Der Flughafen Dortmund als Motor des regionalen Strukturwandels

01.01.2007 Karl-Peter Ellerbrock

Kategorie: Verkehr

Schlagworte: Dortmund · Flughafen

Mit einem Zuwachs von 47,8% im Jahr 2005 auf nunmehr knapp 1,8 Mio. Passagiere bei etwa 35000 Starts und Landungen zählt der Flughafen Dortmund zu den am schnellsten wachsenden Flughäfen Deutschlands und rangiert nach Düsseldorf und Köln-Bonn auf Rang drei in Nordrhein-Westfalen. Vom größten Flughafen in Westfalen werden derzeit 41 Flugziele in 13 Ländern angeflogen (s. Beitrag Gerkensmeyer). Nach einem Gutachten der Universität Münster vom August 2006 geht von ihm eine jährliche Bruttowertschöpfung in Höhe von 290 Mio. Euro aus und es werden mehr als 4200 Arbeitsplätze abgesichert.
Abb. 1: Internationale Flugverbindung Dortmund - Amsterdam seit 1921 (Foto: Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund)

Wenden wir uns der Vorgeschichte der Dortmunder Flughafengründung von 1926 zu, so erkennen wir, dass die Flughafenfrage und das Ringen um die Einbindung einzelner Standorte in die staatlicherseits hochsubventionierten nationalen und internationalen Fluglinien zu einem Kristallisationspunkt divergierender regionaler strukturpolitischer Interessen geworden war. In Deutschland kam die Luftfahrt, für die das am 4. Dezember 1918 gegründete Reichsluftamt zuständig war, nach Beendigung des Krieges nur schwer wieder in Gang. Die erste regelmäßige Luftverkehrslinie wurde am 5. Februar 1919 von Berlin nach Weimar eingerichtet, wo die Nationalversammlung zusammentrat. Bis Anfang Juli 1919 wurden weitere fünf regelmäßige Linien nach Hamburg, Warnemünde, Swinemünde, über Hannover nach "Rheinl.-Westfalen" (Gelsenkirchen-Rotthausen) und über Hamburg nach Westerland in Betrieb genommen. Mit Zwischenlandungen in Hannover und Braunschweig dauerte die 490 km Luftlinie lange Verbindung von Berlin ins Ruhrgebiet im Schnitt vier Stunden, es sind aber auch Flugzeiten von bis zu zehn Stunden überliefert. Insgesamt sind im ersten halben Jahr nach Aufnahme des Flugbetriebes 381 Flüge in das Ruhrgebiet nachgewiesen, bei denen 1574 Passagiere und rd. 20t Briefpost, 57t Zeitungen und 5t Pakete befördert wurden. Es herrschte also schon ein reger Flugverkehr, als Dortmund, zuvor lediglich über einen "Shuttle-Service" der Spedition Hemsoth an den Flughafen Rotthausen angebunden, 1920 durch die Verlegung des Flugbetriebs auf die Wambeler Pferderennbahn Mittelpunkt des rheinisch-westfälischen Flugverkehrs wurde. Das Flugbuch der Dortmunder Luftwache weist aus, dass bis zum 31. Oktober 1921 insgesamt 365 Passagiere hauptsächlich auf der Linie Braunschweig - Berlin von und nach Dortmund befördert wurden, eine bei einem Flugpreis von 500 M hohe Zahl. Vermutlich wurde die Linie also überwiegend von Geschäftsreisenden benutzt. Soweit es sich erkennen lässt, fiel auch die erste internationale Fluganbindung Dortmunds in diese Phase, denn am 19. Mai landete die wohl erste Maschine aus Amsterdam in Brackel und flog eine Stunde später mit drei Passagieren weiter nach London.

Mit der Ruhrbesetzung wurde der Flugverkehr zunächst wieder eingestellt. Als dann am 1. April 1926 der Flughafen Dortmund offiziell gegründet wurde, verdichteten sich bereits die negativen Signale einer drohenden Strukturkrise der regionalen Wirtschaft, die einseitig auf Kohle und Stahl fixiert war. Ende 1925 wurden allein im Dortmunder Raum sechs Zechen stillgelegt, und die Gründung der Vereinigte Stahlwerke AG sollte die Montanindustrie an Rhein und Ruhr aus ihrer tiefen Krise führen. Es gab aber auch positive Signale im Bemühen um einen erfolgreichen Strukturwandel, für den neben der Gründung der Pädagogischen Hochschule die Gründung der VEW und des ersten Dortmunder Rundfunksenders, aber auch die Einweihung der Westfalenhalle (s. Beitrag Weber) und des Stadions Rote Erde sowie die Anlegung des Hengsteysees stehen. Die Gründung der Flughafen Dortmund GmbH unter Beteiligung der Stadt Dortmund, des Deutschen Reiches, des Preußischen Staates, des Provinzialverbandes Westfalen, des Landkreises Dortmund sowie der Industrie- und Handelskammer IHK zu Dortmund war von besonderer Bedeutung. Viele überregionale Projekte wie die Gründung einer TH, für die Aachen den Zuschlag erhielt, waren am Dortmunder Wirtschaftsraum vorbeigegangen. Andere Projekte wie der Bau einer elektrischen Schnellbahn von Köln nach Dortmund oder der Bau einer Autobahn von Köln über Düsseldorf nach Dortmund wurden nicht realisiert. Schon 1927 verfügte der Dortmunder Flughafen nach zähem politischem Ringen über Anschlüsse ab Dortmund über Amsterdam nach London, über Hamburg nach Kopenhagen und Malmö, über Berlin nach Königsberg, Prag, Wien, Budapest und bald danach über Frankfurt nach München, Basel, Genf und Zürich. Der ursprünglich im Ortsteil Brackel angesiedelte Flughafen Dortmund stieg zum größten Flughafen des rheinisch-westfälischen Industriegebietes auf und lag 1936 mit 4093 beförderten Fluggästen nach dem Passagieraufkommen nur knapp hinter Düsseldorf (4536 Passagiere), wies dafür aber deutlich mehr Ziele im Flugplan aus.

