Außereuropäische kommunale Partnerschaften 2019

02.07.2019 Rudolf Grothues

Kategorie: Siedlung

Schlagworte: Westfalen · Kommunale Partnerschaft

Aktuell unterhalten deutsche Kommunen weltweit rd. 7.200 Partnerschaften, Freundschaften und Kontakte (Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) 2019). In Nordrhein-Westfalen existieren 2019 insgesamt 1.057 Städte- und Gemeindepartnerschaften, davon etwas über 600 in Westfalen (ebd.).

Üblicherweise werden drei Kategorien von Beziehungen unterschieden, die in dieser Übersicht komplett berücksichtigt werden sollen:

  • Partnerschaften: Förmlich, zeitlich und sachlich unbegrenzt, beruhend auf einem Partnerschaftsvertrag (Partnerschaftsurkunde).
  • Freundschaft: Eine Verbindung, die auf einer Vereinbarung beruht, aber zeitlich begrenzt ist und/oder genau spezifizierte Projekte der Beziehung benennt.
  • Kontakt: Eine Verbindung ohne förmliche Festigung.

Kommunale Partnerschaften entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem mit den Zielen der Aussöhnung, Verständigung, Vernetzung und Sicherung eines friedlichen Zusammenlebens. Daher wurde der Zeitraum von 1960 bis 1980 vor allem durch Partnerschaften mit Frankreich und Großbritannien bestimmt. Nach dem Mauerfall überwogen die deutsch-deutsche Partnerschaften und nach dem Jahrtausendwechsel auch zu Kommunen in osteuropäischen Ländern (Benecke 2008). Vordergründige Ziele waren dabei die Unterstützung beim (Wieder-)Aufbau nach Auflösung der DDR und der UdSSR. Dabei wurden neben den Freundschaften, die sich zwischen der Bevölkerung entwickelten, auch personelle und materielle Aufbauleis­tungen durchgeführt. Das betraf z.B. die Unterstützung der kommunalen Verwaltung oder die Überlassung ausrangierter Fahrzeuge aus dem öffentlichen Fuhrpark an die Partnerkommune.

Abb. 1: Gründungsjahre der außereuropäischen Städte- und Gemeindepartnerschaften in Westfalen (Quelle: RGRE 2019)

Diese Form der Zusammenarbeit setzt eine gewisse räumliche Nähe voraus, so dass sich bis heute rd. 90% aller Partnerschaften westfälischer Kommunen auf Europa beschränken. Außereuropäische Partnerschaften gibt es im Jahr 2019 lediglich 59: 23 mit den USA, 9 mit Lateinamerika (davon 6 mit Nicaragua), 3 mit Afrika, 14 mit Israel (darunter 1 mit der palästinensischen Autonomiebehörde) sowie 10 mit Asien (davon 9 mit China).

In diesen Partnerschaften geht es z.T. auch um Aussöhnung (mit Israel), aber auch um politische Freundschaften (z.B. mit dem verbündeten Amerika), um Solidaritätsbekundungen zu politischen Prozessen (z.B. in Nicaragua) sowie um Entwicklungshilfezusammenarbeit (mit Kommunen in Afrika und Asien).

In vier Fällen befindet sich auf deutscher Seite ein Kreis als Partner: Kreis Unna, Hochsauerlandkreis und zweimal der Kreis Siegen-Wittgenstein.

Abbildung 1 zeigt die Gründungsjahre der 59 Partnerschaften mit außereuropäischen Kommunen von 1957 bis 2015 (bis Ende 2018 gab es keine weiteren). Partnerschaftsgründungen mit den USA ziehen sich relativ gleichmäßig über den gesamten Zeitraum hinweg, mit Häufungen Mitte der 1980er und 1990er Jahre. Anfang der 1980er Jahre fallen relativ viele Partnerschaften mit Israel auf. Von 1986 bis 1995 entstanden die Partnerschaften mit Kommunen in Nicaragua. Sie waren vor allem Ausdruck der Solidarität mit dem 1984 in freier Wahl gewählten Regime der sog. Sandinisten unter Daniel Ortega. Seit 1980 hatte die US-Regierung unter Ronald Reagan versucht, die sandinistische Regierung zu stürzen. Beispielhaft schloss die Stadt Herne 1988 eine Städtepartnerschaft mit der Insel Ometepe im Nicaraguasee auf Initiative des Vereins Hermanidad, der schon vorher politische und helfende Kontakte in das Land unterhielt.

2015, also 20 Jahre nach der letzten Partnerschaft mit Nicaragua, nahm Bocholt einen Kontakt mit einer Kommune eines anderen lateinamerikanischen Landes auf, namentlich Yumbo in Kolumbien.

Abb. 2: Außereuropäische Städte- und Gemeindepartnerschaften in Westfalen 2019 (Quelle: RGRE 2019)

Partnerschaften mit asiatischen (v. a. chinesischen) Städten entstanden mehrheitlich seit 1985, zur Hälfte lediglich als Kontaktverbindung.

Die drei Partnerschaften zu afrikanischen Kommunen haben jeweils eine besondere Geschichte: 1969 wurde in Münster die Partnerschaft zum tunesischen Monastir beschlossen. Initiator vor Ort war der bekannte Münsteraner Kaufmann Egbert Snoek, der in den Jahren zuvor starke Verbindungen zu Tunesien entwickelt hatte (Mayr et al. 1993, S. 6f.). Die Pflege der in 2019 50 Jahre alten Partnerschaft wird seit 2018 vom Verein "Freundeskreis Münster-Monastir" übernommen, der die nicht sehr intensive bisherige Zusammenarbeit verbessern möchte.

Seit 1988 unterhält die Stadt Ahlen intensive Kontakte zu Bagamoyo, einer der ältesten Orte Tansanias. Seitdem organisiert der "Freundeskreis Bagamoyo e.V." die Zusammenarbeit vor allem im Bildungsbereich sowie bei Musik-, Kunst- und Kulturprojekten. Es handelt sich hierbei aber um keine formale Städtepartnerschaft. Auf dem "Platz der Städtefreundschaft" wurde im Juni 2019 ein symbolischer Wegweiser nach Bagamoyo aufgestellt (Entfernung: 7.115 km).

Lediglich um eine Kontaktpflege handelt es sich auch bei der dritten Partnerschaft zu Afrika, und zwar die Verbindung des Kreises Unna zum Edward Francis Small Teaching Hospital in Banjul, Gambia. Hier wird vor allem in die Ausbildung von Pflegekräften und die technische Ausstattung des Hospitals investiert.

Betrachtet man die kommunalen Partnerschaften im regionalen Vergleich (Abb. 2), so fällt auf, dass es vor allem die Ruhrgebietskommunen sind, die Beziehungen zu außereuropäischen Kommunen pflegen. Im Ruhrgebiet existieren auch die meisten Verbindungen zu Nicaragua und nach China. Auch das nördliche Münsterland und Ostwestfalen-Lippe beteiligen sich überdurchschnittlich, während im Gegenzug Südwestfalen kaum in Erscheinung tritt. Die einzige städtische Partnerschaft unterhält hier Attendorn mit der israelischen Stadt Binyamina.

Es sei dahingestellt, ob dieses räumliche Erscheinungsbild eher mit einem großstädtischen gesellschaftlichen Milieu zusammenhängt oder evtl. in einer Bevölkerungsstruktur zu suchen ist, die eher solidarisch eingestellt und um Ausgleich bemüht ist.

Insgesamt wäre sicher ein noch stärkeres Engagement wünschenswert.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2019