Münster und die Eisenbahn – zur Geschichte zweier Vorortbahnhöfe

01.01.2007 Kreft-Kettermann

Kategorie: Verkehr

Schlagworte: Geschichte · Münster · Schienenverkehr · ÖPNV

Inhalt

Abb. 1: Bahnhof Hiltrup Anfang des 20. Jh.s (Quelle: Loeckener)

Der Bahnhof Hiltrup – stummer Zeuge glanzvoller Zeiten

Die Geschichte beginnt am 4. März 1846 mit der Genehmigung des Baus einer 34,7 km langen Eisenbahnlinie zwischen Münster und Hamm. Bereits am 28. Mai 1848 wurde auf dieser ersten Eisenbahnlinie im Raum Münster mit drei Zügen täglich der Betrieb aufgenommen. Die Haltestelle für Hiltrup, Albersloh, Amelsbüren und Wolbeck lag am Grenzweg in der Hohen Ward und hieß "Station Dicke Wief", in Anlehnung an das nahegelegene Gasthaus "Dicke Wieve". Die Haltestelle lag 20 Min. Fußweg vom alten Dorf entfernt, inmitten der Heide, was ein deutlicher Nachteil war. Der einzige Vorteil: Es gab dort Sandgruben, die für die Bahnlinie zusätzliche Einnahmen brachten. Doch die Lage war zu abgelegen, so dass sich der bekannte Reichskonsul a.D. August Schenking dafür einsetzte, die Station näher an den Ort Hiltrup zu verlegen. Er stellte Geld und Grundstück bereit, und zum 1.8.1868 wurde die Personenhaltestelle nach Hiltrup an den heutigen Standort am alten Landweg nach Wolbeck, der heutigen Marktallee, verlegt. Hier erhielt der Bahnhof Hiltrup auch das erste Empfangsgebäude. Der Güterbahnhof für Wagenladungs- und Stückgutverkehr folgte im Oktober 1879.

Mit Zunahme des Personenverkehrs wurde ein neues, größeres Empfangsgebäude notwendig, welches man 1907 einweihte (Abb. 1). Und der Eisenbahnanschluss brachte Wachstumsimpulse! Mit dem neuen Bahnhof und auch dem Kanalbau 1899 wuchs Hiltrup von einer kleinen Landgemeinde zu einem Industrieort. In der Zeit von 1843 bis 1895 verdoppelte sich die Zahl der Wohngebäude auf 136, und die Einwohnerzahl stieg von 656 auf 1013 Bewohner an. Auch war der neue Bahnhof Motor für die frühe Industrialisierung des Ortes: z.B. Glasurit, heute BASF (1903), Kunststein-, Mosaik-, Terrazofabriken (1905), Sodafabrik (1910), Röhrenwerk (1920), Kalksteinwerk (1925).

Hiltrup ist damit der einzige Bahnhof in der heutigen Stadt Münster, an dem sich ein kleines Industriegebiet entwickelt hat.

Abb. 2: Bahnhof Hiltrup heute (Foto: Stadt Münster)
Den Krieg hat der Bahnhof Hiltrup völlig unbeschadet überstanden. Doch dann kam auch für diesen Bahnhof die Phase des Bedeutungsverlustes. Die Bundesbahn verkaufte das Gebäude, weil es zur Verkehrsabwicklung in dem Umfang nicht mehr benötigt wurde. Die Fahrkartenbedienung und Fahrplanauskunft erfolgten zunächst über einen kleinen bahnsteigseitig gelegenen Raum im Stellwerkgebäude. Dann wurden auch diese Dienstleistungen aufgegeben und durch einen Fahrkartenautomaten ersetzt. Die Stadt Münster kaufte das Gebäude und versucht es, soweit möglich zu erhalten (Abb.2). Darüber hinaus werden aus dem Bus-Schiene-Programm und im Kontext des SPNV-Nahverkehrsplanes Münsterland eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehören die Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes, die Errichtung einer überdachten und abschließbaren Fahrradabstellanlage für 62 Räder, die Verknüpfung von Bus und Bahn, die Verbesserung der Fahrgastinformation und die Ausrüstung als Mobilstation.

Dies sind Pläne und Investitionen, die sich lohnen, denn schließlich ist Münster-Hiltrup mit 2300 Ein- und Aussteigern und einem Halb-Stunden-Takt in der Zugbedienung mit Regionalbahn und Regionalexpress der wichtigste Vorortbahnhof Münsters!
Abb. 3: Bahnhof Roxel am Anfang des 20. Jh.s (Quelle: Loeckener)

Roxel – wie Phoenix aus der Asche?

