Dörfer im Aufwind – ein Vorrangprojekt der LEADER-Region ''Hochsauerland''

01.01.2013 Meinolf Rohleder

In vielen kleineren Orten in den ländlichen Regionen Westfalens wird der demographische Wandel deutlich sichtbar: Als Folge rückläufiger Bevölkerungszahlen, beispielsweise in den Grenzgebieten westfälischer Kreise zu Niedersachsen und Hessen durch sinkende Geburtenzahlen und der Abwanderungen vor allem der jüngeren Jahrgänge nach der Beendigung der Schulzeit, kommt es zu Gebäudeleerständen im Wohn- und Geschäftsbereich. Das hat Folgen für die Infrastruktur im weitesten Sinne und bedeutet einen Attraktivitätsverlust sowie eine Aufweichung des sozialen Zusammenhalts in den Dörfern.

Tab. 1: Die sechs Ortsteile des Modellvorhabens ''Dörfer im Aufwind'' (Quellen: Internetauftritte der beteiligten Städte; Mirbach, H./A. Otto 1999)

Insofern ist es nur konsequent, wenn sich Gemeinden und kleine Städte im ländlichen Raum im Rahmen des LEADER-Programms der Europäischen Union (s. Beitrag Rohleder) auf den Weg machen, eigene Entwicklungsstrategien zur Sicherung der Dörfer als Wohn- und Arbeitsstandort zu entwerfen. Zugleich ermöglicht die LEADER-Förderung, das soziale Miteinander in der Region zu stärken. Dieses basiert im Allgemeinen auf einer über viele Jahre gewachsenen Tradition in Vereinen, Kirchengemeinden oder anderen vorhandenen sozialen Einrichtungen.

Die LEADER-Region "Hochsauerland", bestehend aus den sechs Städten des Altkreises Brilon, stellte insbesondere die Dorfentwicklung in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten und entwickelte daraus ein herausragendes Modellvorhaben: "Dörfer im Aufwind".

Kasten 1: Dorfentwicklung als Teil des NRW-Programms ''Ländlicher Raum 2007–2013''

Im Rahmen eines Wettbewerbs im Jahr 2010 wurden die sechs "Modelldörfer" – je ein Ortsteil pro Stadt der Region Hochsauerland – aus insgesamt 23 Bewerbungen ausgewählt (Tab. 1 u. Abb. 3).

In dem Wettbewerb ging es im Kern darum, die jeweiligen Handlungsbedarfe in den Dörfern zu identifizieren und im Anschluss daran Ideen und Konzepte zu entwickeln, um diese Probleme zielorientiert zu beseitigen.

Im LEADER-Prozess sollten die ausgewählten Dörfer Unterstützung erhalten bei der innerörtlichen Entwicklung, der strukturellen Verbesserung der Ortskerne, der Attraktivität und damit insgesamt der Verbesserung der Lebensqualität. Im Fokus dabei standen insbesondere die Jugend und die Jahrgänge unter 40. Ziel ist es, die jüngere Generation wieder vermehrt im Dorf zu halten.

Konzeptionelle Überlegungen und die praktischen Erfahrungen, die in den Modelldörfern gesammelt werden, sollen möglichst auf andere Dörfer übertragbar sein. Dies geschah in einem ersten Schritt in einer gemeinsamen "großen Zukunftswerkstatt" unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Siegen (Fakultät II, Department Architektur). Eine Grundlage dafür waren die vom Hochsauerlandkreis für alle Orte hergestellten Leerstandskarten, in denen aufgegebene Geschäfte, Betriebe und Höfe verzeichnet sind.

Abb. 1: Braunshausen, das kleinste der sechs Modelldörfer, unmittelbar an der westfälisch/hessischen Grenze (Foto: Stadt Hallenberg)

In den dann folgenden "Dorfwerkstätten" wurden auf der Basis der gesammelten Daten und Informationen zusammen mit den Bewohnern in den einzelnen Dörfern Dorfentwicklungskonzepte erarbeitet. Zum gegenseitigen und unterstützenden Austausch traf man sich regelmäßig abwechselnd in den sechs Dörfern.

Hintergrund war dabei für alle Dörfer die demographische Entwicklung, die durch Abwanderung, Überalterung und Geburtenrückgang spätestens seit dem Jahr 2000 gekennzeichnet ist. Zu Beginn dieser gezielten Einbeziehung der Bevölkerung standen die Sensibilisierung für das Thema "Demographischer Wandel" im Mittelpunkt sowie das Einräumen neuer Möglichkeiten, das dörfliche Lebensumfeld in aktiver Weise mitzugestalten. Vor allem die Steigerung der Attraktivität der Ortskerne war dabei eine der vorrangigen Zielsetzungen. Folgende Projektvorhaben wurden in den sechs Modelldörfern formuliert und sind teilweise bereits realisiert:

Abb. 2: Nicht mehr betriebener Hof in der Dorfmitte von Niedersfeld (Winterberg) (Quelle: Dorfgemeinschaft Niedersfeld e. V.)
  • Brilon-Wald: Künftige Nutzung einer großen industriellen Chemiebrachfläche und Sanierung des anliegenden Bahnhofes (s. Beitrag Rohleder)
  • Braunshausen: Herstellung der Barrierefreiheit für das bereits vorhandene Dorfgemeinschaftshaus
  • Meerhof: Umbau einer leerstehenden Schule im Ortskern mit erheblicher Eigenleistung der Bevölkerung zu einem Dorfgemeinschaftshaus
  • Niedersfeld: Umgestaltung der Ortsmitte um die Kirche unter Einbeziehung eines nicht mehr genutzten landwirtschaftlichen Anwesens (Abb. 2)
  • Oberschledorn: Einrichtung eines Kunstmuseums (einschließlich eines bisher im Dorf nicht vorhandenen Cafés) für den Künstler und Kirchenmaler Bergenthal
  • Wiemeringhausen: Einrichtung eines thematisch konzipierten Rad- und Wanderweges "Nutzung der Wasserkraft zur Stromgewinnung" anhand von 11 Stationen
Abb. 3: LEADER-Regionen im westfälisch-hessischen Grenzgebiet 2007–2013 und Modelldörfer der Region Hochsauerland (Quellen: Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlicher Raum und Verbraucherschutz 2007; Auskünfte der Geschäftsstelle der LEADER-Region Hochsauerland)

Alle Dörfer haben die Chance genutzt, auf Grundlage der Stärken/Schwächen-Analysen alternative Möglichkeiten einer zukünftigen dörflichen Entwicklung nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern im Rahmen ihrer sehr unterschiedlichen Kräfte sich für die Umsetzung einzelner Projekte aktiv einzusetzen und diese dann auch zum Wohle Aller im Dorf und der Region praktisch zu gestalten.

Vor dem Hintergrund eines oftmals beklagten fehlenden Bürgersinns und mangelnden Engagements für die Gesellschaft setzten die Einwohner ein positives Zeichen dagegen.

Wenn die Bürger mit ihren Ideen ernst genommen werden, kann die Entwicklung in Form von Projektvorhaben – zwar mit langem Atem– auch in den eher peripher gelegenen ländlichen Regionen stattfinden; fürwahr: "Dörfer – modellhaft – im Aufwind".

Zu wünschen wäre, dass weitere Vorhaben über das Ende der LEADER-Periode hinaus – etwa im Rahmen der kommenden REGIONALE 2013 in Südwestfalen (s. Beitrag Grothues) – in Gang gesetzt werden könnten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013