Bestattungswälder in Westfalen

02.03.2015 Simone Böhnisch

"Frieden findet man nur in den Wäldern", wusste schon Michelangelo. Heute erhält dieser Ausspruch im Zusammenhang mit einem Todesfall eine ganz neue Bedeutung, denn eine neue Bestattungsform im Wald schlägt sich räumlich nieder und gewinnt auch in Westfalen an Relevanz.

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen in Nordrhein-Westfalen am 01.09.2003 erhielt der Trend zur naturnahen Bestattung deutlichen Rückenwind. Das Gesetz besagt, dass Friedhofsträger (Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die Träger öffentlichen Rechts sind) sich bei der Errichtung und dem Betrieb von Friedhöfen Dritter bedienen dürfen. "Sie dürfen Errichtung und Betrieb der Friedhöfe, auf denen ausschließlich Totenasche im Wurzelbereich des Bewuchses beigesetzt wird, auch privaten Rechtsträgern (Übernehmern) übertragen; diese Beisetzungsstätten sind nur insoweit zulässig, als öffentlich-rechtliche Vorschriften oder öffentliche oder private Interessen nicht entgegenstehen, sie öffentlich zugänglich sind und die Nutzungsdauer grundbuchrechtlich gesichert ist." (§1 Abs. 4 Bestattungsgesetz NRW)

Abb. 1: Beisetzung im Waldgebiet eines RuheForstes (Foto: RuheForst GmbH)

Es besteht nun also die Möglichkeit, Bestattungen im Wurzelbereich von Bäumen und Sträuchern durchzuführen, auch außerhalb von traditionellen Friedhöfen in Wäldern, die als Friedhöfe umgewidmet wurden. Im Unterschied zu einem Waldfriedhof (s. Beitrag Bischoff/Wehlburg), bei dem traditionelle Grabstätten in einem Waldgebiet liegen, werden in einem Bestattungswald Urnen mit der Asche Verstorbener direkt zwischen den Wurzeln einzelner Bäume beigesetzt. Die Grabstätten sind naturbelassen und nicht durch Grabsteine oder Bepflanzungen gekennzeichnet. Lediglich Schilder an den Bäumen weisen auf die Grabstätten hin.

Während im Jahr 2009 die Asche von rd. 20.000 Verstorbenen unter Bäumen beigesetzt wurde, hat sich die Zahl bis zum Jahr 2013 auf ungefähr 45.000 erhöht. Dies entspricht einem Anteil an allen Bestattungen von etwas mehr als 5% (www.aeternitas.de).

Zwei große Firmen bieten deutschlandweit in Kooperation mit den Kommunen solche Waldbestattungen an: die FriedWald GmbH aus Griesheim und die RuheForst GmbH in Hilchenbach. Einige Städte und Gemeinden offerieren diese Bestattungsform auch selbst.

Das Konzept der FriedWälder ist noch recht jung. Die Idee stammt von dem Schweizer Ueli Sauter, der im Jahr 1993 einem Freund auf dessen Wunsch hin die Bestattung unter einem Baum ermöglichen wollte. 2001 wurde in Deutschland der erste FriedWald eröffnet. Seither fanden bundesweit bereits 42.000 Beisetzungen in FriedWäldern statt (Stand 02/2014, www.friedwald.de).

Abb. 2: Markierter Baum im FriedWald (Foto: C. Völker, FriedWald GmbH)

Deutschlandweit gibt es inzwischen 52 FriedWälder und 63 RuheForste, in Westfalen befinden sich vier FriedWälder und sechs Ruheforste (Stand 2015; www.friedwald.de, www.ruheforst.de; Abb. 3). Darüber hinaus besteht auch in anderen westfälischen Kommunen die Möglichkeit der Baumbestattung in entsprechenden Waldgebieten, beispielsweise im Friedhofswald Siegen, im Urnenhain des Nordfriedhofs in Minden, auf dem Friedhof Loxbaum in Hagen oder auf dem Sennefriedhof Bielefeld. Einige Friedhofsträger bieten auch auf einer gesonderten Fläche eines traditionellen Friedhofs Baumbestattungen unter einzelnen Bäumen an, z. B. auf dem Baumbestattungsfeld des Friedhofs Bergkamen-Heil unter einem Gingko-Baum.

Die FriedWälder und RuheForste werden gemeinsam von der Kommune, dem Forstamt sowie dem jeweiligen Unternehmen betreut. Die ausgewiesenen und genehmigten Bestattungswälder werden von den jeweiligen Kommunen getragen. Die Waldpflege übernehmen die zuständigen Forstverwaltungen. Außerdem betreuen die verantwortlichen Förster in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Unternehmen die Interessenten vor Ort. Das Unternehmen übernimmt in der Regel die terminliche und verwaltungstechnische Betreuung der Wälder und die Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt. Im Trauerfall unterstützen die Unternehmen die Angehörigen bei der Organisation der Beisetzung im Bestattungswald.

