"Drum prüfe, wer sich ewig bindet" – Eheschließungen in Westfalen

03.05.2018 Peter Wittkampf

Inhalt

Familiendemographische Analysen zeigen für Deutschland in den letzten Jahren folgende Trends bzw. Rahmenbedingungen:

  • Die Bildungs- und Erwerbsbeteiligung bietet Frauen die Möglichkeit einer beruflichen und sozialen Karriere, bei der sich allerdings sehr leicht Probleme in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergeben können.
  • Männer wie Frauen verbleiben gegenwärtig länger im Bildungssystem als früher, und am Beginn des Erwerbslebens stehen oft lediglich befristete Arbeitsverträge. Teilweise gilt noch das Rollenverständnis des Mannes, nach dem eine Familie erst dann gegründet werden sollte, wenn der entsprechende Unterhalt zumindest einigermaßen dauerhaft gesichert ist. Dadurch wird dann die Eheschließung evtl. aufgeschoben.
  • Das Unterhaltsrecht, das u.a. die Arbeitspflicht regelt und beide Ehepartner verpflichtet, den Unterhalt selbst zu bestreiten, wurde zum 01.01.2008 wesentlich verschärft. Einige wichtige der bis dahin geltenden Schutzbestimmungen insbesondere für Ehefrauen, die sich – ohne berufstätig zu sein – ganz der Familie widmen, sind entfallen.
  • Die Einstellung zur Ehe hat sich wegen des Rückgangs traditioneller Wertorientierungen verändert. Sie wird zunehmend nicht mehr als Verbindung angesehen, die auf lebenslange Dauer angelegt ist, und es gilt auch fast als normal, "ohne Trauschein" zusammenzuleben.
  • Sowohl Ehescheidungen als auch die Wiederverheiratung Geschiedener werden inzwischen gesellschaftlich als Option akzeptiert. Von den um oder nach 2000 geschlossenen Ehen werden in Deutschland etwa 40% wieder geschieden. Die Scheidungsraten sind im Durchschnitt in den Großstädten höher als auf dem Land.
  • Die Zahl derer, die sich im "normalen" Heiratsalter befinden, ging aufgrund der allgemeinen demographischen Entwicklung zurück.

Aufgrund dieser Voraussetzungen ergeben sich auch in Westfalen zwei wesentliche Tendenzen: Das Alter der Eheschließenden ist angestiegen, und die Anzahl der Eheschließungen war rückläufig – jedenfalls bevor sich Letzteres in allerjüngster Zeit änderte.

Abb. 1: Eheschließungen in den Jahren 2000 und 2016 sowie geschlossene Ehen pro 10.000 Einwohner im Jahr 2016 (Quelle: www.it.nrw.de, eigene Berechnungen)

Die Anzahl der Eheschließungen

Die Anzahl der standesamtlichen Eheschließungen lag in Westfalen im Jahr 1990 noch bei 52.903. Im Jahr 2016 wurden, nachdem die Anzahl auf knapp unter 37.000 (2013) gesunken war, 40.054 Ehen geschlossen. Das sind 11,9% weniger als im Jahr 2000. Bei der zuletzt positiven Entwicklung spielen u.a. die Zuwanderungen jüngerer Menschen eine Rolle, evtl. auch ein allgemeiner Mentalitätswandel.

Für die absoluten Zahlen der Eheschließungen in den Kreisen und kreisfreien Städten spielen naturgemäß u.a. die jeweiligen Bevölkerungsgrößen eine Rolle. Die höchsten Eheschließungszahlen wurden 2016 im Kreis Recklinghausen und in der Stadt Dortmund verzeichnet, die niedrigsten in den Städten Bottrop und Hagen sowie in den Kreisen Olpe und Höxter (Abb. 1). Bei genauerer Gegenüberstellung der Eheschließungszahlen und der jeweiligen Einwohnerzahlen zeigt sich, dass die westlichen Müns­terlandkreise und der Ennepe-Ruhr-Kreis pro 10.000 Einwohner deutlich höhere Quoten aufwiesen als z.B. die Ruhrgebietsstädte (Abb. 1). Im Kreis Coesfeld gab es 2016 pro 10.000 Einwohner 69,2 Eheschließungen, in Bochum nur 38,9. Eine hohe wirtschaftliche Sicherheit bei niedrigen Arbeitslosenquoten, erschwinglichere Miet- und Eigenheimmöglichkeiten sowie ein – wahrscheinlich – eher überdurchschnittliches Maß an traditioneller Wertorientierung dürften die Hauptgründe für die hohen Quoten in den Kreisen Coesfeld und Borken sein. Dort gab es z.B. im Juni 2016 NRW-weit die niedrigsten Arbeitslosenquoten – und auch in Südwestfalen lagen in dieser Hinsicht relativ günstige Werte vor. Gelsenkirchen, die Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote NRWs, erreicht bei den Eheschließungen pro 10.000 Einwohner ein mittleres Niveau (53,1). Hier dürfte der hohe Anteil vor allem auch muslimischer Bürger eine Rolle spielen, bei denen ebenfalls traditionelle Wertvorstellungen noch dominieren (s. Beitrag Wittkampf).

