Bergehalden als potenzielle Ziele von Schülerexkursionen

01.01.2011 Eva Maria Wetterau

Inhalt

"Mitten im Ruhrgebiet liegt ein Gebirge, das es vor einigen Jahrzehnten noch gar nicht gab. Ein ganz und gar künstliches Gebirge, das nicht etwa zum Gaudi angehäuft wurde. Sondern als Abfall in Kauf genommen werden musste" (Berke 2009, S. 10). Diese von Menschen geschaffenen Berge prägen das Landschaftsbild der Altindustrieregion bis heute. Sie erfreuen sich häufig als Naherholungs- und Freizeitgebiete großer Beliebtheit. Aber auch als Exkursionsziele – etwa für den Erdkundeunterricht der Mittelstufe – sind sie geeignet und bieten als "Höhen aus der Tiefe" den Schülerinnen und Schülern einen "neuen" oder zumindest anderen Blick auf die Region. Die Jugendlichen können hier den Strukturwandel vor Ort erfahren und nachvollziehen. Sie erkennen von den erhöhten Standpunkten aus das Ruhrgebiet als eng verknüpften Ballungsraum.
 

Bergehalden im Ruhrgebiet

Bergehalden sind ein Erbe des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet. Bei dem Abbau von Kohle wird viel Nebengestein mit an die Oberfläche transportiert und kann i.d.R. nicht wieder unter Tage gebracht werden. Das Bergematerial wird in der Nähe der Förderschächte aufgeschüttet. Aus diesen schwarzen, einst schwelenden Riesen entwickelten sich im Laufe der Zeit durch technischen Fortschritt (Kohlenwäsche, Verdichtungsmaßnahmen etc.) – dank des Engagements der Bevölkerung, Akteuren aus Politik und Wirtschaft sowie verschiedener Institutionen – grüne Hügellandschaften, die so geformt wurden, dass sie sich schließlich zu neuen und beliebten Ausflugszielen entwickeln konnten (s. Beitrag Bekemeier). Sie zeichnen ein vielfältiges und buntes Gesicht der Region und gelten als neue Orientierungspunkte für die Bewohner des Ruhrgebiets und für Besucher. Heute sind sie keine verbotenen Orte mehr, sondern werden selbstbewusst als Orte der Identifikation, der Erinnerung und der Begegnung präsentiert. Sie können einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität für die Menschen im Ruhrgebiet leisten und "durch eine gezielte Vermarktung das Image des Ruhrgebiets nachhaltig verbessern" (Wetterau 2008, S. 56). Dennoch werden sie eher selten als erfolgreiche Projekte der Region thematisiert.

Abb. 1: Die vier größeren Halden im Stadtgebiet von Bottrop

Das Beispiel der Bottroper Bergehalden

In fast jeder Stadt im Ruhrgebiet kann man Halden sehen und besuchen. Trotzdem sind sie "Standorte, welche ein Alleinstellungsmerkmal in der Region besitzen" (Ruhrberge 2007, o. S.). Diese enorme Vielfalt kann allerdings nicht auf einer einzigen Schülerexkursion entdeckt werden. Eine Auswahl ist unvermeidlich. Sehenswert sind zwei Halden in Bottrop, die Halde Prosper-Haniel und die Halde an der Prosperstraße (Alpin-Center), neben der Halde an der Beckstraße (Tetraeder) gelegen, die beide sehr unterschiedliche Konzepte für eine Inwertsetzung von Bergehalden im Ruhrgebiet darstellen.

Bottrop ist ein klassisches Beispiel für jene Städte im Ruhrgebiet, "die sich erst mit dem Bergbau des ausgehenden 19. Jahrhunderts entwickelten" (Neuhoff 2000, S. 98). Bereits 1854 wurde das erste Steinkohlenflöz gefunden. Das Besondere an Bottrop: Trotz der vielen Krisen im Primärenergiebereich ist diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Der Bergbau ist bis heute ein aktueller Bestandteil der Stadtstruktur. Das Verbundbergwerk Prosper-Haniel und die Zentralkokerei Prosper sind seit 1928 in Betrieb (ebd., S. 100). Im Jahr 2008 zählte das Verbundbergwerk 4.000 Beschäftigte; es ist das größte in Deutschland (zum Vergleich: 2008 gab es im Steinkohlenbergbau in ganz NRW 26.614 Beschäftigte).

Abb. 2: Gipfelkreuz auf der Halde Prosper-Haniel (Foto: E. M. Wetterau)

Innerhalb des Stadtgebietes befinden sich allein vier größere Halden, die jeweils paarweise in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen (Abb. 1). So können sie alle – auch ohne einzelnen Besuch – in eine Schülerexkursion mit eingebunden werden. Die noch in Schüttung befindliche Halde Schöttelheide ist nordöstlich der Halde Prosper-Haniel zu sehen. Die durch den Tetraeder bekannteste Halde im gesamten Ruhrgebiet, die Halde an der Beckstraße, liegt nordwestlich der Halde an der Prosperstraße. Beide sind mit einer Brücke verbunden. Neben der "Tetraeder-Halde", dem Aushängeschild der Stadt, erfreuen sich auch die beiden für diese Exkursion ausgewählten Halden (Halde Prosper-Haniel und Halde an der Prosperstraße) großer Beliebtheit und sind über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Sie "leisten damit einen Beitrag für das Image der Stadt Bottrop" (KVR 2002, S. 2). Zudem werden beide untersuchten Bergehalden unter den "Top Ten" der bewerteten Ziele im Haldenführer von BERKE beurteilt (Berke 2010, S. 133).