Abb. 3: Auswahl der bekanntesten Bestattungswälder in Westfalen (Quelle: www.aeternitas.de)

An einem Baum im FriedWald liegen zehn mögliche Grabstätten. Es gibt Familienbäume, Freundschaftsbäume und Gemeinschaftsbäume. Familienbäume können einer Einzelperson oder einer ganzen Familie mit bis zu zehn Personen als Ruhestätte dienen. Auch Freundeskreise können sich einen gemeinsamen Baum "teilen".

Gemeinschaftsbäume bieten ebenfalls Platz für bis zu zehn Personen, man erwirbt jedoch nur einen Platz für sich selbst. Die Preise für Familien- und Freundschaftsbäume beginnen im FriedWald bei 3.350 Euro und gehen bis 6.350 Euro. Der einzelne Platz an einem Gemeinschaftsbaum kostet 770 Euro. Die Preise pro Baum hängen von der Baumart, der Lage und der Stärke ab. In den Wäldern sind die Preise an bunten Plaketten am Baum erkennbar. Die Gebühr für eine Beisetzung beträgt unabhängig vom ausgewählten Baum 275 Euro.

Diese wird jeweils zur Beisetzung berechnet und enthält die biologisch abbaubare Urne. Ein Bestattungsplatz ist für bis zu 99 Jahre nach Eröffnung des FriedWalds erwerbbar.

Im RuheForst liegen die Grabstätten nicht zwangsläufig an einem Baum. Möglich sind hier 50 bis 100 m2 große RuheBiotope, die auch aus Sträuchern, Lichtungen, moosbewachsenen Baumstümpfen o. ä. bestehen können. Dementsprechend vielfältig gestaltet sich hier die Preisstruktur. Ein Gemeinschaftsbiotop im RuheForst kann bis zu 12 Urnen aufnehmen. Eine Beisetzungsstelle in solch einem Gemeinschaftsbiotop kann zwischen 550 und 1.000 Euro kosten. Ein komplettes Familienbiotop mit 12 Beisetzungsstellen oder ein Einzelbiotop kostet zwischen 3.000 und 6.600 Euro. Für die Herstellung der Graböffnung, die Beisetzung der Urne und das Verschließen des Grabs wird eine Gebühr von 210 Euro erhoben. Eine Beisetzung außerhalb der Regelarbeitszeit ist möglich, kostet jedoch 50 Euro extra (Stand 2011). Die Firma RuheForst besteht seit Dezember 2005.

Abb. 4: Biologisch abbaubare Urne (Foto: C. Brod, FriedWald GmbH)

Die Gräber sind einfach und schlicht. Im Bestattungswald soll die Natur die Grabpflege übernehmen. Der auf Friedhöfen übliche Grabschmuck, Blumen, Gestecke, Kränze und Kerzen sind im Bestattungswald nicht erwünscht.

Ein kleines Schild, auf dem Name und Daten des Verstorbenen sowie religiöse Symbole angegeben werden können, macht auf die Grabstätte aufmerksam. Wer eine anonyme Bestattung möchte, kann aber auch auf dieses Schild verzichten. Angehörige haben dennoch die Möglichkeit, die Grabstätte jederzeit zu finden, denn die Bäume sind gekennzeichnet und in Registern bei der Kommune eingetragen.

In Bestattungswäldern sind nur Urnenbestattungen möglich. Die Urnen sind aus einem biologisch abbaubaren Material gefertigt, so dass sie im Boden nach einigen Jahren zersetzt werden.

Ein Großteil der Interessenten sucht sich zu Lebzeiten den geeigneten Baum aus. "Bei schlechtem Wetter 50, bei gutem bis zu 200 Interessenten", zählt Förster Felix Haas bei den regelmäßig sonntags stattfindenden Führungen durch den Ruheforst Westmünsterland in Coesfeld. "Es ist wirklich erfreulich, wie offen die Leute sind." Aus dem kompletten Umkreis kämen hierfür Interessenten in den Ortsteil Sirksfeld. Dennoch ist die Urnenbestattung in Coesfeld noch kein Massenphänomen wie in den Großstädten in NRW, in denen mittlerweile jeder zweite Verstorbene verbrannt wird.

Dass der Anteil der Feuerbestattungen immer größer wird, ist möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass ein Urnengrab weniger aufwendig zu pflegen ist.

Weitere neue Bestattungsformen sind Aschestreufelder, Kolumbarien, Gemeinschaftsfelder, Anonyme Grabfelder und Rasengräber. Eine Umfrage von tns infratest im Jahr 2007 hat ergeben, dass sich nur noch rund die Hälfte der Bevölkerung ein übliches Erd- oder Urnengrab wünscht. Unter den modernen Bestattungsformen kommen für viele am ehesten die Baumbestattung und das Verstreuen der Asche außerhalb eines Friedhofs in Frage.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009, Aktualisierung 2015