Die Entwicklung der Schweinehaltung in (Nordrhein-)Westfalen
Aktuell steht Deutschland nach China und den USA bei der Erzeugung von Schweinefleisch weltweit an vierter Stelle, denn seit 2016 hat Spanien die deutsche Produktion überholt. Während dort die Schweinehaltung in den vergangenen Jahren enorm zunahm, wird hierzulande immer weniger Schweinefleisch produziert.
Die Situation in Zahlen
Analog zur bundesweiten Entwicklung verzeichnet auch Nordrhein-Westfalen drastische Rückgänge – sowohl bei der Gesamtzahl der Schweine als auch bei der Betriebszahl, wie Tabelle 1 für den Zeitraum von 2013 bis 2023 verdeutlicht. Hierbei lässt sich eine unterschiedliche Dynamik feststellen: Im ersten Abschnitt zwischen 2013 und 2016 gab rd. ein Zehntel der schweinehaltenden Betriebe auf, während die Gesamtzahl der Schweine aber lediglich um 2% abnahm. Die durchschnittliche Betriebsgröße wuchs folglich stark an. Diese Zunahme hält bis heute an, sieht man einmal vom Zeitraum 2019–2022 ab, in der nicht zuletzt die Corona-Pandemie bzw. ihre Folgen (u.a. Schließung von Fleischindustriebetrieben, Einbruch des Außenhandels) in NRW für einen drastischen Rückgang der gehaltenen Schweine verantwortlich war.
In der öffentlichen Darstellung steht vor allem die Schweinemast im Fokus. Deren Anteil machte im Mai 2023 mit ca. 2,8 Mio. Tieren knapp die Hälfte des Gesamtbestandes in Nordrhein-Westfalen aus (Tab. 2).
Zeitgleich setzten fast 80% aller Betriebe mit Schweinehaltung hierzulande auf die Schweinemast (IT.NRW 2023). Diese lässt sich allerdings nur betreiben, wenn zuvor eine hinreichende Zahl an Ferkeln aufgezogen wurde. Deren Anzahl ist wiederum abhängig vom Vorhandensein gesunder Zuchtsauen. Ferkel und Zuchtsauen machten 2023 fast ein Drittel aller in NRW gehaltenen Schweine aus (Tab. 2).
Tabelle 3 belegt die dominierende Rolle des westfälischen Landesteils bei der Schweinehaltung in NRW. Grob gesagt, findet die nordrhein-westfälische Schweinehaltung zu rd. 90% in Westfalen statt. Hier wiederum werden im Münsterland mit großem Abstand die meisten Schweine gehalten. Im Mai 2023 waren es insgesamt rd. 3,6 Mio. Tiere (IT.NRW 2023). Das Münsterland zählt damit zu den Regionen mit dem höchsten Schweinebesatz in Deutschland.
Der "Stall der Zukunft" – neue Möglichkeiten der Schweinehaltung
Die konventionelle Schweinemast steht allerdings – wie die Geflügelhaltung auch – immer wieder in der Kritik. Die ökologische Schweinehaltung hat in den vergangenen Jahren zwar zugenommen, fristet aber nach wie vor ein Nischendasein. Ihr Anteil an der gesamtdeutschen Schweinehaltung liegt immer noch bei unter 1% (AöL e.V. 2024, S. 7).
Allerdings scheinen sich im Zusammenhang mit Tierwohl und Tierhaltungskennzeichen im Hinblick auf die zukünftige Schweinehaltung neue Perspektiven zu ergeben. Ein Ansatz für alternative Möglichkeiten einer nachhaltigen und artgerechteren Schweinehaltung könnte in den kommenden Jahren der "Stall der Zukunft" sein. Das vom Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW geförderte Projekt wurde Anfang 2024 von der NRW-Landwirtschaftskammer im Landwirtschaftszentrum Haus Düsse (Bad Sassendorf) vorgestellt. Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Erprobung innovativer Stallbauten. Wichtig sind dabei folgende Punkte:
- Verbesserung des Tierwohls,
- Reduzierung negativer Auswirkungen auf die Umwelt (Geruchsbelästigung, Grundwasserbelastung) sowie
- Steigerung der Verbraucherakzeptanz (vor dem Hintergrund des sinkenden Fleischkonsums).
Zwei unterschiedliche Stall-Prototypen wurden bereits im Vorfeld konzipiert. Sie sollen den Landwirten innovative Ideen für den eigenen Stallbau liefern und dienen auch als Lernobjekte für die Aus- und Weiterbildung (Landwirtschaftskammer NRW 2024).
