Umsatzsteuerpflichtige Unternehmen in Westfalen: Gesamtsituation, räumliche Schwerpunkte, Entwicklungen

26.05.2021 Peter Wittkampf

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Gewerbe/Industrie

Inhalt

Im Gegensatz zu Behörden, öffentlichen Betrieben oder Haushalten sind umsatzsteuerpflichtige Unternehmen Einheiten mit erwerbswirtschaftlichen Zielen. In Westfalen gab es im Jahr 2019 insgesamt 287.262 solcher Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von über 537 Mrd. Euro.

Abb. 1: Anzahl der Unternehmen im Jahr 2019 sowie deren Entwicklung 2010–2019 in den Kreisen / kreisfreien Städten Westfalens (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Grundsätzliche Merkmale der westfälischen Unternehmenslandschaft

In Westfalen spielt in der Wirtschaft speziell der Mittelstand die weitaus wichtigste Rolle. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) dominieren hier. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung zählt hierzu Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. Euro. Nach einer Untersuchung dieses Instituts aus dem Jahr 2016 gehören in Westfalen mehr als 99% aller Unternehmen zu dieser Kategorie. Viele von ihnen sind in Bezug auf ihre Marktposition von besonderer Bedeutung oder zählen sogar zu den Weltmarktführern. Von letzteren gibt es allein z.B. in Südwestfalen ca. 160 (www.ihk-arnsberg.de; s. Beitrag Krajewski).

Im Jahr 2017 hatten in Westfalen 86,2% aller Betriebe weniger als 10 Beschäftigte. Nur 3,2% der Betriebe wies eine Belegschaft von 50 und mehr Beschäftigten auf (IT.NRW).

Dass auch Unternehmen, die nicht unbedingt viele Tausend Mitarbeiter haben, wirtschaftlich sehr erfolgreich sein können, wird immer wieder speziell auch am Beispiel westfälischer Firmen bestätigt. Das Internetportal "Die deutsche Wirtschaft" etwa erstellt regelmäßig ein Ranking der wichtigsten Mittelständler Deutschlands. In der am 09.11.2020 bzw. am 08.03.2021 veröffentlichten Liste erscheinen unter den deutschen TOP 15 allein neun Unternehmen aus Westfalen (s. Beitrag Wittkampf).

Die Anzahl der Großunternehmen ist dagegen gering. Auf der Liste der Großunternehmen mit den meisten Mitarbeitern finden sich im Land Nordrhein-Westfalen unter den ersten 25 nur fünf aus Westfalen, von denen Bertelsmann (Gütersloh) auf Platz acht das größte ist (www.berufsstart.de).

Die Bedeutung der KMU in Westfalen wird dagegen bereits dadurch deutlich, dass etwa zwei Drittel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hier in einem KMU tätig sind, im Rheinland sind es dagegen nur etwa die Hälfte.

Industrielle Schwerpunkte

Von den KMU-Beschäftigten wiederum arbeiten in Westfalen fast 60% im produzierenden Gewerbe. Dieser Anteil ist deutlich höher als der entsprechende im Rheinland. Im Ruhrgebiet ist dieser Prozentsatz mittlerweile geringer als in den anderen Teilregionen Westfalens. Das "indus­trielle Herz" des Landes Nordrhein-Westfalen schlägt heute vor allem in Südwestfalen, im Münsterland und in Ostwestfalen. In 18 der insgesamt 27 Kreise und kreisfreien Städte Westfalens steht dabei der Maschinenbau an erster oder zweiter Stelle der Branchen mit den höchsten Beschäftigtenzahlen. Die zweitwichtigste Branche ist die Herstellung von Metallerzeugnissen. Danach folgen die Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung (IT.NRW Kommunalprofile; s. Beitrag Wittkampf).

Umsätze

Kleine und mittlere Unternehmen erwirtschaften in den westfälischen Teilregionen außerhalb des Ruhrgebietes fast 50% des Gesamtumsatzes aller Unternehmen. Im Rheinland, wo es sehr viele Großunternehmen gibt, beträgt der KMU-Anteil dagegen nur etwa 30%, ebenso im Ruhrgebiet.

In der Regel resultieren in Westfalen die in den Kreisen erzielten Gesamt-Umsatzsummen aus einer relativ gleichmäßigen Verteilung der Unternehmensgrößen. Sie werden durch dort ansässige Großunternehmen nur dann entscheidend erhöht, wenn in einem Kreis sehr viele solcher Unternehmen ansässig sind. Dies ist z.B. im Kreis Gütersloh der Fall. Dort haben u.a. Bertelsmann und Miele (Gütersloh), Claas (Harsewinkel), Tönnies (Rheda-Wiedenbrück) und das Logistik-Unternehmen Nagel-Group (Versmold) ihren Sitz. Eine derartige Konzentration ist aber eher die Ausnahme. Wenn man also die Schwerpunkte unternehmerischer Präsenz und Entwicklung innerhalb Westfalens erfassen möchte, bietet sich methodisch ein Vergleich auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte an.

