Der Ausbildungsmarkt in Westfalen

01.01.2014 Peter Wittkampf

Inhalt

Die Situation in Westfalen insgesamt

Die Situation der beruflichen Ausbildung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ("Ausbildungsmarkt") steht zunehmend im Blickpunkt des Interesses – nicht zuletzt vor dem Hintergrund drohender Probleme in Bezug auf Jugendarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel.
Abb. 1: Bewerber um neu zu besetzende Ausbildungsstellen 2012/13 pro 1.000 Einwohner (Quelle: www.arbeitsagentur.de und eigene Berechnungen)

In den Statistiken des Ausbildungsmarktes erstreckt sich ein Be­richtsjahr jeweils vom 01.10. bis zum 30.09. des Folgejahres. Laut Bundesagentur für Arbeit wurden in Westfalen im Berichtsjahr 2012/13 insgesamt 73.497 Bewerber zur Berufsausbildung registriert (Rheinland: 70.461). Rund 96% dieser Bewerber konnten in diesem Berichtsjahr "versorgt" werden, wo­bei allerdings hierbei diejenigen mitgezählt sind, die die Lehrstelle nicht antraten, sondern sich für eine "Al­ter­native" entschieden, z. B. für einen weiteren Schulbesuch oder einen freiwilligen sozialen Dienst. Insgesamt blieben in Westfalen 2.907 "unversorgte Be­werber" übrig, die im September 2013 weder eine Lehrstelle noch eine Al­ternative gefunden hatten (Rheinland: 3.420). Andererseits waren zu diesem Zeitpunkt aber auch 2.237 Berufsausbildungsstellen, die die Be­triebe den Agenturen für Arbeit in Westfalen gemeldet hatten, noch unbesetzt. Dies führen die Vertreter der Ausbildungsbetriebe in erster Linie darauf zurück, dass die potenziellen Bewerber nicht die ge­wünschte Flexibilität in Bezug auf Ausbildungsort und -beruf aufwiesen und/oder weil de­ren Kompetenzen und Qualifikationen nicht den Anforderungen der Betriebe entsprachen. Es wird z. B. darauf verwiesen, dass 2012 etwa in einigen Ruhrgebietsstädten mehr als 7%, teilweise sogar mehr als 8% der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss verließen.

Abb. 2: ''Unversorgte'' Ausbildungsstellenbewerber im Oktober 2013 in Prozent (Quelle: www.arbeitsagentur.de und eigene Berechnungen)

Vergleicht man die Ausbildungsmarkt-Zahlen mit denen des vorausgegangenen Berichtsjahres 2011/12, so zeigt sich, dass die Gesamtzahl der Bewerber zum Berichtsjahr 2012/13 – trotz des doppelten Abi­turjahrgangs, der im Sommer 2013 die Schulen verließ – nur ge­ring­fügig anstieg, während gleichzeitig die Zahl der angebotenen Lehrstellen geringfügig sank.

Etwa 16% der Bewerber waren Abiturienten.

Am beliebtesten bzw. zahlenmäßig am bedeutsamsten sind bei den Ausbildungsberufen nach wie vor die kaufmännischen Berufsgruppen, au­ßerdem bei den männlichen Auszubildenden die Kraftfahrzeugmechatroniker und die Elektroniker so­wie bei den weiblichen Auszubildenden die medizinischen Fachangestellten.

Dementsprechend sind für etwa 60% der Auszubildenden die Indus­trie- und Handelkammern zuständig, für ca. 25% die Handwerkskammern, für die übrigen Auszubildenden entweder andere Kammern (z. B. Ärztekammern, Apothekerkammern, Rechtsanwaltskammern, Landwirtschaftskammer usw.) oder Behörden des öffentlichen Dienstes.

Abb. 3: Verhältnis ''unversorgter'' Ausbildungsstellenbewerber zu offen gebliebenen Ausbildungs- stellen im Oktober 2013 (Quelle: www. arbeitsagentur.de und eigene Berechnungen)

Die Situation im Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte

Während die oben genannten Zahlen für die Gesamtregion Westfalen gelten, stellt sich die Situation in den einzelnen Kreisen bzw. kreisfreien Städten sehr unterschiedlich dar.

Die absoluten Bewerberzahlen um eine Ausbildungsstelle bewegen sich zwischen 6.874 (im bevölkerungsreichsten Kreis Recklinghausen) und 1.271 (im Kreis Höxter).

