LEADER-Regionen in Westfalen: ein vorläufiges Fazit am Ende des Förderzeitraums 2007–2013

19.05.2015 Meinolf Rohleder

Inhalt

Für die 12 LEADER-Regionen in Nordrhein-Westfalen, davon alleine neun mit zusammen 57 Städten und Gemeinden innerhalb Westfalens (als 58. westfälische LEADER-Kommune gehört die Gemeinde Raesfeld zur Region Lippe-Issel-Niederrhein), endete mit dem Jahresende 2013 das auf sieben Jahre ausgelegte Förderprogramm der EU (wobei eine große Anzahl der bewilligten, aber noch nicht abgeschlossenen Projekte noch bis zum Jahr 2015 umgesetzt und abgerechnet werden kann). Bislang flossen in die westfälischen Regionen mehr als 12 Mio. Euro EU-Finanzmittel. Die gleiche Summe musste von den beteiligten Regionen aufgebracht werden. Im Vergleich zum gesamten EU-Haushalt erscheinen diese Summen sehr gering. Sicherlich hätte auch das ein oder andere Projekt noch mehr der finanziellen Unterstützung bedurft. Aber im ländlichen Raum, in dem sich die Menschen oft von der Entwicklung in den urbanen Räumen als "abgehängt" empfinden, wurden durch das LEADER-Programm die Möglichkeiten, die eine europäische Zusammenarbeit im Rahmen der EU bietet, auf der kommunalen Ebene konkreter für die Menschen fassbar und nachvollziehbar. Diese "Bewusstseins-Erweiterung" ist vielleicht der wesentliche Kern für den Erfolg des Programms.

Bei einer Präsentation im NRW-Landtag im Juni 2013 zogen die Vertreter der LEADER-Regionen eine vorläufige, aber insgesamt beeindruckende Bilanz (MKUNV NRW 2013). Imponierend war demnach die Vielfalt der mehrere hundert zählenden Projekte, die seit 2007 angeregt, durchdacht, bewilligt und durchgeführt wurden. Insofern hat sich der "Bottom-up-Ansatz", der viel bürgerschaftliches Engagement vor Ort freigesetzt hat, als Instrument einer integrierten Entwicklung des ländlichen Raumes sehr bewährt. Während des Förderzeitraums gelang es, in vielen Dörfern und Städten die Menschen für die Idee zu begeistern, Entwicklungsprozesse selbst in die Hand zu nehmen und ihnen dadurch Verantwortung zu übertragen. Dies stärkte das "Wir-Gefühl" gerade auch in kleineren Orten und trug zur Identifikation mit Kommune, Region und nicht zuletzt Europa bei. Zahlreiche innovative Projekte belegen, dass durch das LEADER-Programm zukunftsorientierte Perspektiven für die ländlichen Räume (neu) eröffnet werden konnten.

Abb. 1: Hinweistafeln am "Radweg Bocholter Aa" in Velen (Foto: M. Rohleder 2013)

Projekte als Markenzeichen

In jeder LEADER-Region wurden Dutzende von Projekten konzeptionell entwickelt, in Workshops oder "Dorf-Werkstätten" vorgestellt und diskutiert. Wenn die Projekte dann vom Vorstand der LEADER-Region grünes Licht erhielten, wurden sie der zuständigen Bezirksregierung zur Bewilligung eingereicht. So wurden z.B. in der Region "Hochsauerland" 68 Projektvorhaben entwickelt, in der Region "4 mitten im Sauerland" waren es 49.

Zahlreiche Projekte sind inzwischen zu einer Art Markenzeichen für einzelne Dörfer geworden: So die "Wildbeobachtungsstation" in Dörentrup (s. Beitrag Rohleder) oder das "Naturerlebnishaus" in Velen wie auch die neu entstandenen Wander- oder Radwege, z.B. der "Weg der Blicke" (Region Nordlippe, s. Beitrag Rohleder), die Wandertour "Der Natur auf der Spur" (Baumberge) oder der "Radweg Bocholter Aa" (Bocholter Aa, s. Beitrag Rohleder). Für die Wander- und Radwege wurden zudem begleitende Faltblätter, Karten, attraktive Wegweiser und Infotafeln entwickelt (Abb.1). Beeindruckend sind auch die Maßnahmen zur Barrierefreiheit in mehreren Kommunen der Region "Steinfurter Land" sowie die Neueinrichtung von Museen und Einrichtungen zur historischen Spurensicherung (Abb. 2).

Zahlreiche Projekte haben im abgelaufenen Zeitraum sicherlich dazu beigetragen, Dorfgeschichte "erlebbar" zu machen. Auch die Zertifizierung des Schmallenberger Sauerlandes zusammen mit der Ferienregion Eslohe im April 2013 als erste "allergikerfreundliche Region" in Westfalen (s. Beitrag Rohleder) ist ein solches Markenzeichen.

