Der Altbergbau im Hochsauerland und seine Folgenutzungen

30.11.2018 Reinhard Köhne

Inhalt

Während in 2018 die letzten Steinkohlenzechen in NRW schließen, wird leicht übersehen, dass der sauerländische Bergbau schon in den Struktur- und Wirtschaftskrisen des 19. und 20. Jh.s zum Erliegen kam. Teilweise waren Erzvorkommen erschöpft, oder die Internationalisierung der Rohstoffmärkte machte einen weiteren Abbau unrentabel. Auch die nationalsozialistische Autarkiepolitik, die unwirtschaftliche Vorkommen aus Gründen der Kriegswirtschaft subventionierte, fand 1945 ein endgültiges Ende. Aktuell ist nur noch das Schieferbergwerk Magog bei Bad Fredeburg in Betrieb.

Der Nachbergbau erfordert zunächst die Sicherung der Grubengebäude und Stolleneingänge vor Schatz- und Mineraliensuchern. Nach der Stilllegung muss das über das Gebirge großflächig eindringende Niederschlagswasser langfristig in die Gewässer abgeleitet werden. Leerstehende Gebäude und Anlagen bedürfen einer sinnvollen Umnutzung. Im Gegensatz zu den flächigen Absenkungen und Bergschäden des Kohlebergbaus und den Ewigkeitslasten aufgrund des Abpumpens der Grubenwässer gewährleistet die Festigkeit des Grundgebirges im Sauerland eine dauerhafte Standfestigkeit der Abbaubereiche. Tagesbrüche treten nur punktuell auf, meistens durch Absenkung von Schachtverfüllungen. Probleme bereiten lokal die Böden von mit Schwermetall belasteten ehemaligen Bergbaubereichen. Übertage bedürfen die Abraumhalden und Pingenfelder einer langfristigen Sicherung in der Kulturlandschaft.

Zufluchtstollen in der Hauptkampflinie 1945

Eine erste notgedrungene Folgenutzung ergab sich für viele kleine Städte und Dörfer im Hochsauerland, als im April 1945 die amerikanische Armee auf den Höhen des Rothaargebirges den Ruhrkessel schloss und von Osten Richtung Ruhrgebiet vorrückte. Die eingeschlossenen Reste der deutschen Wehrmacht versuchten, nach Osten den Kessel aufzubrechen und lieferten sich mit den überlegenen amerikanischen Truppen verlustreiche Gefechte. Da für die Zivilbevölkerung in der Hauptkampflinie während der tagelangen Häuserkämpfe keine Schutzräume vorgesehen waren, flüchteten sich die Bewohner vor den Bombardierungen, den Straßenkämpfen und dem Artilleriefeuer in vorhandene Bergwerksstollen. So fanden in drei Schiefergruben in Bad Fredeburg etwa 2.000 Einwohner und in der Schiefergrube "Felicitas" bei Sellinghausen 1.000 Menschen aus den umliegenden Dörfern trotz der Feuchtigkeit, dem Sauerstoffmangel und der fehlenden Lebensmittel vorübergehend Schutz. In Bödefeld schützte die "Silberkuhle" vor dem Beschuss. In Ramsbeck rettete der "Nagelmakerstollen" viele Ramsbecker vor den Kampfhandlungen. In Nuttlar dienten drei Schiefergruben den Bewohnern der Umgebung als Zuflucht vor den Rückzugsgefechten.

Abb. 1: Eingang zum Philippstollen bei Olsberg (Foto: R. Köhne)

Kulturelle Umnutzungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Im Hochsauerland stellten sich nach der Schließung einer Grube immer zunächst die Fragen bzgl. einer weiteren Sicherung der Wasserhaltung, des obertägigen Grubenbereichs und der Nutzung der Grubengebäude. Nach den etappenweisen Schließungen bot der Verbund mit dem sich entwickelnden Fremdenverkehr eine Perspektive. Sachkundige Mitarbeiter und engagierte Heimatfreunde entwickelten Konzepte für zukünftige Nutzungen.

Für die kleine Gemeinde Ramsbeck (zu Bestwig) z.B. bedeutete die Einstellung des Bergbaus im Jahr 1974 den Verlust von 450 Arbeitsplätzen und den Ausfall von 80% der Steuereinnahmen. Eine erste Maßnahme zur Umstrukturierung war die Einrichtung des Besucherbergwerks und des Bergbaumuseums. Seither wird den Besuchern die seit dem Mittelalter bestehende Montantradition eindrucksvoll veranschaulicht. Darüber hinaus bietet die Einfahrt in den Dörnberg mit der Grubenbahn eine konkrete Anschauung in die frühere Arbeitswelt unter Tage.

Auch in Marsberg bedeutete das Kriegsende 1945 nach der Zerstörung der Grubenanlagen durch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene das Ende einer Bergbautradition, die sich bis in die Merowingerzeit zurückverfolgen lässt. Durch die Initiativen des 1982 gegründeten Marsberger Heimatbundes konnte 1984 das Besucherbergwerk Kilianstollen eröffnet werden. Bei den Führungen erfahren die Besucher vieles über die schwere Arbeit der Bergleute und die geologischen Strukturen der einstmals bedeutenden Kupferlagerstätte. Neue Fundstücke werden auch im Heimatmuseum der Stadt Marsberg vorgestellt.

