Local Commerce: Online-Marktplätze in Westfalen

19.03.2018 Alexander Kunz

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Einzelhandel · Siegen · Internet

Inhalt

Der stationäre Einzelhandel ist einer der zentralen Akteure des innerstädtischen Lebens und leistet bei der Bereitstellung von Versorgungs- und Freizeitstrukturen einen wichtigen Beitrag für die Kommunalentwicklung. Er ist Wirtschaftsfaktor, bestimmt gleichzeitig aber auch das Image einer Stadt mit (BNUB 2017). Der stationäre Einzelhandel (vor allem in den deutschen Innenstädten) steht jedoch seit Jahren vor enormen Herausforderungen, da der stetig wachsende Onlinehandel zunehmend in Konkurrenz mit den klassischen innerstädtischen Einzelhändlern tritt.

Vorteilhaft für den Onlinehandel gegenüber dem stationären Einzelhandel ist der Verzicht auf Verkaufs- und Lagerkapazitäten sowie Fachpersonal. Letzteres führt zwar zu einer Beratungsqualität, die kein Onlinehändler leisten kann, ist bei der Preisgestaltung im stationären Einzelhandel aber gleichzeitig ein Nachteil (Strecker 2017, S. 40). Für die Kunden ergeben sich beim Onlinehandel dadurch eine Reihe von Vorteilen: Einfache Vergleichbarkeit von Preisen, große Auswahl und die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten sind Beispiele.

Diesen Transformationsprozessen muss begegnet werden, um durch einen funktionierenden Einzelhandel auch die nachhaltige Entwicklung der Stadtzentren zu ermöglichen. Eine Möglichkeit, sich diesen Entwicklungen zu stellen, bietet das Konzept "Local Commerce". Hierunter werden regionale Onlinemarktplätze verstanden, auf denen die lokalen Einzelhändler ihre Waren anbieten können. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Adjektiv "local" und dem Begriff "E-Commerce", der für den Onlinehandel steht, zusammen.

Tab. 1: Umsätze im Einzel- und Onlinehandel in NRW 2010–2015 (Quelle: Ver.di 2016)

Einzelhandelsentwicklung

Betrachtet man zunächst die Entwicklungstrends des Handels in Deutschland, lässt sich feststellen, dass die Umsätze im Einzelhandel in den vergangenen Jahren wuchsen. So erhöhte sich der Einzelhandelsumsatz im Jahr 2015 real um 2,8%, und von Januar bis August 2016 setzte der deutsche Einzelhandel preisbereinigt 2,2% mehr um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Dabei lagen die Umsatzsteigerungen der Internet- und Versandhändler in der Regel deutlich über der Wachstumsrate des Einzelhandels insgesamt. Im Jahr 2010 lag der Anteil des Onlinehandels am gesamten Umsatz des Einzelhandels noch bei etwa 6%, 2015 bereits bei 10%. Dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen. Prognosen zeigen, dass bis 2020 der Onlineumsatz 15% des gesamten Einzelhandelsumsatzes ausmachen könnte, was einem Marktvolumen von über 73 Mrd. Euro entspräche. Noch deutlicher zeigt sich die Entwicklung des Onlinehandels im Non-Food-Bereich, dort lagen die Anteile am gesamten Handel 2013 bei 18% und 2015 bereits bei 20% (Rumscheidt 2016, S. 51).

Betrachtet man die Entwicklung der Umsatzzahlen des Einzelhandels in NRW, zeigt sich ein ähnliches Bild. Hier stiegen die Einzelhandelsumsätze zwischen 2010 und 2015 deutlich (Tab. 1). So wuchs der gesamte Einzelhandel in fünf Jahren um 11%, der Onlinehandel zeigt jedoch ein Plus von 74% (ver.di 2016).

Der Onlinehandel weist exorbitante Wachstumszahlen auf. Dabei ist hervorzuheben, dass dieses Wachstum in allen Warengruppen stattfindet, wenngleich es feine Unterschiede gibt. So weisen die typischen Versandhandel-Artikel, also die Bereiche Bekleidung und Elektronik, die höchsten Anteile auf. Jedoch zeigt sich, dass auch Branchen wachsen, die typischerweise nicht zu den klassischen Gütern gehören, die online eingekauft werden. Ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum weisen die Warengruppen der Körperpflege und Kosmetik, Lebensmittel und Delikatessen, Möbel, Wohnleuchten sowie die Segmente Heimwerken und Garten auf (HDE 2017).

Abb. 1: Online-Marktplätze in Westfalen (Quelle: www.localcommerce.info)

Local Commerce in Westfalen

Wie an der Entwicklung der Umsatzzahlen zu sehen ist, geraten der stationäre Einzelhandel und damit auch die Innenstädte unter Druck. Um dauerhaft konkurrenzfähig zu bleiben, werden Strategien benötigt, die das Einkaufen bei örtlichen Einzelhändlern wieder attraktiver machen. Ein möglicher Lösungsansatz ist es, den stationären Einzelhandel mit den Annehmlichkeiten des Onlineshoppings zu ergänzen. Angesichts des anhaltenden Erfolgs des Onlinehandels rücken lokale Online-Marktplätze in den Fokus von Händlergemeinschaften, Standortinitiativen und örtlichen Wirtschaftsförderungen.

