Strategien beim Schutz der Hochmoore – das Beispiel Venner Moor

01.01.2011 Ludger Steinmann

Die letzten verbliebenen Hochmoore in Westfalen sind Zeugen von natur- und kulturhistorischen Veränderungen. Sie sind in der Fläche nur noch isoliert verteilt und im Gegensatz zu den niedersächsischen Torflagerstätten von geringer Größe (Otto 1995). Dennoch stellen sie aufgrund ihrer Eigenart, Schönheit und als Lebensraum stark gefährdeter Tier- und Pflanzenarten Sonderstandorte in der Kulturlandschaft dar. Um die Reste dieser Hochmoorkomplexe zu erhalten, wurden sie unter Schutz gestellt (s. Beitrag Otto). Dabei blieben der ökologische Zustand des Moores sowie die unterschiedlichen Nutzungen des Standortes und seiner Umgebung jedoch häufig unberücksichtigt. Vielmehr spielten Aspekte des Artenschutzes eine große Rolle. Die abiotische Seite wie Hydrologie, Relief, Stratigraphie sowie Ausprägung und Zersetzungszustand der moorbildenden Torfmoose gerieten hingegen in den Hintergrund. Für einen langfristigen Erhalt ist aber eine Optimierung der Moorstandorte unerlässlich. Am Beispiel des Venner Moores bei Münster wurde der Versuch unternommen, Strategien zur Optimierung der Vernässungssituation des Moorkomplexes zu erarbeiten und die verschiedenen Akteure vor Ort einzubinden (Gueffroy 2000, Steinmann 2009).
Abb. 1: Digitales Geländemodell des Venner Moores (fünffach überhöht) (Quelle: © Geobasisdaten Land NRW, Bonn, 1428/2009, verändert)

Die Entwicklung eines moortypischen Wasserregimes kann nur auf Standorten mit einer Restmächtigkeit an Torf und entsprechenden Zersetzungsgraden, die eine Abdichtung nach unten ermöglichen, gelingen. Daten zur Hydrologie stellen zudem eine wesentliche Grundlage zur Beschreibung und Bewertung der potenziellen Möglichkeiten zur Wiedervernässung von Moorstandorten dar (Eggelsmann 1981). Ohne die Erfassung von Klimakenndaten wie Temperatur, Niederschlag und Verdunstung sowie deren Nachweis und Wirksamkeit im Untersuchungsgebiet lassen sich keine fundierten Konzepte für Vernässungsmaßnahmen entwi­ckeln. Dies gilt umso mehr, wenn es sich wie im Venner Moor um teilweise bewaldete und/oder degenerierte Er­schei­nungsformen von Moorstandorten handelt, wie sie für Westfalen typisch sind. Die "alten" und aufgelassenen Moore ("bäuerliche Torfstiche") sind nicht auf die Folgenutzung "Naturschutz" optimiert.

Neben den hydrologischen Grundlagen ist eine genaue Erfassung der Geländeoberfläche und der Gebietsentwässerung notwendig. In der Praxis werden zur Beschreibung der Gelände- oder Erdoberfläche Lage- und Hö­henkoordinaten über op­tische oder satellitengestützte Messverfahren ermittelt. Im Venner Moor bot sich aufgrund der Größe sowie der bewaldeten und strukturreichen Ausprägung der Teilgebiete neben der Analyse vorhandener Hö­henkarten die Auswertung von Daten aus dem Laserscanning via Flugzeug an. In diesem von der GEObasis.nrw praktizierten Verfahren erhält man dreidimensionale Punktwolken, durch die die Erdoberfläche bzw. die auf ihr befindlichen Objekte in hoher Genauigkeit beschrieben werden. Abb. 1 veranschaulicht die Umsetzung der Laserscanning-Daten in ein dreidimensionales Geländemodell des Venner Moores. Karten und Luftbilder können zusätzlich in das Modell eingearbeitet werden. Bei ähnlichen Fragestellungen können die digitalen Höheninformationen ferner mit satellitengestützten Vermessungen er­gänzt werden, um z. B. besondere Zwangspunkte der Entwässerung oder Bruchkanten in die genaue Geländebeschreibung einfließen zu lassen.

