Das Steinkohlekraftwerk Gelsenkirchen-Scholven
Das größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands, eines der größten in Europa, steht in Scholven, dem nördlichsten Stadtteil Gelsenkirchens. Es wird vom Unternehmen E.ON betrieben und erzeugt mit den vier Blöcken B, C, D und E jeweils 345 Megawatt (MW) und dem Block F sogar 676 MW Strom. Wenn man das Fernwärmekraftwerk Buer mit einer Leistung von 138 MW mitrechnet, liefert der Kraftwerksstandort Scholven insgesamt knapp 2.200 MW. Dies entsprach im Jahre 2010 etwa 3% des in ganz Deutschland erzeugten Stroms. Ungefähr 3 Mio. Haushalte können hiermit versorgt werden. Das Kraftwerk Scholven erzeugt Strom vor allem für die Grund- und Mittellast. 400 Arbeitskräfte sind dort beschäftigt.
Geschichte
Zu Beginn des 20. Jh.s setzte sich die preußische Regierung das Ziel, im Ruhrgebiet eigene Steinkohlebergwerke zu betreiben. Deshalb entstanden ab 1905 u.a. neue Staatszechen in Gelsenkirchen-Scholven, in Zweckel (Gladbeck) und Westerholt (Stadtgrenze Gelsenkirchen-Herten). Mit dem Abteufen der Schachtanlage Scholven wurde 1908 begonnen. Von Anfang an sollte nicht nur Kohle gefördert, sondern auch Strom erzeugt werden, um den Grubenbetrieb abzusichern. Ein "Turbogenerator" mit 240 Kilowatt (kW) war ab 1912 in Scholven in Betrieb. Er belieferte schon früh auch die rasch wachsende Siedlung Scholven mit elektrischem Strom. Parallel zum Ausbau der Bergwerksanlagen, die bald um eine Kokerei und ein Hydrierwerk zur Kohleverflüssigung (später: Scholven-Chemie, heute BP Gelsenkirchen) ergänzt wurden, wurde auch die Stromerzeugung weiter ausgebaut. So war im Jahre 1936 ein Großkraftwerk entstanden, das die Zeche, die Kokerei und den Chemiebetrieb u.a. mit Strom und Dampf versorgte und von den erzeugten 1,9 Mio. Kilowattstunden (kWh) auch einen Teil in das öffentliche Stromnetz einspeisen konnte. Stolz konnte man 1936 auf den mit 150 m damals höchsten Schornstein Europas verweisen.
Nach Kriegszerstörungen und Wiederaufbau entstanden um 1970 vier zusätzliche, neue Kraftwerksblöcke, die Blöcke B bis E (Inbetriebnahme: 1968–1971) mit jeweils 345 MW Nennleistung. 1979 ging schließlich noch ein weiterer, besonders großer Block F (676 MW) ans Netz. Als erster Kraftwerksblock in Nordrhein-Westfalen verfügte dieser bereits über eine Rauchgasentschwefelungsanlage.
Als man noch dachte, auch Öl sei eine preiswerte und reichlich verfügbare Energiequelle auch für Kraftwerke, baute man zu Anfang der 1970er Jahre noch zwei zusätzliche Ölblöcke, die dann 1974 und 1975 den Probebetrieb aufnahmen. Der Ölpreisschock, durch den sich von Oktober 1973 bis Ende 1974 der Ölpreis vervierfachte, verhinderte eine systematische Stromerzeugung in diesen Blöcken G und H, sodass sie schließlich 2001 bzw. 2003 stillgelegt und 2008/09 abgerissen wurden.
Der alte Kohle-Block A lieferte noch bis 1980 Strom.
Nachdem das Unternehmen VEBA (1929 als staatlich-preußische "Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG" gegründet) bis zur Auflösung im Jahre 2000 Betreiberin der Scholvener Anlagen war, gehört das Kraftwerk nun zum Unternehmen E.ON.
Standort und Rohstoffe
Im Zuge der Kohlekrise, bei der die meisten deutschen Steinkohlebergwerke in den 1960er Jahren und um 1970 schließen mussten, wurde auch das Bergwerk Scholven 1963 stillgelegt. Vom Steinkohlebergbau am Standort Scholven bzw. in seiner direkten Umgebung zeugt heute noch z.B. die Halde Oberscholven, eine Bergehalde direkt neben dem Kraftwerk Scholven. Diese Halde erhebt sich etwa 140 m hoch über das Niveau der Umgebung. Sie ist inzwischen begrünt und trägt u.a. Windkraftanlagen.
