Der Ausbildungsmarkt in Westfalen
Die Situation in Westfalen insgesamt
In den Statistiken des Ausbildungsmarktes erstreckt sich ein Berichtsjahr jeweils vom 01.10. bis zum 30.09. des Folgejahres. Laut Bundesagentur für Arbeit wurden in Westfalen im Berichtsjahr 2012/13 insgesamt 73.497 Bewerber zur Berufsausbildung registriert (Rheinland: 70.461). Rund 96% dieser Bewerber konnten in diesem Berichtsjahr "versorgt" werden, wobei allerdings hierbei diejenigen mitgezählt sind, die die Lehrstelle nicht antraten, sondern sich für eine "Alternative" entschieden, z. B. für einen weiteren Schulbesuch oder einen freiwilligen sozialen Dienst. Insgesamt blieben in Westfalen 2.907 "unversorgte Bewerber" übrig, die im September 2013 weder eine Lehrstelle noch eine Alternative gefunden hatten (Rheinland: 3.420). Andererseits waren zu diesem Zeitpunkt aber auch 2.237 Berufsausbildungsstellen, die die Betriebe den Agenturen für Arbeit in Westfalen gemeldet hatten, noch unbesetzt. Dies führen die Vertreter der Ausbildungsbetriebe in erster Linie darauf zurück, dass die potenziellen Bewerber nicht die gewünschte Flexibilität in Bezug auf Ausbildungsort und -beruf aufwiesen und/oder weil deren Kompetenzen und Qualifikationen nicht den Anforderungen der Betriebe entsprachen. Es wird z. B. darauf verwiesen, dass 2012 etwa in einigen Ruhrgebietsstädten mehr als 7%, teilweise sogar mehr als 8% der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss verließen.
Vergleicht man die Ausbildungsmarkt-Zahlen mit denen des vorausgegangenen Berichtsjahres 2011/12, so zeigt sich, dass die Gesamtzahl der Bewerber zum Berichtsjahr 2012/13 – trotz des doppelten Abiturjahrgangs, der im Sommer 2013 die Schulen verließ – nur geringfügig anstieg, während gleichzeitig die Zahl der angebotenen Lehrstellen geringfügig sank.
Etwa 16% der Bewerber waren Abiturienten.
Am beliebtesten bzw. zahlenmäßig am bedeutsamsten sind bei den Ausbildungsberufen nach wie vor die kaufmännischen Berufsgruppen, außerdem bei den männlichen Auszubildenden die Kraftfahrzeugmechatroniker und die Elektroniker sowie bei den weiblichen Auszubildenden die medizinischen Fachangestellten.
Dementsprechend sind für etwa 60% der Auszubildenden die Industrie- und Handelkammern zuständig, für ca. 25% die Handwerkskammern, für die übrigen Auszubildenden entweder andere Kammern (z. B. Ärztekammern, Apothekerkammern, Rechtsanwaltskammern, Landwirtschaftskammer usw.) oder Behörden des öffentlichen Dienstes.
Die Situation im Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte
Während die oben genannten Zahlen für die Gesamtregion Westfalen gelten, stellt sich die Situation in den einzelnen Kreisen bzw. kreisfreien Städten sehr unterschiedlich dar.
Die absoluten Bewerberzahlen um eine Ausbildungsstelle bewegen sich zwischen 6.874 (im bevölkerungsreichsten Kreis Recklinghausen) und 1.271 (im Kreis Höxter).
Wenn man jedoch die Anzahl der Lehrstellenbewerber pro 1.000 Einwohner rechnet, zeigt sich folgendes Bild (Abb. 1):
In den kreisfreien Städten ist die entsprechende Bewerberquote relativ hoch. Sie kann hier sicherlich zumindest teilweise in Beziehung gesetzt werden zur jeweiligen Sozialstruktur sowie zur Quote der Gymnasiasten und Abiturienten unter den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen. So beträgt z. B. in Herne, Hagen und Gelsenkirchen der Anteil der Gymnasiasten an allen Schülern zwischen ca. 20 und 27%. 10 bis 12 Lehrstellenbewerber pro 1.000 Einwohner werden hier jeweils gezählt. In Münster dagegen liegt der Anteil der Gymnasiasten bei über 40%. Außerdem verändert hier die hohe Zahl an Studierenden die Bevölkerungsstruktur erheblich. Daher verwundert es kaum, dass hier nur 5,7 Lehrstellenbewerber pro 1.000 Einwohner gezählt werden. Auch in den Hochschulstandorten Bochum und Dortmund ist die Bewerberquote um Ausbildungsplätze relativ niedrig.