Lokale Online-Marktplätze wollen eine Weiterentwicklung der großen überregionalen Marktplätze (z.B. Amazon, Ebay etc.) sein und fokussieren sich auf die örtliche Konsumkundschaft. Ziel ist es, Waren nicht nur zusätzlich auch online anzubieten, sondern durch die Verbindung mit dem Ladenlokal die Kunden zu animieren, in die Innenstädte zu kommen. Um dies zu erreichen, steht beim Local Commerce die Information über das lokale Angebot im Vordergrund (Beckmann & Hangebruch 2016, S. 8f.). Zusätzlich bieten sie Händlern einen Einstieg in das vielversprechende Online-Geschäft, da sich die Kosten auf mehrere Händler verteilen und somit das Risiko für den Einzelnen vermindert wird (ebd., S. 9.).

Die Online-Marktplätze unterscheiden sich in ihrer Ausrichtung z.T. enorm. So gibt es zum einen Marktplätze, die auf den Plattformen der bekannten Global Player wie Amazon und Ebay zu finden sind, zum anderen lassen sich auch eigens gegründete Plattformen identifizieren (für die nachstehenden Ausführungen werden lediglich unabhängige Online-Marktplätze betrachtet). Ebenso vielfältig sind die Organisationsformen. Manche entstehen aus Initiativen lokaler Einzelhändler, andere werden innerhalb einer kommunalen Digitalisierungsstrategie gegründet. Auch gibt es Projekte, die von der Wirtschaftsförderung  oder der Stadtmarketinggesellschaft ins Leben gerufen werden. Diese lokalen Online-Marktplätze sind im Gegensatz zu den marktführenden überregionalen Mitbewerbern weniger bekannt, dennoch erfreuen sie sich steigender Beliebtheit. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, konnten für NRW insgesamt 23 solcher Marktplätze identifiziert werden, von denen neun in Westfalen verortet sind (Abb. 1). Dabei handelt es sich sowohl um schon bestehende Angebote (Bochumer Originale, Attendorner Webkaufhaus, RN Shopping, Digitales Minden, Hofladen Sauerland (Arnsberg) und Lokaso Siegen) als auch Initiativen, die sich in der Planung bzw. Entstehung befinden (Digitalisierung Ibbenbüren, Der di do Dortmund, Digitaler Erlebnisführer Lippstadt) (www.localcommerce.info).

Das "Lokaso Siegen"

Ein Beispiel für einen solchen regionalen Online-Marktplatz ist das "Lokaso Siegen". Es ist ein regionales Webkaufhaus, das den örtlichen Einzelhändlern aus Siegen (und den Städten in einer Entfernung von ca. 20 Min. um den Stadtkern) die Möglichkeit bietet, ihre Produkte online zu bewerben und zu verkaufen. Dadurch soll die Reichweite der lokalen Einzelhändler erhöht werden. Das Konzept funktioniert so: Das Lokaso liefert die online bestellte Ware kostenlos zum Konsumenten nach Hause. Die Preise gelten wie im Ladengeschäft auch. Nach der Bestellung werden die Waren (innerhalb von zwei Zeitfenstern) noch am selben Tag geliefert (https://siegen.lokaso.de/service/ueber-lokaso).

Das Lokaso ist ein gemeinsames Projekt der Stadt Siegen, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und der eigens gegründeten Lokaso GmbH, die auf Initiative der Bürgermeister der Region und der IHK entstand (Strecker 2017, S. 40).

Bei der Entwicklung des Projektes stand die Regionalität stets im Vordergrund. So werden durch die Verkäufe nicht nur die örtlichen Einzelhändler gestärkt, zusätzlich unterstützen die Kunden auch soziale Projekte in der Region, indem ein kleiner Teil des Umsatzes in diese Projekte fließt (ebd., S. 41).

Das Webkaufhaus ist seit September 2016 online und entwickelte sich seither positiv. Es sind 37 Händler auf dem Marktplatz vertreten (Stand: Januar 2018), die über 14.000 Produkte anbieten (ohne Bücher) (www.localcommerce.info). Das Projekt bleibt jedoch finanziell hinter seinen Erwartungen zurück. Mit einem täglichen Umsatz von rd. 1.000 Euro generiert es bislang nur ein Drittel des erwarteten Betrages und lediglich ein halbes Prozent des gesamten Onlineumsatzes im Siegerland. Das Projekt ist finanziell betrachtet also noch nicht rentabel. Dennoch sehen die Einzelhändler den Mehrwert für die Region: Online ausgegebenes Geld bleibt in der Region, immobile Personen können lokal einkaufen und potenzielle Kunden werden in die Ladenlokale gelockt (Strecker 2017, S. 41).

Zusammenfassung

Local Commerce bietet einen Ansatzpunkt, um den lokalen Einzelhandel konkurrenzfähig zu machen. Dazu schließen sich Einzelhändler zu regionalen Online-Marktplätzen zusammen. Diese sind, wie am Beispiel des Lokaso Siegen zu sehen ist, derzeit noch ein finanzielles Nullsummenspiel, bieten darüber hinaus aber viele Vorteile und eröffnen Potenziale für den lokalen Einzelhandel und somit auch für die Stadtzentrenentwicklung.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2018