Wenn man jedoch die Anzahl der Lehrstellenbewerber pro 1.000 Einwohner rechnet, zeigt sich folgendes Bild (Abb. 1):
In den kreisfreien Städten ist die entsprechende Bewerberquote relativ hoch. Sie kann hier sicherlich zumindest teilweise in Beziehung gesetzt werden zur jeweiligen Sozialstruktur sowie zur Quote der Gymnasiasten und Abiturienten unter den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen. So beträgt z. B. in Herne, Hagen und Gelsenkirchen der Anteil der Gymnasiasten an allen Schülern zwischen ca. 20 und 27%. 10 bis 12 Lehrstellenbewerber pro 1.000 Einwohner werden hier jeweils gezählt. In Münster dagegen liegt der Anteil der Gymnasiasten bei über 40%. Außerdem verändert hier die hohe Zahl an Studierenden die Bevölkerungsstruktur erheblich. Daher verwundert es kaum, dass hier nur 5,7 Lehrstellenbewerber pro 1.000 Einwohner gezählt werden. Auch in den Hochschulstandorten Bochum und Dortmund ist die Bewerberquote um Ausbildungsplätze relativ niedrig.

Abb. 4: Ausbildungspendlerrela- tionen in Prozent (Quellen: Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, April 2013; www.arbeit.nrw.de)

In den Kreisen spielen dagegen wohl andere Aspekte eine wichtige Rolle, z. B. die Erfahrung, dass man etwa im Münsterland mit seinen vorwiegend kleineren und mittleren Familienunternehmen und der dort herrschenden niedrigen Arbeitslosenquote wirtschaftlich gut dasteht (s. Beitrag Wittkampf), sodass es sinnvoll erscheint, sich dort beruflich zu engagieren. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Anteile derjenigen Ausbildungsstellenbewerber, die Ende September 2013 noch keine Lehrstelle gefunden hatten, obwohl das neue Ausbildungsjahr am 01.10. begann (Abbn. 2 u. 3). Die entsprechenden Quoten liegen im Münsterland und in Südwestfalen niedriger als im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen-Lippe. Eine Ausnahme bildet dabei in OWL der Kreis Lippe. Hier bleiben nur sehr wenige Bewerber unversorgt. In einer Pressemitteilung der IHK Lippe zu Detmold vom 30.10.2013 wird in diesem Zusammenhang verwiesen auf die "hervorragende Zusammenarbeit aller lippischen Partner in der Berufsorientierung" sowie den "persönlichen Einsatz der Handwerksunternehmer, auch denjenigen Schulabgängern eine Chance zu geben, die den klassischen schulischen Anforderungen nicht immer gerecht werden" (www.detmold.ihk.de). Ähnliches dürfte für das Münsterland und Südwestfalen gelten.

Wenn in eher ländlichen Regionen Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, spielen sicherlich auch die Flexibilität und Mobilität der Bewerber, die verkehrliche Erreichbarkeit der Ausbildungsstellen und die wirtschaftlichen Strukturen insgesamt eine bedeutende Rolle. Mitarbeiter der Arbeitsagenturen weisen in diesem Zusammenhang u. a. darauf hin, dass manche Bewerber längere Fahrten oder gar einen Umzug scheuen, wenn ein Ausbildungsplatz erst in einiger Entfernung verfügbar ist. Dabei spielt es z. B. eine Rolle, wie es um die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln steht, ob die potenziellen Bewerber bereits im Besitz eines Führerscheins oder gar eines Autos sind und wie ihre Familien wirtschaftlich gestellt sind.

Abb. 5: Vertragsauflösungsquote 2011 in Prozent (Quellen: Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, April 2013; www.arbeit.nrw.de)

Sowohl in den größeren Städten als auch auf dem Land ist außerdem nicht auszuschließen, dass manchmal noch bestimmte Traditionen – z. B. auch bei Familien mit Migrationshintergrund (s. Beitrag Wittkampf) – es gerade jungen Frauen er­schweren, selbstständig zu weiter entfernten Ausbildungsorten zu fahren oder dorthin umzuziehen.

Dass bei den Ausbildungspendlern generell die Städte – außer z. B. Bot­trop, Hamm und Herne – überwiegend Einpendlerüberschüsse und die Kreise eher Auspendlerüberschüsse aufweisen, ist auf die Konzentration zentraler Einrichtungen und Dienstleistungsbetriebe gerade in den Städten zurückzuführen. Den mit Abstand höchsten Ausbildungs-Einpendlerüberschuss hat die Stadt Münster (Abb. 4).

Im Ruhrgebiet und seiner Randzone fällt die hohe Zahl an Ausbildungsverträgen auf, die vorzeitig wieder gekündigt werden (Abb. 5). Teilweise liegt dies daran, dass vor allem in den Städten "Jobs" locken, von denen die jungen Leute sich auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung relativ schnell einen gu­ten Verdienst versprechen. In den ländlicheren Regionen scheinen solche Anreize weniger stark zu sein. Ob darüber hinaus auch mögliche soziale oder räumliche Unterschiede in Bezug auf Mentalität und der Durchhaltewille eine Rolle spielen, ist nicht belegbar.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2014