Allgemeinbildende Schulen in Westfalen: Schulabgänge und Schulabschlüsse

28.07.2021 Peter Wittkampf

Kategorie: Bildung, Kultur und Sport

Schlagworte: Westfalen · Schule · Bildung

Inhalt

Wie viele Schülerinnen und Schüler verlassen pro Jahr die weiterführenden Schulen in Westfalen, und welche Schulabschlüsse haben sie erreicht? Gibt es dabei Entwicklungstendenzen oder Auffälligkeiten?

Tab. 1: Schulabgänge in Westfalen von allgemeinbildenden Schulen sowie erreichte Abschlüsse (in %) (Quelle: IT.NRW)

Die Gesamtzahlen

Ende des Schuljahres 2019/20 haben in Westfalen 87.215 Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Schule verlassen. Tabelle 1 zeigt zusätzlich die dabei erreichten Schulabschlüsse in Prozent und die entsprechenden Vergleichszahlen für das Ende der Schuljahre 2014/15 und 2009/10. In Bezug auf die Gesamtzahl der Schulabgänge ist der deutliche Rückgang vor allem im letzten Fünfjahreszeitraum – von 2015 bis 2020 – bemerkenswert. Die allgemeinen demographischen Entwicklungen schlagen sich hier nieder. Weniger Schulentlassungen können u.a. für das Handwerk, die Industrie oder den Dienstleistungssektor eine geringere Anzahl an Bewerbenden um eine Ausbildung bedeuten, wodurch in Zukunft der Fachkräftemangel noch gravierender werden könnte.

Die nordrhein-westfälischen Indus­trie- und Handelskammern scheinen dabei mit den Problemen noch einigermaßen gut zurecht zu kommen. Sie weisen in ihrem Ausbildungsbericht 2020 darauf hin, dass 2019 zwar die Anzahl der Schulabgänge in NRW um 13,7% gegenüber 2009 zurückgegangen sei, die Anzahl der in ihrem Zuständigkeitsbereich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge aber nur um 3,2%, vor allem weil immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten eine Ausbildung beginnen. 2019 besaßen – laut IHK NRW – 50% der Bewerbenden die (Fach)Hochschulreife, während es 2009 noch 39% waren.

Abb. 1: Rückgang der Schulabgänge 2015 – 2020 und Anteil der Schulabgänge mit Fachoberschulreife 2020 (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Die Zahl der Schulabgänge hat sich in allen westfälischen Kreisen und Städten reduziert, allerdings räumlich in sehr unterschiedlichem Maße (Abb. 1). Die beiden Extreme innerhalb Westfalens stellen dabei im Zeitraum von 2015 bis 2020 einerseits Herne (-1,7%), andererseits der Kreis Borken (-22,1%) dar. In Herne gab es in postmontaner Zeit erhebliche wirtschaftliche Probleme, die Einwohnerzahl nahm ab, junge Familien suchten anderswo eine berufliche Zukunft, die Schülerzahlen an den Schulen gingen zurück. Ganz anders im Münsterland: Ein starkes Wirtschaftswachstum im letzten Viertel des 20. Jh.s sorgte für den Zuzug vor allem junger Leute. So wuchs die Einwohnerzahl des Kreises Borken – laut Angaben des Kreises – beispielsweise zwischen 1980 und 2000 um 20%, und sehr viele Kinder und Jugendliche gingen dort zur Schule (https://kreis-borken.de/.../). Seit etwa 2005 jedoch stagniert dort die Einwohnerzahl. Den Jahren des "Schülerbooms" mit stark wachsenden Zahlen folgten nun, als diese vielen Schüler ins Erwachsenenalter kamen, Jahre eines massiven Schülerrückgangs.

Ähnliche Entwicklungen gab es auch z.B. in den Kreisen Gütersloh (-19,5%), Steinfurt (-18,9%), Warendorf (-18,5%) und im Märkischen Kreis (-18,5%) (Abb. 1).

