auf höheren Lagen am Hang als die perennierend schüttenden Sommerquellen (Wanderquellen).

Abb. 3: In den Spalten und Klüften der oberen Baumberge- Schichten kann das Regenwasser versickern (Foto: P. Göbel)

Hydrochemie

Der Chemismus des Quellwassers in den Baumbergen ist sehr einheitlich. Das Quellwasser weist bei mittleren Wassertemperaturen von +10°C und einer mittleren elektrischen Leitfähigkeit von 750µS/cm einen generell hohen Kalkgehalt (Calcium-Hydrogenkarbonat-Wasser, Karbonatquelle) auf. Geringe räumliche und jahreszeitliche Variationen im Chemismus ergeben sich durch anthropogene (schwankende Nitrat-, Phosphat- und Kalium-Gehalte durch Düngemittel-einträge) und geogene Einflüsse (Lagerung der Gesteinsschichten, Relief, Exposition, Vegetation).

Als eine der Folgeerscheinungen des hohen Kalkgehaltes treten an einigen Quellbächen Kalksinterablagerungen auf. Infolge der Kalklösung in den Gesteinsschichten des Untergrundes werden die Klüfte durch Verkarstung erweitert. Durch Markierungsversuche im Grundwasser lassen sich relativ hohe Abstandsgeschwindigkeiten von bis zu 90 m pro Tag nachweisen (vgl. Gehring 2011).

Ökologie

Die Quellen der Baumberge beheimaten Tiergruppen, die sich an den hohen Kalkgehalt der Quellwässer angepasst haben (u. a. Strudelwürmer). Die Quellen der Baumberge besaßen ursprünglich eine Mischfauna aus Arten der Ebene und der Mittelgebirge (vgl. Beyer 1932); die Baumberge dienten in der Zeit nach der Vergletscherung als Rückzugsgebiet für kaltstenotherme Arten, die bei der stattfindenden Erwärmung in der Ebene keine geeigneten Biotope mehr vorfanden.

Abb. 4: Grundwasseraustritte an Sturzquellen (li.), Tümpelquelle (mi.) und Sickerquelle (re.) (Fotos: Quellenprojekt)

In den letzten Jahrzehnten war die Landschaft in den Baumbergen durch die Intensivierung der Landwirtschaft (Stoffeinträge), dem Klimawandel (verminderte Quellwasserschüttung) und mechanischen Beanspruchungen der Quellstruktur großen Veränderungen unterlegen. An die Stelle der Quellspezialisten sind mehrheitlich quellfremde Bachgeneralisten getreten. Die kaltstenothermen Quellarten treten heute nur noch äußerst selten auf.

Heute ist die Struktur der Quellen in den Baumbergen sehr heterogen und als naturnah oder bedingt naturnah zu bewerten. Nur wenige Quellen erscheinen als stark geschädigt. Die heutigen Lebensgemeinschaften in den Quellen sind überwiegend als quellfremd bzw. sehr quellfremd zu bewerten. Die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften ist abhängig von der Quellschüttung (perennierend oder intermittierend) und vom Substrat (grobe organische Ablagerungen oder kiesige Sohlstruktur); eine Abhängigkeit von der Morphologie der Quelle (Sturz-, Tümpel- oder Sickerquelle) besteht in den Baumbergen generell nicht.

Der Grundwasserkörper stellt ebenfalls einen Lebensraum für Mikroorganismen und Grundwassertiere dar (Grundwasserfauna). Dieser Lebensraum zeichnet sich aus durch Dunkelheit, räumliche Enge, zwar gleichbleibende, aber relativ niedrige Temperatur und geringe Nährstoffkonzentration. In den Baumbergen zeigen erste Untersuchungen Hinweise auf eine aktive, grundwassertypische Bakterienbesiedlung, die sich am Anfang der Nahrungskette befindet. Außerdem finden sich in den Baumbergen echte Grundwassertiere, die eher klein, augenlos und durchsichtig weißlich erscheinen (z. B. Höhlenflohkrebse). Durch zukünftige Untersuchungen soll aufgezeigt werden, inwieweit die Grundwasserfauna mit ihren Abbauaktivitäten die Hydrochemie des Grundwassers beeinflusst oder umgekehrt die anthropogenen Faktoren die Grundwasserfauna beeinflussen.

Alle Quellen in den Baumbergen stellen aufgrund der sehr großen Variation der naturräumlichen und ökologischen Gegebenheiten einen immerwährenden schutzwürdigen Raum dar.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2012