Wurde ursprünglich die im Kraftwerk verfeuerte Kohle aus der direkten Nachbarschaft bezogen, muss sie heute, da im Ruhrgebiet nur noch an sehr wenigen Stellen Kohle gefördert wird und der Standort Scholven nicht über einen Kanalanschluss verfügt, per Eisenbahn angeliefert werden (Abb. 2): ein klarer Standortnachteil gegenüber anderen Kraftwerksstandorten, die z.B. an Kanälen liegen.
Etwa 20.000 Tonnen Steinkohle werden pro Tag verfeuert. Sie werden in über 300 Eisenbahnwaggons angeliefert.
Die benötigte Steinkohle bezieht das Kraftwerk Scholven gut zur Hälfte aus heimischen Bergwerken, insbesondere aus "Auguste Victoria" in Marl und "Prosper Haniel" in Bottrop. Die übrigen Mengen kommen vor allem aus Südafrika und Südamerika. Diese überseeische Kohle wird von Rotterdam aus per Binnenschiff nach Duisburg gebracht, von dort aus per Bahnwaggons der "Zechen- und Hafenbahn" nach Scholven gefahren (Abb. 3). Selbst nach diesem langen Transportweg ist die Kohle z.B. aus Südafrika mit etwa 60 € pro Tonne noch erheblich billiger als die heimische Kohle, für die man etwa 140 € bezahlen müsste. Nur durch die – 2018 auslaufende – Kohlesubvention kann überhaupt deutsche Steinkohle verwendet werden.
Im Kraftwerk wird durch die Verbrennung der Kohle Wasser erhitzt, der erzeugte Dampf treibt Turbinen an. Ein Teil des Dampfes wird in den Kühltürmen wieder zu Wasser, das dann wieder gebraucht werden kann. Ein anderer Teil des Wassers entweicht aber auch als Wasserdampf in die Atmosphäre, sodass das Kraftwerk Scholven fortlaufend rund 3.000 m3 Wasser pro Stunde verbraucht und neu bezieht. Es wird vor allem aus dem Blauen See in Dorsten und dem Halterner Stausee entnommen (Abb. 3).
Funktion und Arbeitsweise
Im Kraftwerk wird die Steinkohle zunächst zwischengelagert. Teilweise werden auch die aus den unterschiedlichen Herkunftsgebieten stammenden Kohlearten zunächst so gemischt, dass sie für die Kraftwerksblöcke optimal geeignet sind. Dann wird die Kohle zu feinstem Pulver zermahlen, die Partikelgröße ist dann kleiner als 800 Mikrometer. Mit heißer Luft wird der Kohlenstaub in die Brennkammern der Dampferzeuger geblasen und bei 1.400°C verbrannt. Das durch die Kessel geführte Wasser wird hierdurch stark erhitzt, der entstehende Wasserdampf treibt Turbinen, diese wiederum treiben Generatoren an. Es entsteht Wechselstrom, der nun über einen Transformator ins Netz eingespeist werden kann.
Durch die Kohleverbrennung entstehen Rauchgase mit Luftschadstoffen, z.B. Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlendioxid und Staub. Diese Substanzen werden in Rauchgasreinigungs- und -entschwefelungsanlagen so vollständig wie möglich gefiltert und entschwefelt. Die danach durch die ca. 300 m hohen Schlote entweichenden Gase bestehen noch zu etwa 70% aus Stickstoff, einem natürlichen Bestandteil der Luft, und zu 30% aus Kohlendioxid. Die CO2-Emission hängt nicht zuletzt vom Wirkungsgrad der Kraftwerke ab, der bei modernen Kraftwerkstypen deutlich besser ist als bei älteren.
Nebenprodukte
Mit einem Teil des heißen Wasserdampfs werden vom Kraftwerk Scholven aus etwa 160.000 Haushalte in der Umgebung mit Fernwärme versorgt.
Asche, die bei der Verbrennung anfällt, kann an die Bauindustrie verkauft werden, wo sie z.B. bei der Betonherstellung oder im Straßenbau Verwendung findet.
Außerdem fällt bei der Rauchgasentschwefelung Gips an, der durch die Verbindung von Schwefeldioxid, Kalk und Sauerstoff entsteht. Dieser Gips wird von einem Rigips-Werk, das sich in unmittelbarer Nähe des Kraftwerkes Scholven angesiedelt hat, abgenommen und bei der Herstellung von Gipskartonplatten verwertet.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | e.on Kraftwerke (Hg.) (2006): Kohlekraftwerk Scholven – Gigant im Ruhrgebiet. Hannover (Broschüre) | |
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Wieneke, M. (2007): Westfalens Kraftwerke – bedeutende Stromproduzenten im "Energieland NRW". |
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• | http://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Scholven | |
• | www.gelsenkirchener-geschichten.de | |
• | www.kraftwerk-scholven.de |
Erstveröffentlichung 2012