Abb. 2: Anzahl der Unternehmen pro 10.000 Einwohner im Jahr 2019 sowie Entwicklung der Gesamt- summe der Jahresumsätze der Unternehmen 2010–2019 in den Kreisen / kreisfreien Städten Westfalens (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Räumliche Schwerpunkte innerhalb Westfalens

Betrachtet man die Gesamtzahl der Unternehmen (Abb. 1), verwundert es nicht, dass diese z.B. in Dortmund, der größten Stadt Westfalens, oder in dem sehr großen Kreis Recklinghausen besonders zahlreich vertreten sind. Eine relativ niedrige Anzahl weisen dagegen Bottrop, Herne und Hamm auf. Man erkennt aber auch die herausgehobene Bedeutung der Münsterlandkreise. Besonders deutlich wird diese, wenn man die Anzahl der Unternehmen pro 10.000 Einwohner betrachtet (Abb. 2). Hierbei erreichen die Kreise Borken (447) und Coesfeld (417) die Plätze eins und drei. Der Hochsauerlandkreis (431), der ebenso viele Einwohner zählt wie die Stadt Gelsenkirchen, belegt den zweiten Platz. Florierende Unternehmen z.B. der Metallindustrie sowie der Elektro- und Kunststoffindustrie, die u.a. als Zulieferer für die Autoindustrie tätig sind, aber auch Tourismusbetriebe finden sich im Hochsauerland.

Vor allem das westliche Münsterland kann definitiv als wirtschaftliche Boom-Region bezeichnet werden. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg beispielsweise im Kreis Borken von 2000 bis 2017 um 69,2%. Zum Vergleich: In NRW insgesamt betrug der Anstieg 50,4%, in Gelsenkirchen 26,0%, in Bochum 27,5%; selbst der ohnehin wirtschaftsstarke Kreis Gütersloh (62,5%) oder sich zuletzt wirtschaftlich stark entwickelnde Kreise wie Paderborn (61,6%) konnten die Wachstumsdynamik des Kreises Borken nicht erreichen (IT.NRW).

Sowohl in Münster als auch in allen Münsterlandkreisen gibt es jeweils mehr als 360 Unternehmen pro 10.000 Einwohner (Abb. 2). Die Quoten liegen damit deutlich höher als z.B. in Bielefeld oder in den Ruhrgebietsstädten. Auch die ostwestfälischen Kreise sind hier sehr stark. "Schlusslichter" sind dagegen Herne und Gelsenkirchen (235 bzw. 238 Unternehmen pro 10.000 Ew.).

Dem Anstieg des BIP entspricht die Entwicklung der Anzahl der Unternehmen. Von 2010 bis 2019 wiesen die Kreise Coesfeld (+9,0%), Steinfurt (+8,3%) und Borken (+7,6%) höchste Steigerungsraten innerhalb Westfalens auf – allerdings hinter dem Kreis Paderborn (+10,1%), der sie in dieser Hinsicht noch übertraf (Abb. 1). Dagegen ging die Anzahl der Unternehmen in dem Zeitraum in einigen altindustrialisierten Teilregionen zurück. Besonders eklatant waren diese Rückgänge im Märkischen Kreis (-6,7%) sowie in den Städten Hagen (-5,9%), Gelsenkirchen (-4,7%) und Bottrop (-4,1%). In Bottrop, wo 2018 die letzte Steinkohlezeche des Ruhrgebietes geschlossen wurde, reduzierte sich von 2010 bis 2019 sogar der Gesamtumsatz der dort ansässigen Unternehmen in erheblichem Maße (Abb. 2). Die deutlichsten Umsatz­anstiege gab es in den Kreisen Unna, Steinfurt, Gütersloh und Borken sowie in der Stadt Dortmund. In Dortmund scheint der Ruhrgebiets-Strukturwandel besonders gut gelungen zu sein. Von den "Wachstumskreisen" Borken, Steinfurt und Gütersloh war bereits die Rede. Außerordentlich hohe Umsatzsteigerungen gab es besonders im Kreis Unna mit den Unternehmenssitzen u.a. des Entsorgungs- und Recycling-Unternehmens REMONDIS (Lünen), des Textildiscounters kik (Bönen) und des Logistikunternehmens Rhenus (Holzwickede).

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2021