Abb. 2: Die Neugestaltung des Sälzermuseums in Salzkotten wurde durch LEADER-Projektmittel unterstützt (Foto: Helmut Steines, Salzkotten)

Übernahme von Projektideen

In den regelmäßig stattfindenden Regionalforen der LEADER-Regionen realisierten die Beteiligten nicht nur eine praktische, überörtliche Vernetzung, es kam darüber hinaus zu einem regen Austausch von Projektideen. Eine solche Projekt-Übernahme war die Einrichtung einer Ausbildungswerkstatt in Olsberg: Die konzeptionelle Idee und ihre praktische Umsetzung lieferte die Region "Südliches Paderborner Land" bereits in der ersten Förderphase von 2002 bis 2007.

Ein weiteres Modellprojekt war eine Grundzentrenanalyse zur Stärkung des Einzelhandels: Die Probleme ähneln sich in vielen Grundzentren – eine älter werdende Bevölkerung, geändertes Einkaufsverhalten, eine gewisse Konsumsättigung und eine sinkende Nachfrage im Ort selbst vor dem Hintergrund der großen Einkaufszentren an Ausfallstraßen außerhalb der Ortsmitte bedeuten zunehmende Leerstände und den Verlust von (sozialer) Infrastruktur. Anhand einer ortsspezifisch angelegten schriftlichen Befragung der Einwohner bzw. der Haushalte wurden das lokale Einkaufsverhalten, die Kaufkraft, die Wahrnehmung und die Bewertung der Gemeinde, das Sortimentsangebot sowie dessen Lücken und Bedarfswünsche erfasst. Interviews mit Kaufleuten und der Verwaltung ergänzten die Befragung. So entstand ein Spiegelbild der Stärken und Schwächen, aber auch der Potenziale. Darauf können nun Entwicklungsprozesse aufbauen. Im Jahr 2012 wurde in Nordwalde und weiteren fünf Grundzentren der Region "Steinfurter Land" diese Grundzentrenanalyse durchgeführt (LAG Steinfurter Land / LAG Tecklenburger Land 2013). Mittlerweile ist diese Untersuchung als "Nordwalder Modell" bekannt und wurde auch in anderen Kommunen, u.a. in Kalletal (Region Nordlippe), eingesetzt.

Neue Wege der Kommunikation

Ein wichtiger Bestandteil des "Bottom-up-Ansatzes" des LEADER-Programms war es, von Anfang an möglichst viele interessierte Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen regelmäßig und in transparenter Weise über die Projektideen zu informieren. Mit Hilfe der eingerichteten Internet-Portale wurden einerseits Protokolle der "Lokalen Aktionsgruppen" sowie der Arbeitsgruppen veröffentlicht, andererseits Infobriefe und Newsletter durch das jeweilige Regionalmanagement publiziert.

Die westfälischen LEADER-Regionen waren während des Förderzeitraums auch mehrfach mit Veranstaltungen und Ausstellungen auf den Grünen Wochen in Berlin präsent. Hier informierten sie ein großes Forum über die Entwicklung ihrer Projekte und wurden so zu Botschaftern der ländlichen Räume Westfalens in Deutschlands Hauptstadt.

Ausblick – der Förderzeitraum 2014–2020

Die Regionalmanager der westfälischen LEADER-Regionen erhoffen sich – nicht zuletzt aufgrund der bislang so erfolgreichen Kooperationen mit zahlreichen Akteuren in den Regionen sowie der Erfahrungen mit der Umsetzung von unterschiedlichen Projektvorhaben – von der Landespolitik weitere Unterstützung für den neuen Förderzeitraum 2014–2020. Folgende Anliegen stehen dabei im Mittelpunkt:
–  Zulassung privater Mittel zur Kofinanzierung des LEADER-Förderanteils,
–  Abbau von bürokratischen Hemmnissen,
–  Förderung von regionalen Entwicklungsstrategien auf Grundlage der eigenen Potenziale,
–  größere Anzahl von LEADER-Regionen in Nordrhein-Westfalen,
–  angemessene Mittelausstattung des LEADER-Schwerpunktes,
–  Einrichtung einer Servicestelle für die ländlichen Räume (LEADER-Regionen in NRW 2013).

Die Rahmenbedingungen der neuen Förderphase 2014–2020 sind im Herbst 2013 von der Europäischen Union beschlossen worden. Der Start für erneute Bewerbungen der bereits bestehenden LEADER-Regionen sowie für Neubewerbungen erfolgte im Herbst 2014. Da die finanziellen Mittel erhöht wurden, sollen in Nordrhein-Westfalen nunmehr 20 bis 24 Regionen im Rahmen eines Bewerbungswettbewerbs ausgewählt werden. Die bisherigen LEADER-Regionen in Westfalen werden voraussichtlich ebenfalls an dem Wettbewerb teilnehmen und einen neuen Antrag stellen. Im zweiten Quartal 2015 werden die Ergebnisse des Auswahlverfahrens veröffentlicht (s. Beitrag Rohleder).

Wenn das LEADER-Programm der EU im Sinne von noch mehr Teilhabe in den Regionen weiterentwickelt wird, könnte dies als ein kleiner Beitrag gesehen werden, der "es für den nationalen Bürger attraktiv macht, zum  politischen Bürger Europas zu werden" (Beck 2014, S.14).

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: < 1 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

↑ Zum Seitenanfang

Erstveröffentlichung 2015