Bevölkerungsentwicklung zwischen 2004 und 2014 in Westfalen

09.08.2016 Christian Krajewski

Während Bevölkerungswachstum die demographische Entwicklung in NRW insgesamt – und auch in weiten Teilen Westfalens – bis wenige Jahre nach der Jahrtausendwende charakterisierte, sind – teilräumlich differenziert – seitdem immer mehr Kommunen durch Schrumpfung gekennzeichnet. Den demographischen Wandel prägen dabei nicht nur eine Bevölkerungsabnahme aufgrund rückläufiger Geburtenzahlen (s. Beitrag Beckord) und negativer Wanderungssaldi (s. Beitrag Wittkampf) sowie zunehmende Internationalisierungsprozesse, sondern ebenso eine zunehmende Alterung der Bevölkerung. Zusammengenommen sind dies die zentralen Komponenten des demographischen Wandels. Während die demographische Entwicklung NRWs in den drei Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende durch Verluste in den hoch verdichteten Ballungsräumen, vor allem im Ruhrgebiet gekennzeichnet war, wiesen die Ballungsrandzonen und ländlichen Räume Bevölkerungswachstum auf. Wichtige Anziehungsfaktoren für Suburbaniten waren niedrige Kosten für Hausbau oder -erwerb, eine gute Infrastruktur und ein positives Wohnumfeld. In den ländlichen Räumen beispielsweise des Münsterlandes oder des Sauer- und Siegerlandes waren die Klein- mehr noch als die Mittelstädte die Gewinner des Bevölkerungszuwachses, denn sie profitierten dank positiver Geburtenraten von natürlichen Bevölkerungszuwächsen ebenso wie von Zuwanderung (ILS 2005, S. 30).

Seit dem Jahr 2004 sinkt die Einwohnerzahl in NRW jedoch tendenziell aufgrund von nicht mehr durch Geburten kompensierbaren Sterbeüberschüssen sowie eines in den Jahren 2004–2010 negativen Wanderungssaldos. Bevölkerungsgewinne konnten nur noch die Wachstumsinseln in der Rheinschiene sowie einige Kommunen im Münsterland und in Ostwestfalen auf der Achse Paderborn-Bielefeld verzeichnen. Die drei südwestfälischen Kreise Märkischer Kreis, Kreis Siegen-Wittgenstein und Hochsauerlandkreis sowie der Kreis Höxter in Ostwestfalen haben in den letzten zehn Jahren bereits so deutlich an Einwohnern verloren (5,8%–8,3%), dass die in den 30 Jahren vor 2004 erworbenen Bevölkerungszuwächse (bis zu 10%,) bereits so stark aufgezehrt wurden, dass sich das Saldo im Zeitvergleich 1975–2014 insgesamt ins Negative verkehrt hat.

Der landesweite Vergleich der Bevölkerungsentwicklung auf Gemeindeebene zeigt für die Jahre von 2004–2014 ein ähnliches Bild: einige Kommunen Südwestfalens, und hier besonders des Sauer- und Siegerlandes, aus den östlichen Kreisen Ostwestfalens, aber auch aus der Metropole Ruhr weisen die höchsten Bevölkerungsverluste auf. Von den 20 Kommunen mit den größten Bevölkerungsrückgängen in NRW von 2004–2014 liegt ein Großteil am Ballungsrand des Ruhrgebietes, in Ostwestfalen-Lippe sowie im Sauerland, wobei hier der Märkische Kreis und der Hochsauerlandkreis den Schwerpunkt bilden. "Spitzenreiter" dieser Entwicklung unter den Kommunen mit den höchsten Bevölkerungsverlusten im genannten Zeitraum ist mit 17% die Stadt Altena (Märkischer Kreis), die überregionale Aufmerksamkeit für das engagierte Handeln zur Bewältigung der Auswirkungen des demografischen Wandels in einer kleinen, ländlichen Kommune erfahren hat (Jochimsen und Krajewskli 2014, S. 7; s. Beitrag Krajewski). Es folgen mit 14,4% Unna sowie Lügde 14,4%, Herdecke 12,7%, Warstein 12,3%, Winterberg 12,0%, Werdohl 12%, Kierspe und Schalksmühle mit je 11,7%, Beverungen und Nieheim mit je 10,5%, Hemer 10,4%, Höxter 10,1% und Herne mit 10,0% (Abb. 1).

Abb. 3: Bevölkerungsentwicklung nach Städten und Gemeinden Westfalens von 2009–2014 (Quelle: IT.NRW 2016)

Für moderates Bevölkerungswachstum in Westfalen stehen vor allem Kommunen in den Kreisen Borken (z.B. Legden 3,5%), Steinfurt (z.B. Laer, 5%, Altenberge, 3,5%), Gütersloh (z.B. Steinhagen und Verl, je 2,5%) und Paderborn (z.B. Delbrück 4,1%). Die Polarisierung der Bevölkerungsentwicklung zwischen wachsenden und schrumpfenden Räumen nimmt also auch in Westfalen zu. Hier sticht besonders das Oberzentrum Münster heraus, das deutschlandweit zu den vitalen und anziehungsstarken "Schwarm-Städten" zählt und dessen Bevölkerung in den letzten zehn Jahren um fast 12% angewachsen ist. Bei einer näheren Betrachtung der Entwicklung in den Zeiträumen von 2004–2009 sowie 2009–2014 fällt auf, dass der Bevölkerungszuwachs insbesondere in den letzten fünf Jahren erfolgte (10% seit 2009, Abbn. 2 u. 3). Bei den "Schwarm-Städten" handelt es sich um attraktive, wirtschaftsstarke Groß- und Universitätsstädte mit starker Anziehungskraft insbesondere für jüngere Menschen.

Durch den Zugewinn steht Münster vor der planerischen Aufgabe, ausreichend Wohnraum und Infrastruktur für die steigende Einwohnerzahl bereitzustellen (s. Beiträge Fennhoff und Wittkampf). Demgegenüber sind Gemeinden mit anhaltenden Bevölkerungsverlusten mit der Herausforderung konfrontiert, die Aufrechthaltung der Daseinsvorsorge trotz Schrumpfung zukunftsfähig zu organisieren und zu sichern. Diesem Gestaltungsauftrag werden sich zukünftig immer mehr Kommunen in Westfalen stellen, da sich die Anzahl der Gemeinden mit Bevölkerungsverlusten im Vergleich der Zeiträume 2004–2009 und 2009–2014 deutlich erhöht hat. Zudem konnten im Zeitraum 2009–2014 nur noch 40 von 231 Gemeinden Bevölkerungszuwächse verzeichnen (Abbn. 2 u. 3). Trotz der Zuwanderungsgewinne durch Internationale Migration deuten Modelle zur Bevölkerungsvorausberechnung perspektivisch auf einen anhaltenden Bevölkerungsrückgang in Westfalen hin, der die Entwicklung in vielen Kommunen auch in Zukunft prägen wird.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016