Abb. 2: Simulation eines Wasseranstaus im Venner Moor (Quelle: © Geobasisdaten Land NRW, Bonn,1428/2009)

Die Strategien für eine Optimierung der Vernässung basieren im Wesentlichen auf den Erfahrungen bei der Herrichtung ehemaliger Torfabbauflächen im Land Niedersachsen mit dem Ziel der Wiedervernässung. Im September 2004 wurden in der Schriftenreihe des damaligen NLfB (Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung) "Geofakten" praktische Hinweise zur optimalen Wiedervernässung von Torfabbauflächen von Blankenburg publiziert. Ähnliche Überlegungen wurden im Leitfaden der Hochmoorrenaturierung in Bayern (2002) sowie von Pfadenhauer und Kratz 2001 für das Biotopmanagement von Niedermoorstandorten erarbeitet. Grundsätzlich lassen sich verkürzt folgende Richtlinien formulieren:

  • Rückbehalt einer genügend mächtigen Resttorfauflage (Hochmoortorf),
  • Planieren der Oberfläche, keine geneigte Fläche,
  • größtmöglicher Rückhalt von Niederschlagswasser,
  • Lockerung der oberen 10 cm Bodenschicht, um ein extremes Austrocknen zu verhindern,
  • Bildung von Poldern unterschiedlicher NN-Höhen durch Verwallungen,
  • Poldergrößen sind abhängig von der Wasserspiegeldifferenz zwischen zwei Poldern,
  • Sanddurchragungen bzw. Freilegung des mineralischen Untergrundes können selbst nicht vernässt werden, eine umgebende Verwallung wird empfohlen,
  • Verfüllen von Gräben bzw. Kammerung durch Einbringen von "Torfpfropfen",
  • Bau von Überläufen, um überschüssiges Wasser abzuführen bzw. den Wasserstand innerhalb eines Polders zu regeln.
Abb. 3: Entwicklungsziel im Venner Moor: möglichst viele Flächen mit geringem Wasserstand anstauen (Foto: L. Steinmann)

Für alte zurückgelassene Moorstandorte wie dem Venner Moor können diese Maßnahmen nicht in gleichem Maße umgesetzt werden. Dennoch wird nach Auswertung der Grundlagendaten deutlich, auf welchen Teilflächen Maßnahmen zur Optimierung der Vernässung den größten Erfolg versprechen. Hier sind neben den alten Torfstichen vor allem die lückigen Birkenmischwälder und Moorwaldbereiche zu nennen, die im Jahresverlauf noch stark schwankende Wasserstände aufweisen. In den dichteren Waldgebieten, in denen immer mehr standortfremde Baum- und Straucharten vorkommen, werden Maßnahmen zur Vernässung deutlich schwieriger umzusetzen sein, da die Evapotranspiration dieser Standorte einer dauerhaften Vernässung entgegenwirkt. Hier müssten Maßnahmen zur "Entwaldung" ergriffen werden.

Bei der Analyse der aktuellen Entwässerungssituation des Venner Moores wird klar, dass für eine Optimierung der Vernässung im Gesamtgebiet der ungehinderte Gebietsabfluss unterbunden werden muss. Vernässungsmaßnahmen im Gebiet haben nur dann Erfolg, wenn große Teile dieser Gräben verfüllt bzw. gekammert werden. Weiterhin sollten die bestehenden Torfdämme genutzt und mit Verwallungen aus dem vorhandenen Torf ergänzt werden, um kleinräumige Polder mit einem eigenen Wasserregime zu bilden.

Für die Visualisierung der angestrebten Vernässung in den einzelnen Poldern können dem Digitalen Geländemodell schrittweise Anstauhöhen hinterlegt werden (Abb. 2). Es zeigt sich, dass bei der Umsetzung von Maßnahmen für eine optimierte Vernässung viele Teilgebiete ein hohes Entwicklungspotenzial haben, das Hochmoor lang­fris­tig zu erhalten.

Fazit

Das Venner Moor bietet aufgrund seiner Größe und Ausprägung einen Einblick in einen sehr seltenen Lebensraum in Westfalen. Bedenkt man, dass erste urkundliche Erwähnungen des Torfabbaus bis in das Jahr 1573 zurückgehen, die Siedlungsentwicklung um das Venner Moor etwa um 1250 beginnt, sind die Bemühungen um einen Erhalt dieses Gebietes zugleich Bemühungen um den Erhalt eines Zeugnisses längst vergangener Zeiten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2011