Die Handlungsleitlinie zur CO2-Reduzierung im Münsterland

01.01.2013 Hinnerk Willenbrink

Inhalt

"Energieatlas", "Roadmap", "Klimaschutzfahrplan" – wo man auch hinsieht, Politik, Verwaltung und Wirtschaft in Deutschland suchen nach Orientierung, nach Analyse, Verortung und Beschreibung der Situation der Energieversorgung und einer Darstellung möglicher Entwicklungspfade. Vor diesem Hintergrund hat die Bezirksregierung Münster Ende 2011 den Fachbereich "Energie, Gebäude, Umwelt" der Fachhochschule Münster mit der Erstellung einer "Handlungsleitlinie zur CO2-Reduzierung im Münsterland" beauftragt. Die Ergebnisse der Untersuchungen flankieren die Erstellung des sachlichen Teilabschnitts "Energie" im derzeit in der Aufstellung befindlichen "Regionalplan Münsterland". Im Rahmen der Studie wurde die energetische Gesamtsituation des Münsterlandes von Januar bis September 2012 untersucht.

Um die erforderlichen Daten zusammenzutragen, wurden alle 66 Kommunen und die Energienetzbetreiber befragt, außerdem wurden statistische Rahmendaten, etwa der Bundesnetzagentur, ermittelt. So ist erstmals eine münsterlandweite Datenbasis geschaffen worden, die alle Münsterlandkommunen zusammenfassend sowie vergleich- und fortschreibbar betrachtet.

Für die Kommunen liegt der Mehrwert der Untersuchung darin, dass für jede einzelne von ihnen Energiesteckbriefe erstellt wurden, in denen die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen abgebildet wurden. Diese Steckbriefe können nun der Startschuss für eine Vielzahl von Aktivitäten innerhalb der Kommunen sein, darüber hinaus können sie dem interkommunalen Vergleich dienen und somit den Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen erleichtern.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Im Jahr 2010 lag der Endenergieverbrauch im Münsterland bei rund 48.420 Gigawattstunden pro Jahr (GWh/a), dies entspricht etwa 2% des Endenergieverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland und rund 8% des Verbrauchs von NRW. Der Endenergieverbrauch im Jahr 2010 verteilte sich im Wesentlichen auf die Energieträger Kraftstoffe (31%), Erdgas (24%), Strom (20%) und Heizöl (10%).

Der CO2-Ausstoß lag 2010 bei rund 15,5 Mio. t. Der Endenergiebedarf lässt sich in die Sektoren unterteilen, die der Endenergienutzung entsprechen: Strom, Wärme und Kraftstoffe.
Kasten 1: Einsparpotenziale im Münsterland bis 2030

Strom: Im Jahre 2010 wurden im Münsterland 10.035 GWh Strom verbraucht. Hieraus ergibt sich entsprechend dem bundesdeutschen Strommix in 2010 ein Ausstoß von knapp 5 Mio. t CO2 und gut 7 t radioaktivem Abfall.

Die Wirtschaft ist mit 70% der größte Stromverbraucher im Münsterland, gefolgt von den privaten Haushalten mit 26%. Im Jahr 2010 wurden im Münsterland insgesamt etwa 1,5 Mrd. Euro für den Bezug von Strom ausgegeben. Dem gegenüber stehen knapp 360 Mio. Euro, die als Einspeisevergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in der Region rückvergütet wurden.

Wärme: Im Jahre 2010 wurden im Münsterland knapp 21.680 GWh Wärmeenergie verbraucht. Den größten Anteil hatte dabei mit 53% der Energieträger Erdgas, 23% entfielen auf Heizöl. Lediglich 5% des Wärmebedarfes wurden 2010 durch erneuerbare Energien gedeckt (Abb. 1).

Mobilität: Der Sektor Mobilität hatte im Jahr 2010 mit 16.963 GWh einen Anteil von 35% am Gesamtendenergieverbrauch des Münsterlandes. Hiervon entfiel die Hälfte auf Diesel- und ein knappes Drittel auf Ottokraftstoffe. Alternative Kraftstoffe deckten rund 7% des Endenergieverbrauchs (Abb. 1). Der motorisierte Individualverkehr ist für über 80% des Kraftstoffverbrauchs verantwortlich.

Erneuerbare Energien: Im Münsterland wurden im Jahr 2010 insgesamt 2.117 GWh Strom aus erneuerbaren Energien eingespeist, das entsprach 4,4% des Gesamtendenergieverbrauchs und 21% des Stromverbrauchs (Abb. 1). Den größten Anteil steuerte dazu die Windkraft mit 47% bei, gefolgt von der Biomasse (28%) und der Photovoltaik (16,5%). Fast 7% des erneuerbaren Stroms lieferte die Grubengasnutzung aus dem Tecklenburger Land. Ungeachtet von planerischen Restriktionen liegt das Gesamtpotenzial im Bereich des erneuerbaren Stroms bei mindestens 9.704 GWh/a, dabei wurde bei der Windkraft das größte Potenzial in Höhe von 4.190 GWh/a ermittelt. Dicht danach folgen Photovoltaik (4.050 GWh/a) und die Verstromung von Biogas (1.200 GWh/a).