Vom schmucken Ziegelsteinbahnhof über einen Haltepunkt im Reiseverkehr, eine stillgelegte Haltestelle bis hin zu einer Mobilstation der Zukunft, so könnte sich die Lebensgeschichte für den Bahnhof Roxel entwickeln.

Die Geschichte begann mit der Fertigstellung des ersten 19,5 km langen Teilstückes der Eisenbahnnebenstrecke Münster - Havixbeck am 15.10.1907, wo zeitgleich auch mit der Inbetriebnahme des Zugverkehrs der Bahnhof Roxel dem Betrieb übergeben wurde. Die Königliche Eisenbahndirektion Münster richtete den Bahnhof als Dienststelle mit "vollem Spektrum des Absatzes" ein. (Abb. 3). Nur vier Monate später war die Strecke bis Billerbeck fertiggestellt, und dann konnte am 1. Mai 1908 die Gesamtstrecke bis Coesfeld dem Verkehr übergeben werden. Von dort führte sie bereits zwei Jahre später bis nach Empel-Rees an den Niederrhein, und der Aufschwung war vorprogrammiert.

Doch zeichnete sich für den Bahnhof Roxel der Niedergang schon sehr früh ab. Zum 1.10.1954 löste bereits die Bundesbahndirektion Münster die kleine Dienststelle auf und unterstellte sie dem Bahnhof Mecklenbeck. 1967 wurde der Bahnhofsbetrieb ganz eingestellt, und die dort bediensteten Beamten wurden abgezogen. Der Roxeler Bahnhof war nun nur noch ein Haltepunkt im Reiseverkehr. Und auch dieser Status hielt nicht lange an. Mit nur durchschnittlich fünf Ein- und Ausstiegen pro Zug wurde aufgrund dieser geringen Reisendenfrequenz, aber auch unter dem Diktat der Beschleunigung des Zugverkehrs der Halt für Reisezüge zum 23. Mai 1982 aufgehoben. Von nun an rauschte der "Baumberge-Express", wie der Zug im Volksmund genannt wird, an Roxel vorbei. Zum 1. Juni 1984 wurde auch der Tarifpunkt für den Ladungsverkehr geschlossen (Abb. 4).
Abb. 4: Bahnhof Roxel heute (Foto: Stadt Münster)

Doch die Stadt Münster und insbesondere die Bürger und Politiker in Roxel engagieren sich für eine Reaktivierung, haben sie doch lange und intensiv für den Erhalt gekämpft. SPNV-Nahverkehrsplan und Stadtteilrahmenplan eröffnen seit Ende der 1990er Jahre und Anfang 2000 die Perspektiven für eine erneute Zugbedienung. Am 24. Februar 2005 wurden seitens der Stadt in einer Bürgeranhörung die Planungen für den neuen Bahnhaltepunkt vorgestellt. Vorgesehen ist der Bau einer sogenannten Mobilstation, die den Ein- und Umstieg in und auf alle Verkehrsmittel des Umweltverbundes ermöglicht. So sehen die Planungen 34 PKW-Stellplätze und eine verschließbare Fahrradabstellanlage vor. Am 110 Meter langen Bahnsteig können vier Triebwagen halten; eine Bus-Schiene-Verknüpfung ist ebenfalls geplant. Errichtet werden soll der Schienenhaltepunkt südöstlich des Bahnübergangs Pienersallee. Als so genannter DB-Pluspunkt mit Wetterschutzdach soll die Anlage zu einem vollwertigen Haltepunkt werden. Der Zugtakt der Baumbergebahn soll 30 Minuten betragen. Erwartet werden laut Prognosen täglich rund 800 Ein- und Aussteiger im Durchschnitt.

Dies ist eine Rechnung, die aufgehen kann, denn schließlich soll Roxel in den kommenden Jahren deutlich an Wohnbevölkerung gewinnen.

Nach dieser Detailbetrachtung lässt sich in der Rückschau durchgängig feststellen, dass es neben der großen Verkehrspolitik stets das kommunale und insbesondere auch das bürgerschaftliche Engagement ist, das eine besondere Rolle im Werdegang der einzelnen Bahnhöfe spielt. Und so darf man gerade bei sich wieder verändernden verkehrspolitischen Vorzeichen gespannt auf die weitere Zukunft der Vorortbahnhöfe Münsters sein. Droht manchen Vorortbahnhöfen vielleicht wieder der Dornröschenschlaf, und werden andere vielleicht erst gar nicht wachgeküsst?

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007