Die Wohnungsmarktsituation 2019 im Vergleich der fünf größten Städte Westfalens

27.02.2020 Peter Wittkampf

Inhalt

Wohnraumknappheit

"Wohnraumnot in Großstädten" – so oder ähnlich lauteten im Juli 2019 Schlagzeilen in vielen regionalen und überregionalen Zeitungen. Sie bezogen sich auf eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (Köln), wonach seit 2016 die Fertigstellung neuer Wohnungen in vielen Städten den tatsächlichen Bedarf nur unzureichend deckte. Für die fünf größten Städte Westfalens ergab die Studie, dass bis 2018 diese Bedarfsdeckung in Dortmund nur zu 59% und in Münster zu 61% erreicht worden sei. Für Bielefeld wurden dagegen 106% Bedarfsdeckung, für Bochum 128% und für Gelsenkirchen 139% angegeben.

Wie stellt sich – über die genannte Studie hinaus – die Wohnungsmarktsituation im Einzelnen dar?

Überall ist in den letzten Jahren der Wohnungsmarkt u.a. durch folgende Faktoren geprägt:

  • Bevölkerungswachstum, insbesondere durch die Zuwanderungen ab 2015,
  • Zunahme des Bevölkerungsanteils der Senioren, wodurch verstärkt auch altersgerechte, barrierefreie Wohnungen begehrt sind,
  • günstiges Zinsniveau für Bauherren – bei steigenden Baukosten, sodass verstärkt Eigenheime und Eigentumswohnungen nachgefragt werden.
Abb. 1: Neubau eines Appartement-Hauses in Münster (Foto: P. Wittkampf 1/2020)

Im Ergebnis bedeutet dies, dass nicht nur insgesamt mehr Wohnungen gebraucht werden, sondern dass auch ganz bestimmte Wohnwünsche überproportional zunehmen. Daraus resultiert mancherorts eine sehr angespannte Wohnungsmarktsituation. Diese wird z.T. durch örtliche Besonderheiten noch weiter verschärft. Am Beispiel der Stadt Münster kann dies besonders deutlich werden:

  • Sowohl die absolute Bevölkerungszunahme als auch die prozentualen Steigerungsraten der Einwohnerzahl übertrafen in Müns­ter in den letzten Jahren die entsprechenden Werte anderer großer westfälischer Städte deutlich.
  • Die Gesamtzahl der Studierenden an den verschiedenen Hochschulen Münsters stieg von 2011 bis 2018 um ca. 20% auf knapp 59.000 an. Da sich gleichzeitig die Zahl der verfügbaren Wohnheimplätze für Studierende verringerte, wurden insbesondere WG-taugliche Wohnungen dringend gesucht.
  • Der Bau neuer Wohnungen konnte mit dem Bedarf nicht Schritt halten. In einer Studie vom Mai 2019 heißt es wörtlich: "Die sich […] verschärfende Wohnungsknappheit zeigt eindeutig, dass in der Stadt Münster in den vergangenen Jahren deutlich zu wenige Wohnungen gebaut wurden" (ISP e.V. 2019, S. 36).

Zu den Gründen, warum zu wenig Wohnungen gebaut wurden, zählt sicherlich die Tatsache, dass die Ausweisung zusätzlichen Baulandes den Bedarf bei weitem nicht deckte.

Auch der Bau speziell von öffentlich geförderten Mietwohnungen hinkt hinter dem Bedarf her (s. Beitrag Fennhoff) – und zwar nicht nur in Münster. In der Stadt Bochum wurden mittels einer Expertenbefragung als stärkste Hemmnisse für den Bau solcher Wohnungen folgende Gründe ermittelt:

  • zu hohe Kosten, vor allem aufgrund bestimmter Vorgaben und
  • Furcht vor Belegungsbindung z.B. bei zugewiesenem Mieterklientel (Stadt Bochum 2019, S. 13).
Tab. 1: Wohnungsmarkt – Vergleich der fünf größten Städten Westfalens (Quellen: IT.NRW, Wohnungsmarktberichte der Städte, LEG-Wohnungsmarktreport NRW 2019; eigene Berechnungen)

Die Höhe der Mietkosten

Wenn das Wohnungsangebot knapp ist, steigt die Höhe der Mieten. In den fünf größten Städten Westfalens war in den letzten zehn Jahren die Steigerung der durchschnittlichen Kaltmieten in Münster ganz besonders deutlich (+34,6%), dicht gefolgt von Dortmund (+34,2%); am geringsten war sie in Gelsenkirchen (+16,6%). Bei einer zusammenfassenden Betrachtung muss man sich darüber im Klaren sein, dass viele Faktoren für die Mietpreise ausschlaggebend sind. So kostet der Quadratmeter bei kleinen Wohnungen deutlich mehr als bei größeren, und in neu errichteten Wohngebäuden zahlt man pro Quadratmeter erheblich mehr Miete als in Altbauten. Wenn also in einer Stadt oder einem Stadtteil in den letzten Jahren viele relativ kleine Wohnungen gebaut wurden, ist dort jetzt das durchschnittliche Mietniveau kräftig angestiegen.

