Bundestagswahl 2025 in Westfalen: Das Abschneiden von "AfD" und "Die Linke"
Vorbemerkung
Wegen der spektakulären Wahlerfolge der Parteien "AfD" und "Die Linke" bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 beschäftigt sich dieser Beitrag speziell mit deren Abschneiden in Westfalen. Da das Augenmerk auf den Parteien und nicht auf den Direktkandidaten/innen liegt, werden hier generell die Zweitstimmenergebnisse berücksichtigt.
Allgemeine Entwicklungen seit der letzten Bundestagswahl
Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 konnte die AfD in vielen der insgesamt 30 westfälischen Bundestagswahlkreise ihren Zweitstimmenanteil ungefähr verdoppeln (Tab. 1). In Teilen des Münsterlandes verdreifachten sich die Anteile sogar teilweise, blieben allerdings – verglichen mit den Ergebnissen in Wahlkreisen anderer Teilregionen – auf relativ niedrigem Niveau. In 19 Wahlkreisen steigerte sich der Stimmenanteil der Partei von Werten zwischen 6% und 10% im Jahr 2021 auf Werte zwischen 18% und 22% im Jahr 2025. In der Stadt Gelsenkirchen legte die AfD sogar von knapp 13% (2021) auf 24,7% (2025) zu. Gelsenkirchen ist damit der einzige Wahlkreis Westfalens, in dem die AfD die meisten Zweitstimmen für sich verbuchen konnte.
Die Linke steigerte ihr Zweitstimmenergebnis in 17 der 30 westfälischen Wahlkreise von Werten zwischen 2,5% und 4% im Jahr 2021 auf Werte zwischen 6% und 7,5% im Jahr 2025. Besonders stark entwickelte sich Die Linke in den größten Städten Westfalens (Tab. 1), die ja zugleich auch Universitäts- bzw. Hochschulstädte sind.
Eine Übersicht über die Zweitstimmenergebnisse 2025 der Parteien AfD und Die Linke in den westfälischen Wahlkreisen bietet Abbildung 1.
Wahlkreise mit hohen sowie niedrigen Zweitstimmenanteilen
Mehr als 21% der Zweitstimmen bekam die AfD, außer in Gelsenkirchen, noch in den Wahlkreisen Minden-Lübbecke I, Lippe I (jeweils 21,8%), in den Wahlkreisen Herford/Minden-Lübbecke II und Märkischer Kreis II (jeweils 21,3%) sowie in Hamm/Unna II (21,1%). Die geringsten Zweitstimmenanteile hatte die AfD in Münster (6,9%) und Coesfeld/Steinfurt II (12,6%; Abb. 1).
Die Linke erzielte bei den Zweitstimmen in den Wahlkreisen Bielefeld/Gütersloh II (13,2%), Münster (12,5%) und Bochum I (12,1%) die höchsten Ergebnisse in Westfalen. Die niedrigsten Prozentwerte gab es für Die Linke im Hochsauerlandkreis (5,3%) sowie in Borken II, Coesfeld/Steinfurt II und Olpe/Märkischer Kreis (jeweils 5,5%; Abb. 1).
Besonderheiten innerhalb der Wahlkreise
Nicht nur im Vergleich der Wahlkreise zeigen sich Disparitäten im Wählerverhalten, sondern auch innerhalb der Wahlkreise, ja sogar innerhalb von Städten gab es bei der Bundestagswahl z.T. erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Zweitstimmenanteile. Tabelle 2 macht dies am Beispiel der Stadt Bielefeld deutlich.
Auffällig sind die hohen Stimmenanteile von Die Linke in manchen Stadtteilen der Groß- und Hochschul-/Universitätsstädte. In Münster beispielsweise erreichte die Partei im Wahlbezirk "Herz Jesu" 19,15%, in "Pluggendorf/Bahnhof" 22,32%, im Bezirk "Bremer Straße" sogar 41,11% (zum Vergleich: im Stadtteil Münster-Handorf 5,65%) (WN, 25.02.2025a; wahlen.citeq.de).
In Bochum erreichte Die Linke im Stadtbezirk "Mitte" 17,12%, wobei sie in Stimmbezirken der "Innenstadt Nord" sogar z.T. auf deutlich mehr als 30% kam (wahlen.regioit.de).
Die Hochburgen der AfD liegen häufig in Teilregionen, Gemeinden oder Stadtteilen, in denen Migranten einen vergleichsweise hohen Anteil der Bevölkerung ausmachen und es verstärkt sozioökonomische Probleme gibt. Tabelle 3 vergleicht anhand einiger ausgewählter Merkmale die Situation in der Stadt Gelsenkirchen mit der im Kreis Coesfeld.
Die Zeitung Westfälische Nachrichten veröffentlichte am 25.02.2025 einen Artikel mit der Überschrift "Grüne und Linke gewinnen im Zentrum, AfD in Problemvierteln". In der Tat kam in Münster die AfD in den entsprechenden Stadtteilen Coerde, Kinderhaus und Berg Fidel teilweise auf Zweitstimmenanteile um die 30%, während sich das Gesamtergebnis der AfD für Münster lediglich auf 6,9% belief (ebd.).
In Ostwestfalen gewann die AfD in drei Kommunen die meisten Zweitstimmen, nämlich in Lage (Kr. Lippe, 27,4%), Espelkamp (Kr. Minden-Lübbecke, 30,7%) und Augustdorf (Kr. Lippe, 37,0%) (interaktiv.waz.de/bundestagswahlergebnisse-nrw).
