Schau- und Besucherbergwerke in Westfalen

13.03.2019 Peter Wittkampf

Inhalt

Abb. 1: Besucherbergwerk Kleinenbremen (Porta Westfalica): Grubenbahn für den Erztransport (Foto: P. Wittkampf)

Voraussetzungen

Durch die Schließung der letzten Steinkohlebergwerke stellt das Jahr 2018 eine bedeutende Zäsur in der Wirtschaftsgeschichte Westfalens dar. Der Untertagebergbau in seinen verschiedenen Facetten hat hier im Laufe der Zeit die Entwicklung der Kulturlandschaft maßgeblich mit geprägt. Es wurden Steinkohle, Eisenerz sowie andere Erze und Schiefer in zahlreichen Bergwerken, Stollen, Gruben und Zechen abgebaut: Etwa 150–200 Steinkohlezechen gab es um 1850 allein im westfälischen Teil des Ruhrgebietes, außerdem mehr als 40 Schieferbergwerke in Südwestfalen (s. Beitrag Köhne). Die Anzahl der Gruben und Stollen für die Erzgewinnung im Sauer-, Sieger- und Wittgensteiner Land ist kaum zu beziffern. Auf jeden Fall bewegt sich ihre Zahl insgesamt eher im vierstelligen als im dreistelligen Bereich; allein im Siegener Stadtgebiet waren es beispielsweise knapp 150 Gruben.

Außerhalb Südwestfalens und des Ruhrgebietes konnten an einigen wenigen Stellen ebenfalls Bergbaubetriebe errichtet werden, z.B. in Ibbenbüren (Steinkohle) oder in Porta Westfalica (Eisenerz auf der Basis von Korallenoolith; Abb. 1).

Inzwischen haben aber – meist aus wirtschaftlichen Gründen – fast alle Bergbaubetriebe aufgehört zu existieren – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen. Zu letzteren zählen z.B. eine Schiefergewinnungsfirma in Bad Fredeburg (Schmallenberg) und das letzte noch fördernde Erzbergwerk Deutschlands in Porta Westfalica-Nammen.

Abb. 2: Bergbaumuseum Bochum: Kohleabbau mit einem sog. Walzenlader (Foto: P. Wittkampf)

Anzahl und Typen der Schau- und Besucherbergwerke

Um das Bewusstsein für die Bedeutung und die Charakteristika des westfälischen Bergbaus lebendig zu erhalten, wurden in Westfalen inzwischen ca. 20 Schau- oder Besucherbergwerke eingerichtet. Die meisten von ihnen wurden in den 1980er und 1990er Jahren eröffnet. Sie ergänzen die bereits vorher in der Öffentlichkeit relativ bekannten Stätten, an denen der Bergbau "anschaulich" gemacht wurde, allen voran das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum und das Sauerländer Besucherbergwerk Ramsbeck in Bestwig. Letzteres förderte bis 1974 vor allem Blei- und Zinkerze. Beim Bochumer Bergbaumuseum handelt es sich allerdings nicht um ein authentisches Bergwerk, das man einer neuen Bestimmung zuführte, sondern um ein nachgebautes Anschauungsbergwerk – mit einem "Seilfahrtsimulator". In nur 20 Metern Tiefe können Besucher sich dort ein Bild vom Steinkohlebergbau machen (Abb. 2).

Abb. 3: LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall in Witten: Stolleneingang am Berghang (Foto: P. Wittkampf)

Dass nur vier der Schaubergwerke dem Bodenschatz Steinkohle gewidmet sind, hängt u.a. damit zusammen, dass bei Tiefbauzechen aus technischen und aus Sicherheitsgründen eine Öffnung für den Besucherverkehr kaum möglich ist. Bei den bestehenden Schau- bzw. Besucherbergwerken handelt es sich folglich entweder um nachgebaute Bergwerke (Bochum u. Bergbaustollen im Gelsenkirchener Nordsternpark) oder um solche, in denen ursprünglich im Stollenbau gearbeitet wurde (z.B. LWL-Industriemuseum Zeche Graf Nachtigall, wo der Übergang vom Stollen- zum Schachtbergbau in den Jahren 1830–1840 erfolgte; Abb. 3).

Schiefer-Besucherbergwerke gibt es in Schmallenberg (Felicitas-Stollen in Bad Fredeburg u. Heilstollen Brandholz-Nordenau), in Bestwig (Schieferbergwerk Nuttlar) sowie in Bad Berleburg-Raumland (Grube Delle) (Abb. 4). Damit sind die drei wichtigsten Reviere des Schieferabbaus, nämlich das Raumländer, das Fredeburger und das Nuttlarer Revier, jeweils durch mindestens ein Besucherbergwerk vertreten. Meist kann man vor Ort auch die frühere Schieferverarbeitung erleben. Denn wegen der hohen Transportkosten wurde der Schiefer in der Regel möglichst nahe bei den Gruben gespalten und z.B. zu Schieferplatten, Schiefer-Schultafeln usw. verarbeitet, und oft haben sich über Tage noch Relikte der früheren Arbeitsverfahren erhalten.