Abb. 2: Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten 2020 und Erhöhung ihres Anteils gegenüber 2010 (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Schulabschlüsse

Bis einschließlich 2019 übertraf in Westfalen die Zahl der Schulabgänge mit Fachoberschulreife (früher: "Mittlere Reife") die der Abiturientinnen und Abi­turi­enten (Hochschulreife). Im Sommer 2020 hat sich diese "Rangfolge" umgekehrt (Tab. 1). Auch hierbei zeigen sich allerdings Unterschiede innerhalb Westfalens: Im Münsterland und im Sauerland beispielsweise war diese "Umkehr" in der Regel noch nicht zu beobachten (Abb. 1). Prozentual die meisten Schulabsolvierenden mit Fachoberschulreife gab es 2020 noch in den Kreisen Borken (44,4%), Herford (42,7%), im Hochsauerlandkreis (42,5%) und im Kreis Lippe (41,6%). In diesen Regionen ist die Wirtschaftsstruktur stark durch mittelständische Industriebetriebe und Familienunternehmen geprägt. In den Kreisen Borken, Herford und im Hochsauerlandkreis beispielsweise waren 2019 ca. 41% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im produzierenden Gewerbe tätig. Zum Vergleich: In Münster waren es 12,7%, in Bochum und Dortmund ca. 17% (www.it.nrw/kommunalprofile/.../).

Die Industrie- und Handelskammern haben vor einiger Zeit ein Faltblatt veröffentlicht mit dem Titel "Was erwartet die Wirtschaft von den Schulabgängerinnen und Schulabgängern?" (www.mags.nrw/.../). Die darin beschriebenen Fachkompetenzen, die man sich z.B. in Bezug auf die deutsche Sprache, auf Mathematik, die Naturwissenschaften und Englisch wünscht, entsprechen recht genau dem Profil, das in den Realschulen oder in vergleichbaren anderen Bildungsgängen bei den Lernzielen für die Fachoberschulreife angestrebt wird.

Besonders niedrige Quoten bei den Schulabgängen mit Fachoberschulreife gab es in Gelsenkirchen (27,8%) und Münster (28,8%) (Abb. 1). Dies hat allerdings unterschiedliche Gründe: In Gelsenkirchen war 2020 der Anteil der Schulabgänge mit Hauptschulabschluss mit 24,9% der höchste in ganz Westfalen, ebenso der Anteil derjenigen Abgänge, die keinen Hauptschulabschluss erreicht haben (8,9%). In Münster dagegen verließen nur 9,7% aller Schülerinnen und Schüler die Schule mit Hauptschulabschluss. Dafür ist in Münster der Anteil der Schulabgänge mit Abitur extrem hoch, er betrug hier 2020 53,1%. Die niedrigste Abiturientenquote wies dagegen die Stadt Hamm auf (29,0%) (Abb. 2).

Bei den Schulabgängen mit Hochschulreife ist auch die Entwicklung der Quoten in den letzten zehn Jahren interessant (Abb. 2). Sie erhöhte sich in allen westfälischen Kreisen und kreisfreien Städten. Besonders deutlich wuchs sie allerdings dort, wo man auf die Herausforderung einer wirtschaftlichen Modernisierung offenbar besonders ambitioniert reagierte. Im Kreis Borken etwa lag der Abiturientenanteil 2010 bei 22,2%, im Sommer 2020 bei 32,5%, also um 10,3 Prozentpunkte höher. Sogar noch etwas deutlicher waren die Anstiege in den Kreisen Gütersloh (+10,6Prozentpunkte) und im Märkischen Kreis (+10,5). Dagegen wies Hamm in dieser Hinsicht die geringste Steigerung auf (+2,2).

Geschlechterspezifische Merkmale

Auch bei den geschlechterspezifischen Kennzahlen zeigen sich Auffälligkeiten. Dies betrifft vor allem die Hauptschulabschlüsse und das Abitur. Wie generell in Deutschland, verlassen auch in Westfalen deutlich mehr Jungen als Mädchen (Verhältnis: 60:40) die Schule mit dem Hauptschulabschluss. Bei den Abgängen ohne Hauptschulabschluss beträgt das Verhältnis sogar 62:38. Dagegen hat beim Abitur der Anteil der Schulabgängerinnen mit 56:44 ein Übergewicht (IT.NRW).

Wissenschaftliche Untersuchungen über die Gründe kommen zu dem Schluss, dass die Mädchen aufgrund ihres Lern- und Sozialverhaltens von den Lehrkräften die besseren Noten bekommen (Hannover u. Ollrogge 2021).

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2021