Für die Schweine würden die neuen Stallsysteme u.a. ein erhöhtes Platzangebot mit strukturierten Funktionsbereichen, Auslauf bzw. Kontakt nach draußen sowie Beschäftigungsmöglichkeiten bedeuten. Je nach Umsetzung könnten so die Haltungsform-Stufen drei bzw. vier (Abb. 1), so die Hoffnung, erreicht werden (ebd.).
Weitere innovative Haltungsformen – Ansätze "von unten"
Das Interesse an innovativen Haltungskonzepten besteht nicht nur auf Seiten der Politik bzw. der Agrarverbände. Vor allem immer mehr jüngere Landwirte versuchen, bei der Schweinehaltung neue Wege zu gehen. Zentraler Bestandteil dabei sind sog. Außenklimareize. Das bedeutet, dass den Tieren nicht nur ein Freilauf nach außen, z.B. durch Schwingtüren, ermöglicht wird, sondern dass sie sich bei jeder frostfreien Wetterlage im Freien aufhalten können. U.a. "Mauern" aus Strohballen und angemessene Überdachungen können dabei vor kälteren Wetterperioden und Regen Schutz bieten.
Ein weiteres Konzept ist der "Aktivstall für Schweine". Landwirte aus Westfalen und dem benachbarten Osnabrücker Land haben sich unter dieser "Marke" zusammengefunden, die auf den strengen Tierwohlkriterien der Haltungsstufe 4 basiert. Die Vorgabe dabei ist eine Schweinehaltung, "... die den Spagat zwischen maximalem Tierwohl, Transparenz, Umweltschutz und einem wirtschaftlichen Betrieb bis zur Ladentheke schafft" (aktivstallfuerschweine.de).
Ein Aktivstall bietet den Schweinen eine vielfältige Beschäftigung sowohl im Innen- als auch Außenbereich (Abb. 2). Die Tiere können dabei entscheiden, wo sie sich aufhalten. Es gibt verschiedene Spielmöglichkeiten, z.B. Wühlmaterialien, Strohbuden und Bälle, daneben bieten etwa Liegekühlbereiche und Wasserbäder an heißen Tagen eine willkommende Abkühlung. Gefüttert wird u.a. mit gentechnikfreiem und zertifiziertem Getreide aus der Region sowie mit Heu aus überwiegend eigenem Anbau (ebd.).
Ausblick
Für die Zukunft wäre ein weiterer Ausbau solcher innovativen Haltungsmethoden innerhalb der konventionellen Landwirtschaft sicherlich begrüßenswert. Aber auch diese Formen der Schweinehaltung sind mit großen finanziellen Investitionen verbunden und haben daher ihren Preis. Entschieden wird die weitere Entwicklung letztlich durch das Verhalten der Verbraucher, die bereit sein müssen, einen entsprechenden Preisanstieg im Gegenzug für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit zu bezahlen.
Es bleibt abzuwarten, ob bzw. inwiefern sich die neuen Konzepte in den kommenden Jahren als tragfähig erweisen. Zu hoffen ist, dass in der "Schweineregion" Westfalen mehr und mehr Ställe ihr Aussehen verändern werden und man zukünftig wieder häufiger Schweine draußen zu Gesicht bekommt.
Weiterführende Literatur/Quellen
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AöL Assoziation ökologischer Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller e.V. (Hg.) (2024): Schweinehaltung im Überblick. (https://www.aoel.org/wp-content/uploads/2024/02/AOEL_Infopapier_Schweinehaltung_21022024.pdf)
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BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Hg.) (2024): Schweinehaltung.
(https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tierhaltung/schweinehaltung) -
IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023): Die Zahl der NRW-Betriebe mit Schweinehaltung ist seit 2013 um 35 Prozent gesunken. (Pressemitteilung vom 13.12.2023)
(https://www.it.nrw/zahl-der-nrw-betriebe-mit-schweinehaltung-gesunken)
(https://www.it.nrw/system/files/media/document/file/390_23.pdf) -
IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2024): Landwirtschaftliche Betriebe mit Haltung von Schweinen nach Kategorien. (https://www.landesdatenbank.nrw.de/ldbnrw//online?operation=table&code=41313-02i&bypass=true&levelindex=0&levelid=1719207501313)
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Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2024): Stall der Zukunft. Ausbildungs- und Demonstrationsställe für Mastschweine.
(https://www.landwirtschaftskammer.de/duesse/tierhaltung/schweine/aktuelles/stall-der-zukunft/index.htm) -
Rohlmann, C., M. Verhaagh und J. Efken (2022): Steckbriefe zur Tierhaltung in Deutschland: Ferkelerzeugung und Schweinemast. Braunschweig (https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065684.pdf)
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https://aktivstallfuerschweine.de
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https://haltungsform.de
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https://www.schweine.net/news/weniger-schweine-in-fast-allen-eu-laendern-mit-aus.html
Erstveröffentlichung 2024