Münsterland goes Europe – die Firma Schmitz Cargobull

01.01.2007 Rolf Lindemann

Manchem, der kilometerlang auf der Autobahn hinter einem Lkw herfuhr, wird der Schriftzug "Schmitz Cargobull" am Heck aufgefallen sein. Kaum jemand weiß aber, dass sich dahinter Europas führender Hersteller von Aufliegern und Anhängern im Nutzfahrzeugbereich verbirgt. Anders als Hersteller von Konsumartikeln oder auch von Pkw ist Schmitz eher nur einem kleinen Kreis, nämlich den Fachleuten des Speditions- und Logistiksektors, bekannt.

Im Jahre 1892 wurde die Firma durch den Schmied Heinrich Schmitz in Altenberge gegründet. Er beschäftigte sich neben seiner Schmiedetätigkeit auch mit der Herstellung von Wagen aller Art, damals und in der Folgezeit nichts Ungewöhnliches. Schon vor dem Krieg wurden die ersten Auflieger und Kofferfahrzeuge hergestellt, damals noch am Ortsrand von Altenberge. Als die Firma in den 1960er Jahren stark wuchs, baute man in Vreden ein Zweigwerk. 1980 musste das Stammwerk in Altenberge, das inzwischen von den Wohnhäusern des wachsenden Ortes völlig eingeschlossen war, auf ein neues großzügiges Gelände westlich von Altenberge verlegt werden. Die Verwaltung zog nach Horstmar.
Abb. 1: Produktions- und Vertriebsstätten in Europa (Quelle: Unternehmenspräsentation Schmitz Cargobull)
Das stärkste Wachstum hatte die Firma nach der ersten Ölkrise 1973 mit zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr. Die arabischen Förderländer verfügten über sehr viel Geld, das sie in den Ausbau ihrer Infrastruktur investierten. Da Schmitz mit seinen Produkten schon am Markt präsent war, konnten sie von dem entstehenden Boom profitieren. Zeitweise lieferte die Firma 80% ihrer Produktion in den Nahen Osten. Statt der in Deutschland gewünschten Einzelanfertigung konnten im Nahen Osten Serien von bis zu 400 identischen Aufliegern verkauft werden. Dieser Boom brach über Nacht mit dem Ersten Golfkrieg zusammen; eine gewisse Kompensation lieferte die deutsche Wiedervereinigung, in deren Gefolge das Transportvolumen und damit auch der Bedarf an Aufliegern stark anstiegen. Aber um die Mitte der 1990er Jahre war auch hier der Sättigungspunkt erreicht, und Schmitz steckte in einer bedrohlichen Krise.

Sie wurde bewältigt durch rigorose Einschnitte. Die Produktpalette, vorher extrem breit, wobei 80% des Umsatzes mit 20% der Produkte gemacht wurden, wurde auf vier Grundtypen beschränkt; die Zahl der benötigten Einzelteile wurde von 80.000 auf heute 12.000 gedrückt. Die Produktion wurde kundengenau ausgerichtet; eine Produktion "auf Halde" gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Die durchschnittliche Auftragsgröße beträgt heute 1,7 Fahrzeuge, d. h. die Fahrzeuge werden nach den Wünschen der Abnehmer gestaltet, wobei dieser noch bis in den Produktionsprozess hinein seine Anforderungen spezifizieren kann. Die Lieferfähigkeit ist von damals vier bis fünf Wochen auf heute drei Tage gesunken; die reine Produktionszeit eines Aufliegers mit Plane (der Fachausdruck dafür ist "Curtainsider") beträgt heute 42 Stunden, das ist ein Drittel der früher benötigten Zeit.

Zugleich wurde ein neues Firmenkonzept entwickelt, das seit 1999 unter dem Namen "Satellitenkonzept" praktiziert wird. Die Grundidee ist die, dass die Endstufen der Produktion möglichst kundennah erfolgen sollen, während die Hauptwerke in Altenberge (1.120 Mitarbeiter produzieren bis zu 80 Auflieger täglich) und Vreden (1.150 Mitarbeiter) als Kompetenzzentren für jeweils Planenfahrzeuge und für Sattelkoffer dienen. Vor kurzem kam noch ein Werk in Gotha hinzu, das als Kompetenzzentrum für Sattelkipper, Containerfahrgestelle und Wechselfahrgestelle dient, knapp 600 Mitarbeiter hat und ausbaufähig ist. Über den Bau weiterer Produktionszentren wird diskutiert. Ergänzt werden diese Kernproduktionsstätten durch kleinere "Satelliten" in Toddin (D), Harelaw (GB), Panevezys (LT) und Zaragoza (E) (Abb.1).
Abb. 2: Marktanteile der Hauptprodukte in Deutschland und Europa (Quelle: VDA und Unternehmenspräsentation Schmitz Cargobull)
Wichtig ist für Schmitz, einen vollen Service möglichst kundennah zu bieten. Dazu wurden bisher 31 so genannte Cargobull Trailer Center (CTC) europaweit eingerichtet. Hier sind Verkaufsberatung, Finanzierungs- und Reparaturserviceleistungen und das Ersatzteilwesen konzentriert. 2005 kamen beispielsweise CTCs in Sofia und Bukarest hinzu, weitere sind geplant.

Die derzeitige Jahresproduktion liegt bei 30.000 Einheiten; der Vorstandsvorsitzende hält eine Steigerung auf 55.000 Einheiten bis 2011 für möglich. Damit würde Schmitz Cargobull seinen Marktanteil in Europa, der derzeit bei 26% liegt, auf über 35% steigern. Wie Abb. 2 zeigt, liegt der heutige Marktanteil allerdings bei einigen Produkten, etwa den Sattelkoffern, schon jetzt erheblich höher. Hier sieht man bei Schmitz vor allem bei den "Kühlschränken auf Rädern", den isolierten, temperaturgeführten Fahrzeugen, noch große Wachstumspotenziale.

Regional sieht der Vorstandsvorsitzende die größten Chancen in Osteuropa. Während 2005 in Westeuropa 124.000 Auflieger verkauft wurden, waren es in Osteuropa nur 25.000. Dieser Abstand wird sicherlich nicht in diesem Umfang bestehen bleiben. Dazu ist aber auch ein Ausbau der Infrastruktur nötig. Bisher haben Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Slowenien zusammen etwa ebenso viele Autobahnkilometer wie Nordrhein-Westfalen.
Abb. 3: Personalentwicklung 1995/96 bis 2006/07 (Quelle: Unternehmenspräsentation Schmitz Cargobull)

Einer Ausweitung des Geschäftes nach Übersee, vor allem in die USA, steht man in Horstmar jedoch sehr skeptisch gegenüber. Die Lkw, und damit auch die Auflieger, sind dort völlig anders. Auch der Wachstumsmarkt China wird vom Münsterland aus nicht bedient werden: Auflieger sind abhängig von den Zugmaschinen, und die entsprechen in China noch lange nicht europäischen Standards.

Mit seinen gut 4.000 Mitarbeitern ist Schmitz Cargobull immer noch ein Familienunternehmen. Jeweils ein Drittel der Anteile wird von zwei Familien Schmitz gehalten, Nachkommen des Firmengründers. Das dritte ist in der Hand von Bernd Hoffmann, der auch den Vorstand führt.

1999 plante Schmitz den Gang an die Börse, der dann aber abgeblasen wurde. Heute ist man bei Schmitz froh darüber. Der Umsatz ist seither auf das fast Dreifache gestiegen, die Eigenkapitalquote liegt - auch ohne das Geld von der Börse - bei 40%. Schmitz Anhänger scheint für die Zukunft gerüstet.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007