Das Handlungskonzept "Barrierefreie Innenstadt Paderborn"

01.12.2016 Peter Neumann

Inhalt

Die Innenstädte entsprechen in ihrer heutigen Gestaltung häufig nicht mehr den Anforderungen der zu nehmenden menschlichen Vielfalt seiner Bewohner und Besucher. Hier ist ein grundlegender Paradigmenwechsel der Architektur und Stadtplanung nötig, in dem eine barrierefreie Zugänglichkeit und Erlebbarkeit der städtischen Umwelt als strukturelle Herausforderung der europäischen Stadt erkannt wird (Christ 2009).

Das barrierefreie Planen und Bauen hat gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und einer immer älter und vielfältiger werdenden Gesellschaft stark an Bedeutung gewonnen (Neumann 2014). Während sich der Begriff "Barrierefreiheit" ursprünglich vor allem auf Menschen mit Behinderungen bezog, hat sich mittlerweile eine weiter gefasste Definition durchgesetzt. Dies begründet sich in der Überlegung, dass eine große Gruppe von Menschen auf eine barrierefreie und komfortable Umwelt angewiesen ist oder doch zumindest deutlich von ihr profitiert: So ist Barrierefreiheit für etwa 10% der Bevölkerung unentbehrlich, für 40% notwendig und für 100% komfortabel und stellt damit ein Qualitätsmerkmal für sämtliche Lebensbereiche dar (Neumann/Reuber 2004).

Abbn. 1 u. 2: Innenstadtbegehungen mit verschiedenen Interessenvertretern (Fotos: Jens Reinhardt, Stadt Paderborn, links und P. Neumann, NeumannConsult, rechts)

Das Handlungskonzept "Barrierefreie Innenstadt Paderborn"

Die Stadt Paderborn hat die großen Potenziale ihrer Innenstadt, die für alle Nutzer komfortabel, attraktiv und sicher ist, erkannt und setzt konsequent auf ein strategisches Vorgehen auf dem Weg zu einer "Innenstadt für Alle".

So hat die Stadtverwaltung im Jahr 2010 das "Integrierte Handlungskonzept Innenstadt Paderborn" aufgestellt (Stadtplanungsamt Paderborn 2010). Darin formuliert sie das Ziel, lebenswerte Aspekte mit einem attraktiven Angebotsspektrum zu verbinden. Hierfür soll die Paderborner Innenstadt, als Handels-, Versorgungs- und Dienstleistungszentrum der Stadt und der Region, mit ihrer Nutzungsmischung und Nutzungsvielfalt einen entscheidenden Beitrag leisten. In diesem Zusammenhang wird auch die Entwicklung einer barrierefreien Gestaltung der Innenstadt von Paderborn mit den folgenden Schwerpunkten angestrebt:

  • sichere und überschaubare Oberflächengestaltung,
  • barrierefreie Gestaltung der Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen,
  • barrierefreie Gestaltung der Zugänge zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Zur Erreichung dieser Schwerpunkte wurde in einem ersten Schritt ein externes Beratungsbüro mit der Erstellung eines Handlungskonzepts "Barrierefreie Innenstadt Paderborn" beauftragt. Das mittlerweile vorgelegte Konzept (NeumannConsult 2013) dient dazu, den handelnden Akteuren einen strategischen Wegweiser für das Thema Barrierefreiheit und Design für Alle an die Hand zu geben. Es soll dabei unterstützen, erforderliche Maßnahmen unter Berücksichtigung von finanziellen und personellen Ressourcen mit anderen Konzepten und daraus resultierenden Projekten oder Baumaßnahmen zu priorisieren und zu koordinieren.

Zunächst wurde in der Innenstadt von Paderborn mit Hilfe eines speziellen Erhebungstools eine umfassende Zugänglichkeitsanalyse durchgeführt. Die Erhebungen umfassten die Oberflächengestaltung im öffentlichen Raum (inkl. Stadtmöblierung, Beleuchtung, Beschilderung etc.) und die Eingangsbereiche ausgewählter öffentlich zugänglicher Einrichtungen (z.B. Rathaus, Schulen, Kirchen, Tourist-Information). Die Ergebnisse der Zugänglichkeitsanalyse und der sich daran anschließenden Stadtbegehungen mit unterschiedlichen Interessenvertretern (Abbn. 1 u. 2) wurden in Form eines Defizitkatasters dokumentiert und kategorisiert.

Abb. 3: Zugänglichkeitsanalyse des Paderborner Innenstadtbereichs (Schwerpunkt Hauptgeschäfts- bereich, Ausschnitt) (Quelle: NeumannConsult)

Auf Grundlage des Defizitkatasters wurden strategische Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen für den öffentlichen raum der Innenstadt von Paderborn aufgezeigt. Wesentlich für die Handlungsempfehlungen ist die im Zuge der Zugänglichkeitsanalyse erfolgte Differenzierung nach niedriger, mittlerer und hoher Priorität (Abb. 3).

Zudem wurden hierbei auch Empfehlungen bezüglich der Betonung besonders wichtiger Wegeketten innerhalb des Innenstadtbereichs ausgesprochen.

Anhand der Priorisierung der Handlungsempfehlungen können nunmehr – unter dem nachhaltigen Einsatz der verfügbaren finanziellen Ressourcen – schrittweise Defizite beseitigt und Synergieeffekte bei anstehenden Bauvorhaben genutzt werden.

Im Handlungskonzept wurden auch sozial-kommunikative Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Vorgeschlagen wurde u.a. die Gründung eines runden Tisches "Innenstadt für Alle", das Einsetzen eines städtischen Koordinators, ein nachhaltiges Wissensmanagement und die Aktivierung potenzieller Interessenten in der Innenstadt.

Ausblick

Das Beispiel Paderborn zeigt, dass, um Prozesse auf dem Weg zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Erlebbarkeit einer Innenstadt nachhaltig zu fördern, eine intensive Vernetzung mit den Bürgern und anderen relevanten Akteuren vor Ort wichtig ist. So wurde beispielsweise das Instrument des runden Tisches in Paderborn erfolgreich umgesetzt: Ein solcher wurde nach Verabschiedung des Handlungskonzepts durch die Stadtverwaltung installiert und erste abgestimmte Maßnahmen eingeleitet.

Gleichzeitig muss eine strategische Herangehensweise, welche Synergien sinnvoll ausschöpft und Umsetzungsmaßnahmen in einen nachhaltigen Gesamtprozess einbettet, gewährleistet sein. Im Zuge dieser strategischen Planung sollte die Maxime aller kommunalen Aktivitäten die konsequente Vermeidung von Barrieren in allen Bereichen sein, anstatt diese zu einem späteren Zeitpunkt abbauen bzw. alternative Zugangsmöglichkeiten schaffen zu müssen. Nachträgliche Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit sind immer teurer und meist auch weniger stadtverträglich im Sinne einer urbanen Ästhetik.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016