Als im August 1939 die letzten zivilen Flugzeuge vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von der Brackeler Startbahn abhoben, konnte niemand ahnen, dass Dortmund auf lange Jahre von der Entwicklung der zivilen Luftfahrt abgekoppelt werden sollte. Seit Anfang 1936 hatte die Reichsluftwaffe vom Dortmunder Flughafen Besitz ergriffen und im Krieg waren bis zu 1000 Soldaten in neu errichteten Kasernen rund um den Flughafen stationiert. Dortmund war u.a. Frontflieger-Sammelstelle, Stützpunkt für Flak-Soldaten, Sitz einer Abteilung von Nachrichtenhelferinnen sowie Werft zur Instandsetzung beschädigter Flugzeuge. Im Herbst 1943 wurden hier junge Freiwillige für die sog. Rammjäger zusammengezogen, die sich ähnlich wie die japanischen Kamikaze-Flieger auf feindliche Bomber stürzen sollten. Am 28. März 1945 verließen die letzten Kampfflieger Dortmund, kurz bevor am 8. April die Panzer der Alliierten das Flughafengelände besetzten.

Der Neubeginn der deutschen zivilen Luftfahrt datierte in das Jahr 1951, vollzog sich also etwa zeitgleich mit der Neuordnung und Restrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie des Ruhrgebietes. 1953 wurde dann die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf (seit 1954 Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft) gegründet, die kurz darauf bei den amerikanischen Lockheed Werken vier Flugzeuge des Typs "Super-Constellation" bestellte und mit der systematischen Piloten- und Navigatorenausbildung begann. Noch bevor am 5. Mai 1955 Deutschland seine Lufthoheit zurückgewonnen hatte, wurde am 1. April der planmäßige innerdeutsche Luftverkehr zwischen den Flughäfen Hamburg, Düsseldorf, Köln/Bonn, Frankfurt und München wieder aufgenommen.

Abb. 2: Eröffnung der "Startbahn Ruhrgebiet" am 28. Juni 1983 durch (v. l.) NRW-Ministerpräsident Johannes Rau, Dortmunds Oberbürgermeister Günter Samtlebe und Flughafenchef Hans Mönig (Foto: Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund)

Die Wiederbelebung des Flugbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg ging 1952/55 in Dortmund von der Sportfliegerei aus, die auch 1960 in Dortmund-Wickede mit der Anlage eines neuen Landeplatzes den Grundstein für eine neue Ära des Flughafens Dortmund legte. Die belgische Fluggesellschaft Sabena erkannte frühzeitig die Luftverkehrspotenziale des westfälischen Ruhrgebiets und richtete 1956/57 eine Hubschrauber-Linie Dortmund - Duisburg - Brüssel mit Anschluss nach Paris ein. In Dortmund keimte leise Hoffnung auf, wieder Anschluss an die Linienführung der nationalen und vielleicht auch der internationalen Luftfahrt zu finden. Der Hubschrauberlandeplatz lag unweit der Westfalenhalle an der B 1 (Rheinlanddamm) und verzeichnete je drei Starts und Landungen täglich. Die Strecke wurde allerdings 1963 eingestellt. Seit 1962 berieten die Stadt Dortmund  - sie hatte bis dahin noch auf den Ausbau des Hubschraubernetzes gesetzt und für Dortmund einen bevorzugten Platz in einem nationalen und internationalen Zubringer- und Städteflugnetz erhofft -, das Land NRW sowie die IHK zu Dortmund, die das Bedürfnis der Wirtschaft des Kammerbezirks nach einem leistungsfähigen Flughafen unterstrich, über weitere Ausbaupläne. Wie in den 1920er Jahren folgten nicht enden wollende strukturpolitische Debatten (Stichwort u.a. "Großflughafen Westfalen"). Zusammen mit den verwaltungsrechtlichen Querelen ziehen sie sich wie ein roter Faden durch die weitere Geschichte des Dortmunder Flughafens, insbesondere nachdem der Regierungspräsident in Arnsberg am 10. März 1975 den Planfeststellungsbeschluss für die bereits 1969 beantragte 850 Meter Bahn erteilt hatte. Der Ausbau des Flughafens wurde zu einem Dauerthema der lokalen Presseberichterstattung, auch nachdem im Juni 1983 die neue "Startbahn Ruhrgebiet" feierlich von Ministerpräsident Johannes Rau eingeweiht worden war und der Flugbetrieb mit neuen und größeren Turbopropmaschinen möglich wurde. Bereits 1987 erfolgte sowohl der Ausbau der Abfertigungsgebäude als auch die Verlängerung der Start- und Landebahn auf 1050 Meter. 1993 stellte der Aufsichtsrat die Weichen für eine weitere Verlängerung der Start- und Landebahn auf 2000 Meter und den Bau eines neuen hochmodernen Terminals, der im Oktober 2000 als Ausdruck eines erfolgreichen Strukturwandels ohne Kohle und Stahl in Betrieb genommen werden konnte.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007