Abb. 1: Gesamtendenergie-verbrauch und Produktion erneuerbarer Energien im Münsterland 2010 und 2030 (Prognose): Einspar- und Ausbaupotenziale (eigene Darstellung nach Fachhochschule Münster 2012)

Fazit und Handlungsleitlinien

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die ermittelten Werte für das Münsterland durchaus repräsentativ für das Bundesgebiet sind – und dass das Münsterland damit als eine Modellregion für die Möglichkeiten und Herausforderungen der Energiewende gesehen werden kann.

Die Einsparmöglichkeiten in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität sind aus technischen Gesichtspunkten durchaus groß, die Realisierung dieser Einsparungen und damit die Reduktion der CO2-Emissionen sind aber auch von Faktoren abhängig, die sich nur begrenzt planerisch-rechtlich steuern lassen. Die Transformation der Energieversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit einem hohen Maß an Individualverantwortung. Die Umsetzung der Energiewende bedeutet somit auch eine Änderung der Nutzergewohnheiten der Bürger.

In der Gesamtschau wird klar: Die Energiewende wird nicht durch die Genehmigung einzelner Windkraft- oder Biogasanlagen gelingen oder scheitern. Zur Umsetzung von Maßnahmen zur CO2- und vor allem zur Ressourceneinsparung sind integrierte Gesamtkonzepte notwendig, die das Thema "Erneuerbare Energie" nicht als Aspekt des wirtschaftlichen Handelns Einzelner auf der Grundlage des EEG verstehen, sondern die das Thema "Energie" stattdessen als Teil der Zukunftssicherung kommender Generationen begreifen – auch vor dem Hintergrund steigender sozialer Verwundbarkeiten, sowohl durch regionale Auswirkungen des Klimawandels als auch durch ökonomische Unsicherheiten aufgrund der hohen Abhängigkeit von importierten, endlichen Energieressourcen.

Handlungsmöglichkeiten der Regional- und Kommunalplanung

Die Planung muss das Thema "Energie" als integrierten Schwerpunkt bei jeder Form der künftigen Beplanung des Münsterlandes berücksichtigen. Die vornehmlichen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten liegen für die Regional- und Kommunalplanung beim Klimaschutz in den folgenden Punkten:
 

Sicherung der Flächen für erneuerbare Energien:
Bei der Flächennutzung von und für erneuerbare Energien sollte deutlich mehr die Ausgestaltung der Netze und deren Struktur sowohl im Wärme- als auch im Strombereich in die Planungen einbezogen werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss einem integrierten Gesamtkonzept folgen; Einzellösungen erschweren eine zukünftige lntegration in die notwendigen neuen Netzstrukturen.
 

Darstellung energieeffizienter Siedlungsstrukturen:
Die Darstellung energieeffizienter Siedlungsstrukturen bedeutet die Planung kompakter Siedlungsstrukturen, energieeffizienter Bauweisen sowie integrierte Verkehrs- und Nahversorgungskonzepte.

Durch Konzentration sowie eine planvolle Ausrichtung der Siedlungsstruktur sollte eine Reduktion des motorisierten lndividualverkehrs (MlV) unterstützt und einer weiteren Zersiedlung vorgebeugt werden. Durch die Effekte des demographischen Wandels benötigen ganze Altbaugebiete dringend Nachnutzer – auch, um bestehende Infrastrukturen effizient weiter nutzen zu können.

Zur Planung und Umsetzung von integrierten Wärmenutzungskonzepten ist die Aufstellung von Wärmekatastern zu empfehlen; so können Wärmeinseln und Wärmesenken identifiziert und in Planungen einbezogen werden.

Bei der Betrachtung des MIV sollte das Ziel aller Planungsebenen sein, ihn dort zu vermeiden, wo er anfällt: bei den täglichen Wegen zur Arbeit und zur Nahversorgung. Das bedeutet, die Arbeit muss verstärkt zu den Menschen gebracht und genauso Nahversorgungsstrukturen (neu) aufgebaut werden, die eine fußläufige bzw. mit dem Fahrrad zu bewältigende Nahversorgung ermöglichen.
 

Sicherung von Treibhausgassenken wie Wälder und Moore:
Der Erhalt bzw. mittelfristig auch die Wiedervernässung alter Moorgebiete kann zu einer vermehrten Bindung von CO2 in biologischer Festmasse führen. Dasselbe gilt für den Erhalt und die naturnahe Bewirtschaftung der bestehenden Wälder des Münsterlandes.
 

Steuerung und Verwaltung:
Kommunikationsprozesse müssen koordiniert werden, um die in der Planung festgehaltenen Entwicklungsziele in der Region umzusetzen. Dafür bedarf es eines Akteurskatasters, um die relevanten Akteure identifizieren und ansprechen zu können. Da die einzelnen Gebietskörperschaften und Kommunen jeweils eigene Strukturen und Ziele verfolgen, sollten diese bestehenden Strukturen stets als erstes betrachtet werden. Fachlich notwendige Wechselbeziehungen auf der regionalen Ebene sind zu untersuchen und ggf. dort herbeizuführen, wo sie fehlen. Dazu gehört auch, die Verwaltungen der Gebietskörperschaften und Kommunen miteinander in den zielgerichtet-fachlichen Austausch zu bringen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013