In den Kreisen spielen dagegen wohl andere Aspekte eine wichtige Rolle, z. B. die Erfahrung, dass man etwa im Münsterland mit seinen vorwiegend kleineren und mittleren Familienunternehmen und der dort herrschenden niedrigen Arbeitslosenquote wirtschaftlich gut dasteht (s. Beitrag Wittkampf), sodass es sinnvoll erscheint, sich dort beruflich zu engagieren. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Anteile derjenigen Ausbildungsstellenbewerber, die Ende September 2013 noch keine Lehrstelle gefunden hatten, obwohl das neue Ausbildungsjahr am 01.10. begann (Abbn. 2 u. 3). Die entsprechenden Quoten liegen im Münsterland und in Südwestfalen niedriger als im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen-Lippe. Eine Ausnahme bildet dabei in OWL der Kreis Lippe. Hier bleiben nur sehr wenige Bewerber unversorgt. In einer Pressemitteilung der IHK Lippe zu Detmold vom 30.10.2013 wird in diesem Zusammenhang verwiesen auf die "hervorragende Zusammenarbeit aller lippischen Partner in der Berufsorientierung" sowie den "persönlichen Einsatz der Handwerksunternehmer, auch denjenigen Schulabgängern eine Chance zu geben, die den klassischen schulischen Anforderungen nicht immer gerecht werden" (www.detmold.ihk.de). Ähnliches dürfte für das Münsterland und Südwestfalen gelten.
Wenn in eher ländlichen Regionen Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, spielen sicherlich auch die Flexibilität und Mobilität der Bewerber, die verkehrliche Erreichbarkeit der Ausbildungsstellen und die wirtschaftlichen Strukturen insgesamt eine bedeutende Rolle. Mitarbeiter der Arbeitsagenturen weisen in diesem Zusammenhang u. a. darauf hin, dass manche Bewerber längere Fahrten oder gar einen Umzug scheuen, wenn ein Ausbildungsplatz erst in einiger Entfernung verfügbar ist. Dabei spielt es z. B. eine Rolle, wie es um die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln steht, ob die potenziellen Bewerber bereits im Besitz eines Führerscheins oder gar eines Autos sind und wie ihre Familien wirtschaftlich gestellt sind.
Sowohl in den größeren Städten als auch auf dem Land ist außerdem nicht auszuschließen, dass manchmal noch bestimmte Traditionen – z. B. auch bei Familien mit Migrationshintergrund (s. Beitrag Wittkampf) – es gerade jungen Frauen erschweren, selbstständig zu weiter entfernten Ausbildungsorten zu fahren oder dorthin umzuziehen.
Dass bei den Ausbildungspendlern generell die Städte – außer z. B. Bottrop, Hamm und Herne – überwiegend Einpendlerüberschüsse und die Kreise eher Auspendlerüberschüsse aufweisen, ist auf die Konzentration zentraler Einrichtungen und Dienstleistungsbetriebe gerade in den Städten zurückzuführen. Den mit Abstand höchsten Ausbildungs-Einpendlerüberschuss hat die Stadt Münster (Abb. 4).
Im Ruhrgebiet und seiner Randzone fällt die hohe Zahl an Ausbildungsverträgen auf, die vorzeitig wieder gekündigt werden (Abb. 5). Teilweise liegt dies daran, dass vor allem in den Städten "Jobs" locken, von denen die jungen Leute sich auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung relativ schnell einen guten Verdienst versprechen. In den ländlicheren Regionen scheinen solche Anreize weniger stark zu sein. Ob darüber hinaus auch mögliche soziale oder räumliche Unterschiede in Bezug auf Mentalität und der Durchhaltewille eine Rolle spielen, ist nicht belegbar.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | BfA Bundesagentur für Arbeit (Hg.) (2013): NRW-Ausbildungsmarkt 2012/13: Enttäuschende Bilanz. Nürnberg (Presseinformation 045/2013 vom 30.10.2013 und Anlage 1) (www.arbeitsagentur.de) | |
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G.I.B. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (Hg.) (2013): Arbeitsmarktreport NRW 2013. |
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• | G.I.B. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (Hg.) (2013): Arbeitsmarktreport NRW 2013. Sonderbericht: Situation der jungen Menschen (15 bis unter 35 Jahre) am Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Bottrop | |
• | Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen (Hg.) (2013): IHK Nord Westfalen meldet mehr besetzte Stellen. Mitteilung vom 30.10.2013. Münster (www.ihk-nordwestfalen.de) | |
• | IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2013): Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf (Statistische Berichte, Nr. B273 2012 00) (www.it.nrw.de) | |
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WN Westfälische Nachrichten vom 05.11.2013: Artikel "Der große Ansturm blieb aus" und "Für jeden Bewerber eine Lehrstelle" |
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• | www.arbeit.nrw.de | |
• | www.detmold.ihk.de | |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Bevoelkerung/Migranten |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Arbeitslosigkeit |
Erstveröffentlichung 2014