In diesem Zusammenhang sind folgende Fakten bemerkenswert:

  • Die zwischen 2015 und 2018 fertig gestellten Wohnungen – einschließlich derer in Ein- oder Zweifamilienhäusern – haben z.B. in Münster im Durchschnitt nur 2,9 Wohnräume, in Bochum dagegen 4,3 (Tab. 1).
  • In Gelsenkirchen sind 35,5% aller Wohngebäude vor 1948 gebaut worden, in Bochum nur 27,6%.

Und von entscheidender Bedeutung ist natürlich nach wie vor die Lage einer Wohnimmobilie. U.a. führt dies zu einer teilräumlichen Spreizung des Mietniveaus, sodass sich in bestimmten Vierteln einer Stadt die durchschnittlichen Mieten um ca. 3 Euro pro m2 von denen in anderen Vierteln unterscheiden können.

Ungeachtet dieser Besonderheiten lassen sich aber durchaus generelle Aussagen über die durchschnittliche Höhe der Mieten in den fünf größten westfälischen Städten machen. Neben der Tatsache der allgemeinen Preiserhöhung sind dies u.a. folgende Beobachtungen:

  • Bielefeld, Bochum und Dortmund verhalten sich in Bezug auf die Höhe der Kaltmieten relativ ähnlich. Deutlich niedriger ist das durchschnittliche Mietniveau in Gelsenkirchen, deutlich höher in Münster. Auch bei den Kosten für Eigentums-Immobilien gibt es erhebliche Unterschiede.
  • Dortmund hat in Bezug auf die durchschnittliche Höhe der Kaltmieten erheblich zugelegt und 2018 in dieser Hinsicht – im Vergleich zu der Situation 2009 – Bochum überholt.
  • Durch die unterschiedliche Dynamik des Mietpreis-Anstiegs öffnet sich die "Schere" z.B. zwischen Gelsenkirchen und Münster immer stärker.
  • Die Unterschiede zwischen den Durchschnittsmieten im unteren und denen im oberen Marktsegment sind überall größer geworden, wobei diese Entwicklung in Gelsenkirchen vergleichsweise moderat geblieben ist. Die allgemeine Dynamik dieser Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Mieten speziell im oberen Marktsegment jeweils überproportional gestiegen sind (Tab. 1). Bei knapper werdendem Wohnraum sind offenbar die besser situierten Bürger bereit, auch sehr hohe Mietpreise zu zahlen, um in Wohnungen und Wohnlagen ihrer Wahl wohnen zu können.
Tab. 2: Bevölkerungsentwicklung in den fünf größten Städten Westfalens (Quelle: IT.NRW)

Bemühungen um die Schaffung weiteren Wohnraums

Angesichts von Wohnraumknappheit und -verteuerung ergibt sich für die Städte die Notwendigkeit, neue Wohnareale zu planen und weitere Wohnmöglichkeiten zu schaffen. Dies gilt ganz besonders für jene Städte, in denen ein weiterer Bevölkerungsanstieg erwartet wird. Das statistische Landesamt IT.NRW hat im Juli 2019 eine Vorausberechnung veröffentlicht, nach der insbesondere für Münster von 2018 bis 2040 von einem Einwohnerzuwachs von knapp 14% bzw. weiteren fast 44.000 Menschen ausgegangen wird. Für die anderen vier Städte wird entweder eine sehr viel geringere Bevölkerungszunahme (Bielefeld, Dortmund) oder sogar ein Rückgang (Gelsenkirchen, Bochum) prognostiziert (Tab. 2).

In Münster wurde deshalb bereits die Forderung erhoben, einen ganz neuen, zusätzlichen Stadtteil zu planen. Die aktuellen neuen Wohngebiete (z.B. die Konversionsflächen der ehemaligen York- und Oxford-Kasernen sowie die relativ kleinen zusätzlichen Wohngebiete an der Peripherie einiger Vororte) dürften bei weitem nicht ausreichen.

In Bielefeld überlegt man ebenfalls die Realisierung eines neuen Stadtteils, und zwar konkret zwischen dem Campus Nord und Babenhausen. Er soll ca. 10.000 Menschen Wohnraum bieten.

In Bochum plant man für den Wohnbedarf u.a. die Großprojekte im Quartier Ostpark (ca. 1.100 neue Wohneinheiten) oder in Gerthe-West.

In Dortmund werden weitere Wohnquartiere u.a. im "Erdbeerfeld" (Mengede), Hohenbuschei (Brackel), Ida-Carré (Lütgendortmund) sowie auf ehemaligen Werksarealen von Hoesch und Union geschaffen.

Auch Gelsenkirchen plant bzw. realisiert zusätzliche Wohnquartiere, z.B. in Buer-Resse oder im Stadtquartier Graf Bismarck.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2020