AGRAVIS – der unbekannte Riese

07.03.2016 Rudolf Grothues

AGRAVIS-Konzernzentrale in Münster (Quelle: AGRAVIS Raiffeisen AG)

Ursprünglich als regionale Genossenschaft gegründet, verwurzelt in und mit der Region, hat sich das münsteraner Unternehmen AGRAVIS mittlerweile zum zweitgrößten Agrarhändler in ganz Europa entwickelt. Im Geschäftsjahr 2013 sprang der Umsatz noch einmal um 6% auf 7,5 Mrd. Euro (Vorjahr 7,1 Mrd.). Damit ist AGRAVIS nach Bertelsmann (Gütersloh), Rethmann (Selm), Dr. Oetker (Bielefeld) das viertgrößte Unternehmen in Westfalen (nach Umsatz 2012/13), knapp vor der Benteler-Gruppe (Paderborn) und Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Tab. 1). Das Vorsteuerergebnis lag 2013 bei 53,2 Mio. Euro (Vorjahr 49,8 Mio.).

Muttergesellschaft des AGRAVIS-Konzerns ist die AGRAVIS Raiffeisen AG mit Sitz in Münster und Hannover. Sie entstand im Oktober 2004 durch den Zusammenschluss der Raiffeisen Central-Genossenschaft Nordwest eG in Münster und der Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG in Hannover.

Tab. 1: Die 10 umsatzstärksten Unternehmen in Westfalen 2012/13 (Quellen: Wirtschaftsblatt 5/2010 und 1/2014; eigene Recherche)

Erstere war 1990 durch den Zusammenschluss der LZG Oldenburg, Zegeno Osnabrück und WCG Münster gebildet worden. Die Hauptgenossenschaft in Hannover verdankt ihre Größe vor allem dem "Mauerfall" und der dann folgenden Ausdehnung nach Sachsen, Brandenburg und Berlin. Beide Teilunternehmen blickten bei ihrer Fusion auf eine mehr als 100-jährige Historie zurück.

In den Konzernabschluss einbezogen sind zum Stichtag 31.12.2013 insgesamt 101 Tochterunternehmen mit 5.813 Mitarbeitern. Das Absatzgebiet reicht über Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bis nach Bremen, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Rd. jeder vierte Euro Umsatz kommt aber immer noch aus Westfalen (2009). Zusätzlich reagiert das Unternehmen auf die globale Vernetzung von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln mit einer internationalen Strategie und hat z. B. 2012 mit einer dänischen Gruppe ein Joint Venture gebildet, um gemeinsam vor allem den osteuropäischen Markt zu bedienen. Ebenfalls gemeinsam mit den Dänen wurde 2013 in Polen ein Agrarhandelsstandort mit einer Lagerkapazität von 50.000 t aufgebaut.

Abb. 1: Umsatzzahlen 2013 nach Konzernbereichen (Quelle: AGRAVIS Raiffeisen AG)

AGRAVIS zählt zu den insgesamt noch fünf landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaften in Deutschland. Das gekennzeichnete Kapital der AGRAVIS Raiffeisen Aktiengesellschaft betrug zum Ende 2013 183,6 Mio. Euro und ist verteilt auf 7,17 Mio. sog. vinkulierte Namensaktien (nennwertlose Stückaktien). 60,2% der Aktien befinden sich im Besitz von Genossenschaften bzw. genossenschaftlichen Gesellschaften, 28,9% bei branchennahen Privatpersonen und Gesellschaften, 6,7% bei den Mitarbeitern und 4,2% bei landwirtschaftlichen Betrieben. Für 2013 wurde je Aktie ein Betrag von 1,56 Euro ausgeschüttet (gleicher Wert wie im Vorjahr). Bezogen auf den Nominalwert einer Aktie von 25,60 Euro errechnet sich eine Dividendenrendite von 6,1%.

75% des Umsatzes kommen aus den Bereichen Pflanzen, Tiere und Technik (Abb. 1).

Im Bereich Pflanzen (Düngemittel, Pflanzenschutz, Saaten und Agrarerzeugnisse) lag der Umsatz bei 3,78 Mrd. Euro, im Bereich Tiere (Mischfutter, Futtermittel-Spezialprodukte und Tierarzneimittel bei 1,16 Mrd. Euro. Insgesamt besitzt der Konzern über 15 Futtermittelwerke, in denen jährlich rd. 3,6 Mio. t Futtermittel produziert werden. Die Umsatzrendite liegt in diesem Bereich bei lediglich 0,70 Euro Gewinn je 100 Euro Umsatz. Weitere Werke sind im Aufbau bzw. sollen hinzugekauft werden.

Im Bereich Technik (Trecker, Mähdrescher, LKW und PKW) wurden 689 Mio. Euro umgesetzt, darin sind 24.000 Neu- und Gebrauchtmaschinen enthalten. Zu diesem Geschäftsfeld zählt auch der im Münsterland bekannte Volvo-Händler VOVIS. Dazu kommen die Bereiche Bauservice (118 Mio. Euro) und Märkte (144 Mio. Euro).

Von 16 selbst betriebenen Märkten liegen jedoch nur zwei Standorte in Westfalen (Abb. 2), die meisten sind in Niedersachen und Mecklenburg-Vorpommern zu finden. Über weitere Raiffeisen-Märkte von derzeit 33 regionalen Genossenschaften werden auch AGRAVIS-Produkte aus den Bereichen Reitsport, Haus und Heimwerker, Heimtier und Garten vertrieben. Ein Online-Shop mit einem Distributionszentrum in Münster ist im Aufbau. Dazu wird im Gewerbegebiet Loddenheide eine Investition von 3,5 Mio. Euro in ein neues 7.500m2 großes Logistikzentrum getätigt.

Auch das Baustoffunternehmen Theodor Elbers in Münster gehört zu AGRAVIS.

Abb. 2: Ausgewählte Standorte des AGRAVIS-Konzerns in Westfalen (2014) (Quellen: Geschäftsbericht 2013, www.agravis.de)

Leicht rückläufig war zuletzt der Umsatz im Bereich Energie (Kraftstoffe, Tankstellen), er ging auf 1,59 Mrd. Euro zurück. Insgesamt unterhält der Konzern in Deutschland 400 Standorte, davon knapp über 100 in Westfalen.

Schwerpunkt der Aktivitäten ist ohne Zweifel die Unternehmenszentrale in Münster (Abb. 2). Hier konzentrieren sich Produktionsstandorte, aber vor allem auch die Hauptverwaltungen und die Holdings der verschiedenen Sparten. Auch sind hier zentrale Serviceeinheiten angesiedelt, wie eine Marketing-Agentur und eine Finanzberatung.

Mit dem Motto "Wir helfen wachsen" versteht sich AGRAVIS als Partner für den ländlichen Raum, der neben dem unternehmerischen Handeln, Leistung und Dividende auch auf die Nachhaltigkeit setzt.

Die schwachen Getreidepreise sowie die schwache Entwicklung in den Energie-, Fleisch- und Milchmärkten haben im Jahr 2015 bei AGRAVIS zu einem Umsatzeinbruch auf knapp 7,0 Mrd. Euro geführt. Das Vorsteuerergebnis hat sich aber nur wenig verringert (45,1 Mio. Euro).

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2014, Aktualisierung 2016