Die Halde Prosper-Haniel unterstreicht eine besondere Verbindung zwischen bergbaulicher Vergangenheit und Gegenwart: Der Kreuzweg mit dem Gipfelkreuz (Abb. 2) verweist auf die enge religiöse Verbundenheit der Bergleute, die in der heiligen Barbara ihre Schutzpatronin sehen. Die Installation "Totems" nutzt ehemaliges Bergbaumaterial, um eine Beziehung von Industrie und Natur in einer künstlerischen Umsetzung darzustellen. In der Nähe des Gipfelkreuzes steht die einem Amphitheater nachempfundene Bergarena. Sie wird als Einrichtung für Theater-, Oper- und Musicalaufführungen genutzt (Abb. 3). Viele Wege laden zur Sport- und Freizeitausübung ein. Der Nutzungsschwerpunkt der Halde an der Prosperstraße liegt vor allem im Sportund Freizeitsektor. Auf ihr können die Besucher eine Skipiste hinunter carven, sich auf einer Sommerrodelbahn den "Wind um die Ohren wehen" lassen, ihre Geschicklichkeit in einem Hochseilklettergarten testen oder erste Surferfahrungen in einer mobilen Wellenreitanlage sammeln.

Abb. 3: Bergarena auf der Halde Prosper-Haniel (Foto: E. M. Wetterau)

Exkursionsziel und mögliche Ergebnisse

Ziel ist es, die Schüler entdecken zu lassen, welche Formen der Inwertsetzung auf den Halden umgesetzt wurden und ob diese Beispiele gelungene Projekte für eine Folgenutzung sind. Die Formen der Inwertsetzung lassen sich in die Kategorien Religion, Kunst, Kultur, Sport, Freizeit und Naherholung einordnen. Die Bewertung, ob es sich um gelungene Projekte als Folgenutzung von Bergehalden handelt, entscheiden die Schüler selbst. Sie berücksichtigen dabei aber nicht allein ihre subjektive Sicht auf die Konzeptionen, sondern erhalten durch Zusatzmaterial Einblicke in andere Perspektiven weiterer Besucher der Halden. Die Beantwortung der Leitfrage lässt sich anhand dieser theoretischen Konstruktion nicht eindeutig klären. Dies kann erst erfolgen, wenn eine erste Durchführung, d.h. Umsetzung, erkennen lässt, ob Probleme auftauchen, Verbesserungen notwendig sind und wie die tatsächlichen Motive, Kenntnisse und Bewertungen ausfallen. Anhand einer wissenschaftlichen Befragung (2008) lassen sich erste Tendenzen vorhersagen (Wetterau 2010, S. 83 ff.): Beide Halden sind bei den Besuchern beliebt, da sie diese sonst gar nicht erst bestiegen hätten. Viele betonen neben dem Überblick über das Ruhrgebiet den Naherholungswert, dass sie hier ihre Freizeit ausüben und sich sportlich betätigen können, während Kunst und Kultur eher zweitrangig sind. Dennoch wirken beide Konzeptionen in sich stimmig. Die Halde Prosper-Haniel spannt einen Bogen von der bergbaulichen Vergangenheit zu heute und versucht, die neuen Nutzungen mit der eigenen Geschichte in Einklang zu bringen. Die "Skihalde" (Alpin-Center) hat sich der extravaganteren Freizeitgestaltung und den Trendsportarten verschrieben. Inwiefern die Schüler von den Projekten überzeugt oder ihnen gegenüber eher abgeneigt sind, hängt jedoch stark von der eigenen Persönlichkeit, den eigenen Vorlieben und Interessen ab.

Das Exkursionsthema bietet den Schülern vielfältige Chancen, ihre Kompetenzen in allen Bereichen weiter zu entwickeln und zu trainieren. Das Erkennen eines geographischen Alleinstellungsmerkmals und die räumliche Orientierungskompetenz werden an jedem Standort geschult. Durch die Handlungsorientierung bekommen die Schüler zudem einen anderen Zugang zu dem Fach Erdkunde. Sie können entdecken, wie vielfältig die Arbeit vor Ort als Geograph ist, so dass bei einigen ein größeres Interesse am Fach geweckt wird und dieses so als potenzielles Wahlfach für einen Grundkurs oder einen Leistungskurs in der Oberstufe in Frage kommt. Außerdem werden die Methodenkenntnisse während der Exkursion verbessert: Sie nutzen Karten, Kompass und Fernglas zur Orientierung, zeichnen Strukturen des Geländes und gewinnen weitere Daten durch eine eigens durchgeführte Befragung der Besucher. Diese Resultate werden im Klassenzimmer detailliert ausgewertet, so dass sie ein ganz eigenes geographisches Projekt mitverantwortlich gestalten können. Sie erhalten einen Einblick in das wissenschaftliche Arbeiten und trainieren parallel ihre Persönlichkeitsentwicklung in den Kleingruppen.

Didaktischer Hinweis

Eine Exkursion sollte niemals allein für sich stehen. Eine gute Vor- und Nachbereitungsphase ist unerlässlich. Die Schüler sind im Vorfeld mit den Begriffen Bergehalde und Haldengenerationen vertraut zu machen. Nach der Exkursion sollten die eigens erhobenen Daten detailliert ausgearbeitet und für eine Präsentation aufbereitet werden. Abschließend ist eine Feedbackrunde notwendig.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2011