Abb. 4: Schau- und Besucher- bergwerke in Westfalen (Quellen: u. a. Internetauftritte der entsprechenden Besucherberg- werke und Tourismusverbände)

Alle übrigen Besucherbergwerke dienten ursprünglich dem Erzbergbau. Dabei waren im Sauer- und Siegerland nicht nur reine Eisenerzvorkommen anzutreffen, sondern man fand in den Gruben teilweise auch andere Erze und Rohstoffe, etwa Blei und Zink, Kupfer, Kobalt, Schwefelkies oder Schwerspat.

Seit etwa dem 7. Jh. ging man bei den Erzvorkommen zum Stollenbergbau über, und seit dem 15. Jh. konnte man mit Hilfe von Schießpulver auch kleine Schächte anlegen. Die Möglichkeit, mit Dampfmaschinen Grubenwasser abzupumpen, erlaubte von etwa 1850 an auch Erzbergwerke mit tieferen Schächten. Zu diesem Zeitpunkt waren beispielsweise allein im Siegerland 660 Gruben in Betrieb.

Stollen wurden jedoch weiterhin angelegt, und zwar aus drei möglichen Gründen: einerseits dann, wenn sich die Erze z.B. relativ nahe an der Erdoberfläche befanden und man sie von einem Berghang aus erschließen konnte, andererseits als "Erbstollen", die der Abführung von Wasser aus einem Stollensystem dienten (Beispiel: Reinhold-Forster-Erbstollen in Siegen-Eiserfeld) (s. Beitrag Goerke-Mallet/Rudolph), drittens, wenn sie als (weiterer) Zugang zu einem komplexen System unterirdischer Förderstrecken gedacht waren. Letzteres vermutet man z.B. beim Bergwerksstollen an der Luisenhütte in Balve-Wocklum.

Abb. 5: Unter Tage häufig anzutreffen – die Schutzpatronin St. Barbara, hier in einer Nische im Philipp­stollen bei Olsberg (Foto: P. Wittkampf)

Auch in Bezug auf die Größe und Dimensionen der heutigen Besucherbergwerke gibt es erhebliche Unterschiede. Auf der einen Seite sind da schmale, niedrige Stollen, in denen die Bergleute und die heutigen Besucher in der Regel nur hintereinander gehen konnten bzw. können. Hierzu gehören etwa der – 1916 aufgegebene und bis dahin Eisenerz fördernde – Philippstollen im Eisenberg zwischen Olsberg und Brilon (Abb. 5), der Kilianstollen in Marsberg und der Wodanstolln (sic) in Neunkirchen-Salchendorf.

Auf der anderen Seite sind da Bergwerke wie das Sauerländische Besucherbergwerk Ramsbeck (Bestwig-Ramsbeck), das bis 1974 vor allem Blei- und andere Erze förderte und seitdem als Besucherbergwerk dient. Es weist 12 "Etagen" auf, wobei sich fünf Stollen über und sieben unter dem Grundwasserspiegel erstrecken – auf einer Gesamtlänge von 250 km. Besucher können mit der Grubenbahn 1,3 km in den Dörnberg hineinfahren und dort in riesigen unterirdischen "Hallen" u.a. die Maschinen und Förderbänder sehen, mit denen hier gearbeitet wurde. Auch die damals größte Trommelfördermaschine der Welt war hier in Betrieb.

Pro Jahr kommen mehr als 50.000 Besucher in das Ramsbecker Bergwerk, etwa 20% davon aus den Niederlanden.

In den kleineren Stollen liegen die Besucherzahlen dagegen deutlich niedriger, manchmal sind es weniger als 1.000 pro Jahr.

Heutige, zusätzliche Angebote und Attraktionen

Nachdem in früheren Jahrzehnten manche ehemaligen Bergwerke teilweise als Luftschutzstollen, Trinkwasserreservoir usw. gedient hatten (s. Beitrag Köhne), werden heute in einigen Besucherbergwerken mit besonderen Angeboten zusätzliche Publikumsgruppen angesprochen. Zu diesen Angeboten gehören z.B. das Bergwerktauchen (etwa in den Wasserreservoirs im Schieferbergwerk Nuttlar oder im Felicitas-Stollen in Bad Fredeburg), Unter-Tage-Konzerte (z.B. im Besucherbergwerk Kleinenbremen, Porta Westfalica; s. Beitrag Grothues), Therapien vor allem für Allergiker und für Menschen mit Atemwegserkrankungen (z.B. im Felicitas-Stollen, im Heilstollen Brandholz-Nordenau (Schmallenberg; s. Beitrag Rohleder) oder im Kilianstollen in Marsberg), meditative (Schieferbergwerk Nuttlar) oder gas­tronomische Angebote (z.B. in der Grube Delle in Raumland) u.a.m.

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: 1,7 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2019