Beim Vergleich der Eheschließungszahlen von 2016 mit denen von 2000 (Abb. 1) zeigen sich erhebliche regionale Unterschiede. So lagen – entgegen dem allgemeinen Trend – die Eheschließungszahlen 2016 in Münster und Hamm sowie in den Kreisen Borken, Coesfeld und Paderborn über denen des Jahres 2000, im Kreis Coesfeld sogar um mehr als 20%. Für die westlichen Münsterlandkreise und den Kreis Paderborn kann wieder auf das hingewiesen werden, was bereits im Zusammenhang mit der Relation Eheschließungen / Einwohner gesagt wurde. Die Stadt Münster war und ist zusätzlich ein Magnet gerade auch für jüngere Menschen. Sehr deutliche Negativtendenzen zwischen 2000 und 2016 gab es dagegen wiederum in den Ruhrgebietsstädten. So wurden etwa in Bochum 2016 insgesamt 29,6% weniger Eheschließungen verzeichnet als 2000, in Hagen und Herne waren es jeweils etwa 24% weniger. Inwieweit hierbei auch Erfahrungen "vor Ort" in Bezug auf die "Haltbarkeit" der Ehen eine Rolle gespielt haben, wurde bisher nicht näher untersucht. Im Jahr 2016 standen jedenfalls statistisch 100 Eheschließungen beispielsweise in Herne 68 Scheidungen gegenüber, in Bochum, Hagen und Hamm 66, während es etwa in Münster oder den Kreisen Coesfeld und Borken jeweils weniger als 40 waren.

Abb. 2: Eheschließungen mit Geschiedenen und Veränderung des Durchschnittsalters der Eheschließenden 2010 bis 2016 (Quelle: www.it.nrw.de, eigene Berechnungen)

Eheschließungen mit Geschiedenen

Immer mehr Ehepartner waren vor ihrer (neuen) Eheschließung geschieden. Im Jahr 2016 betraf dies in einigen Kreisen bzw. kreisfreien Städten etwa ein Viertel aller Eheschließungen. Die höchsten Quoten wiesen Bottrop (26,3%), Hamm (25,9%) sowie die Kreise Recklinghausen (25,3%) und Unna (25,2%) auf, die niedrigsten die bevölkerungsmäßig relativ "jungen" Städte Münster (14,6%) und Bielefeld (16,9%) (Abb. 2). In der Mehrzahl der insgesamt 27 Kreise und kreisfreien Städte Westfalens war dabei der Prozentsatz bei den Frauen höher als bei den Männern. Teilweise war der Unterschied im Geschlechterverhalten durchaus signifikant. So waren bei der Eheschließung z.B. im Hochsauerlandkreis 21,9% der Frauen, aber nur 18,8% der Männer vorher geschieden. Vielleicht haben in diesen Fällen insbesondere die Frauen die relative Sicherheit einer institutionalisierten Ehe stärker favorisiert als die Männer.

Erhöhung des Heiratsalters

Im Jahr 2016 lag in Westfalen bei der Eheschließung das Durchschnittsalter der Männer zwischen 36 und 37, bei Frauen bei etwa 34 Jahren. Im Jahr 2000 waren es noch ca. 34 Jahre bei Männern und ca. 31 Jahre bei Frauen gewesen. Diese Erhöhung des Heiratsalters, die im Durchschnitt bei Frauen noch etwas deutlicher ausfiel als bei Männern, lag zum einen daran, dass es – gerade bei den Frauen – weitere Veränderungen gab in Bezug auf Ausbildungsdauer und berufliche Möglichkeiten. Zum anderen erhöhte sich bei beiden Geschlechtern das Durchschnittsalter auch dadurch, dass in die Statistik der Eheschließungen immer mehr Geschiedene einzubeziehen sind, deren Alter teilweise deutlich höher liegt als das der bisher Ledigen. Dort, wo der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund besonders hoch ist, vor allem auch der Muslime, stieg allerdings das Heiratsalter im Durchschnitt weniger deutlich an als anderswo. Die geringsten Erhöhungsquoten waren in Gelsenkirchen, Bielefeld und Herne zu verzeichnen (Abb. 2).

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2018