Mögliche Gründe für die Erfolge der beiden Parteien
Die meisten Wahlanalysen nennen als wichtigste Gründe für die Wahlerfolge von Die Linke und AfD, dass den Menschen die Zuwanderung und ihre Folgen, die innere und äußere Sicherheit, die soziale Gerechtigkeit bzw. soziale Benachteiligungen sowie die Probleme der Wirtschaft größte Sorgen bereiten. Ferner scheinen demnach viele Menschen den etablierten Parteien, vor allem den "Ampelparteien", grundlegende Veränderungen nicht zuzutrauen. Bei der AfD sei klar, dass sie inzwischen nicht mehr nur aus Protest, sondern aus Überzeugung gewählt werde. Die Forschungsgruppe Wahlen unterstreicht, dass für AfD-Wähler das Thema "Flüchtlinge und Asyl" am wichtigsten sei. Andererseits sei für relativ viele, gerade auch jüngere, Menschen die Linke "die einzige Partei, die wirklich Politik für Menschen mit geringem Einkommen macht" (forschungsgruppe.de, 24.02.2025). Oliver Treib, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Münster, betont ebenfalls, dass die Linke "als einzige Partei einen klaren Gerechtigkeitswahlkampf um Mieten und Soziales gemacht" habe (WN, 25.02.2025b). Die Erfolge der AfD speziell auch im Münsterland sieht Prof. Treib u.a. im Zusammenhang damit, dass "die Bindung des katholischen Milieus an die CDU schwinde" (ebd.). Aus einem Interview der Zeitung DIE WELT mit Stefan Marschall, Professor für Politikwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, geht hervor, dass überdurchschnittliche Zuwanderung sowie hohe Arbeitslosen- und Armutsquoten im Ruhrgebiet, vor allem in Gelsenkirchen, zu den Wahlerfolgen der AfD beigetragen hätten. Markus Töns, SPD-Direktkandidat in Gelsenkirchen, bestätigt in einem Interview mit der "taz" (25.02.2025) die Bedeutung der genannten Faktoren für Gelsenkirchen und fügt hinzu, dass dort die "Armutszuwanderung aus Südosteuropa, vor allem aus Rumänien und Bulgarien" die "Integrationskraft" belaste. Viele dieser Zuwanderer hätten "keinen Berufsabschluss, oft nicht einmal einen Schulabschluss".
Ein wesentlicher Grund für die hohen Stimmenanteile der AfD in manchen ostwestfälischen Kommunen liegt darin begründet, dass dort besonders viele Russlanddeutsche wohnen. In Augustdorf z.B. machen sie etwa ein Drittel der Bevölkerung aus (augustdorf.de). Sie waren von Anfang an wahlberechtigt und befürworten eher eine ‚Law and Order‘-Politik, wollen zumeist ihre eigene Identität bewahren, denken z.T. sehr konservativ und stehen der Zuwanderung aus anderen Herkunftsgebieten, "insbesondere" der "aus islamischen Ländern" ablehnend gegenüber, so der Historiker Jannis Panagiotidis in einem Interview mit der "Deutschen Welle" (24.01.2025). Die AfD umwirbt dieses Wählerpotenzial z.B. mit ihrem Netzwerk "Russlanddeutsche für AfD NRW".
Weiterführende Literatur/Quellen
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Die Bundeswahlleiterin (Hg.) (2025): Bundestagswahl 2025. Ergebnisse nach Parteien und Gebieten.
(https://www.bundeswahlleiterin.de/dam/jcr/e61e7bc0-28b2-4ac1-96d3-6f059d1132de/btw25_arbtab2.pdf; abgerufen am 04.04.2025) -
DIE WELT/Frigelj, K. (27.02.2025): "Wenn wir nicht aufpassen, wird sich die AfD in Kernbereichen der Großstädte festsetzen".
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Deutsche Welle/Pieper, O. (24.01.2025): Wen Migranten in Deutschland wählen.
(https://www.dw.com/de/wen-migranten-in-deutschland-w%C3%A4hlen/a-71380892; abgerufen am 04.04.2025) -
Elis, E. u. M. D. Garcia (28.08.2023): Russlanddeutsche und die Alternative für Deutschland: Die Bedeutung von Migrationsgeschichte und Identität. (https://www.politik-wissenschaft.org/2023/08/28/russlanddeutsche-und-die-alternative-fuer-deutschland-die-bedeutung-von-migrationsgeschichte-und-identitaet; abgerufen am 04.04.2025)
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Forschungsgruppe Wahlen (Hg.) (2025): Bundestagswahl – 24. Februar 2025.
(https://www.forschungsgruppe.de/Aktuelles/Wahlanalyse_Bundestagswahl; abgerufen am 04.04.2025) -
taz/Wyputta, A. (25.02.2025): Hier liegt die AfD vor allen anderen.
(https://taz.de/Wahlergebnis-in-Westdeutschland/!6068621; abgerufen am 04.04.2025) -
WDR/Schmitt, S. (25.02.2025): Gelsenkirchen wählt blau: Warum die AfD hier so stark wurde.
(https://www1.wdr.de/nachrichten/bundestagswahl-2025/gelsenkirchen-ortsbesuch-sorgen-aengste-afd-100.html; abgerufen am 04.04.2025) -
WN(a) Westfälische Nachrichten/Dietrich, N. (25.02.2025): Grüne und Linke gewinnen im Zentrum, AfD in Problemvierteln.
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WN(b) Westfälische Nachrichten/Ellerich, M. (25.02.2025): "Sehr fruchtbares Umfeld für Grüne – für AfD eher nicht". Politologe zum Wahlausgang in Münster und im Münsterland.
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https://wahlen.citeq.de/20250223/05515000/praesentation/wahlraeume.html (Münster)
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https://wahlen.regioit.de/2/bt2025/05711000/praesentation/wahlraeume.html (Bielefeld)
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https://wahlen.regioit.de/3/bt2025/05911000/praesentation/wahlraeume.html (Bochum)
Erstveröffentlichung 2025