Der Bergbau auf der bedeutenden Roteisenlagerstätte "Eisenberg" im Grenzgebiet von Olsberg und Brilon begann im Spätmittelalter mit Schachtpingen auf dem Kamm des Berges und erschloss im 18. Jh. mit vier Stollen am Südhang neue Erzvorkommen mit einem Eisengehalt von 35%. Erst 1916 waren diese endgültig erschöpft. Dank der mühsamen Freilegung des 1749 vorgetriebenen sog. Philippstollens durch die Mitglieder des Olsberger Heimatbundes ist dieser seit 1992 auf einer Länge von 1.000 m wieder begehbar gemacht worden (Abb. 1).

Abb. 2: Die "Alte Hütte" bei Brilon-Gudenhagen (Foto: R. Köhne)

Bergbaurelikte als wandertouristische Attraktionen

Während in den ersten Jahren der Besucherstollen in Ramsbeck mit der Erwartung auf steigende Rohstoffpreise und einen Neustart des Bergbaus betrieben wurde, erforderte die zunehmende Besucherfrequenz eine Umnutzung der Grubengebäude für die Einrichtung eines Bergwerkmuseums mit Exponaten aus der tausendjährigen Montangeschichte. Ein Verbund mit dem landschaftsorientierten Wandertourismus ergänzt seit 2012 das Museumsangebot durch einen 10 km langen Bergbauwanderweg, der seine Besucher auf den Spuren der obertägigen Montanaktivitäten zur Gewinnung von Blei und Zink durch das Ramsbecker Bergbaurevier führt. Im Jahr 2018 wird die Gesamt-Besucherzahl seit der Gründung des Bergbaumuseums voraussichtlich die 3,5 Mio.-Grenze überschreiten.

Im Umfeld des ostsauerländischen Giershagen (zu Marsberg) wurde schon 1273 in den Stollen am "Arnstein" Bergbau auf Eisen betrieben (s. Beitrag Köhne). Aber auch Kupfer und Marmor, Gips, Alabaster und Schiefer wurden abgebaut. 2011 konnte der Förderverein "Unser Giershagen" den Themenweg "Giershagener Bergbauspuren" eröffnen. Auch wenn der Erzbergbau schon 1964 aufgegeben wurde, haben sich doch noch zahlreiche Strukturen des frühindustriellen Altbergbaus erhalten. Der Rundweg erklärt Bergbaurelikte an 36 Stationen und berücksichtigt auch den Abbau von Steinen und Erden.

Bürgerliche Unternehmer, auch Gewerken genannt, erschlossen seit dem Spätmittelalter das mächtige Roteisenvorkommen am Eisenberg zwischen Brilon und Olsberg. Die Lagerstätte war die wichtigste Rohstoffquelle für die "Olsberger-" (s. Beitrag Köhne) und "Alte Hütte" an der Hoppecke (Abb. 2). Seit 2012 informiert der "Gewerkenweg Brilon-Olsberg" an 21 Geostationen über die alte Industrielandschaft zwischen dem Ruhrtal und der Briloner Hochfläche.

Heilwirkungen im Stollen

Auch der Gesundheitstourismus hat die staub- und pollenfreie Untertagewelt für Heilzwecke entdeckt. Eine hohe Luftfeuchtigkeit und gleichbleibende Temperaturen von acht bis neun Grad helfen bei Atemwegserkrankungen in den Heilstollen in Schmallenberg-Nordenau und seit 2013 im Kilianstollen in Marsberg. Der 1992 aufgelassene Schieferstollen "Brandholz" in Nordenau wird seit 2011 wegen seines Mikroklimas und des Grubenwassers erfolgreich vermarktet (s. Beitrag Rohleder).

Abb. 3: Die Vegetationsarmut in der "Bleikaule" bei Lichtenau-Blankenrode ist ein Indiz für die Schwermetallbelastung im Boden (Foto: R. Köhne)

Abraumhalden im Fokus der Pflanzenphysiologie

Vegetationsarme Halden lassen auf Schwermetallbelastung schließen. So etwa in der "Bleikaule" bei Blankenrode (zu Lichtenau) (Abb. 3) (s. Beitrag Loos/Gausmann) oder der Haldenlandschaft um Ramsbeck. Die "Haller'sche Schaumkresse" und andere Pionierpflanzen wachsen auf mit Blei oder anderen Schwermetallen belastetem Untergrund und sollen Wege aufzeigen, verseuchte Böden aufgrund ihrer Speicherfähigkeit durch gezielte Anpflanzung zu sanieren. Unproblematisch ist kalkhaltiges Abraummaterial des Eisenerzabbaus, das sich auf einem Pingenfeld bei Sundern-Seidfeld zu einem "Märzenbecher"-Areal mit Niederwald natürlich entwickelt hat.

Der lange Abschied vom Bergbau hat, unterstützt von wissenschaftlichen und öffentlichen Institutionen, die Möglichkeit eröffnet, Lernorte vor Ort anzubieten und durch den Verbund von Natur und Montangeschichte neue Erlebniswelten zu erschließen.

Nicht zuletzt gehört der Altbergbau zu den Ursprüngen der heutigen Industrieregion Südwestfalen (s. Beitrag Krajewski).

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2018